Carola Pönisch

The Show must go on

Während ab 15. Mai viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens in den Alltag zurückkehren, bleiben Großveranstaltungen bis 31. August verboten. Ob und wie es danach weitergeht, ist noch offen. Dabei erwirtschaftet auch diese Branche jährlich einen zweistelligen Milliardenumsatz und sichert zehntausende Arbeitsplätze.
"Wir waren die Ersten, denen der Stecker gezogen wurde und wir werden die Letzten sein, die wieder ans Netz dürfen", kritisiert Konzertveranstalter Rodney Aust. Foto: Pönisch

"Wir waren die Ersten, denen der Stecker gezogen wurde und wir werden die Letzten sein, die wieder ans Netz dürfen", kritisiert Konzertveranstalter Rodney Aust. Foto: Pönisch

Lindenberg, Maffay, James Blunt, Patti Smith, Silbermond, Mark Forster, Adel Tawil, Annett Louisan, Alvaro Soler, Vincent Weiss, Bosse – sie alle wären in diesem Sommer nach Dresden gekommen und zehntausende Sachsen mit ihnen, um ihre Konzerte zu feiern. Stattdessen: Corona. Und bis heute kein konkreter Plan, wie es tatsächlich ab 1. September weitergeht. Denn ein Großkonzert mit 3.000 oder 12.000 Besuchern stampft man nicht eben so aus dem Boden, auch nicht, wenn man Rodney Aust heißt und seit über 25 Jahren als Konzertveranstalter arbeitet. Und wer würde jetzt teure Tickets kaufen für ein Megaevent im Herbst, das dann vielleicht wieder verschoben wird? Abgesehen davon, dass  Mundschutz tragen und Abstand halten mit dem Erlebnisfaktor Großkonzert eher unvereinbar wären. »Für unsere Branche ist 2020 ein verlorenes Jahr mit einem finanziellen Totalausfall, der nicht kompensierbar ist. Selbst wenn es uns gelingt, Konzerte ins nächste Jahr zu verschieben anstatt ganz abzusagen, so verkaufen wir die Tickets nur einmal«, sagt Rodney Aust. Was das mit der Agenturlandschaft macht? »Großes Fragezeichen. Nicht jede Agentur wird diese Zeit durchhalten, wenn wir nicht bald Planungssicherheit bekommen«, prophezeit Aust. »Wir brauchen einen Sonderfonds in Millionenhöhe« Die Kulturwirtschaft war in der Corona-Pandemie die erste Branche, die vom Netz ging und sie wird die letzte sein, die wieder angestöpselt wird. Kultur? Nicht systemrelevant, mögen viele denken. Doch dem ist nicht so. Ganz im Gegenteil. Die maßgeblichen Verbände und Verwertungsgesellschaften der Musikwirtschaft haben einen Schadensbericht erarbeitet, der beeindruckende Zahlen enthält. Sechs Monate Corona-bedingtes Konzertverbot bedeutet demnach 5,45 Milliarden Umsatzverlust und für die 127.000 Beschäftigten in der Musikwirtschaft, darunter Personaldienstleister, Security, Bühnenmeister, Produktionsleiter, Material- u. Energiedienstleister, Lichtverleiher, Caterer, Bühnenvermieter, praktisch null Verdienst. Allein bei den Konzert- und Tourneeveranstaltern, zu denen Rodney Austs Agentur zählt, wird der Ausfall mit 3,65 Milliarden Euro bis Ende August beziffert. Deshalb fordern die Verbände der Musikwirtschaft als Soforthilfe einen Sonderfonds  in Höhe von mindestens 579,5 Millionen Euro, um die aktuellen Notlagen in der Branche einigermaßen auffangen zu können.  Lichtblick: Fans sind treu, behalten ihre Tickets  Trotz aller Probleme gibt es für   Rodney Aust auch  Lichtblicke in diesen Tagen. »Die meisten Fans geben ihre Tickets nicht zurück, sondern warten auf einen neuen Konzerttermin. Das ist auch unsere Bitte an die Besucher: Behalte dein Ticket und sichere die Live-Kultur in Deutschland. Auch die Gutscheinlösung, bei der die Einnahmen erst einmal in den Kassen der Agenturen bleiben, ist gut.« Dennoch dürfe nicht übersehen werden, dass auch bei der Nachholung eines Konzerts erneut Kosten entstehen, auf denen die Veranstalter sitzen bleiben. »Die Veranstaltungswirtschaft  wird weit über die Corona-Krise hinaus massiven und dauerhaften Schaden nehmen, wenn wir keine finanzielle Hilfe bekommen.«


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