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„Solange ich gegen Stumpi gewinne, gehts mir gut“

Seit mittlerweile 44 Jahren lebt der weltweit gefeierte Opernbass, Gunther Emmerlich (71), an der Elbe. Er hatte den WochenKurier in seine 1879 erbaute Traumvilla eingeladen.

Wer den beliebten TV- und Bühnenstar zu Fuß besuchen will, braucht ausreichend Puste. Steil windet sich holpriges, von knorrigen alten Eichen umrahmtes Kopfsteinpflaster den steilen Berghang hinauf. Oben angekommen, wird man mit einem malerischen Panoramablick auf die in der Mittagssonne glitzernde Elbe belohnt.  Das weißgetünchte, im Landhausstil mit neoklassizistischen Elementen verzierte Gemäuer, nur einen Steinwurf von der Bergstation der Standseilbahn und dem inzwischen geschlossenen Ausflugslokal „Luisenhof“ entfernt, hatte Emmerlich zu DDR-Zeiten erworben und eigenhändig renoviert. „Es war damals teilweise einsturzgefährdet“, erklärt der Bartträger mit dem besonderen Timbre. „Das ist mein Lieblingsplatz“ Emmerlich läuft quer über den frisch gemähten Rasen. seines 1000 Quadratmeter großen Gartengrundstücks. „Kommen Sie“, sagt er einladend, „ich habe Kaffee gekocht“, und bleibt dann vor einer mit wildem Wein umrankten Sitzecke stehen. „Das ist mein Lieblingsplatz, hier genieße ich die knappe Zeit zwischen meinen zahlreichen Auftritten.“ Der Wahl-Dresdner, der 1972 ein 5-jähriges Studium an der Musikhochschule „Franz Liszt“ in Weimar absolvierte und 20 Jahre lang Ensemble-Mitglied der Semperoper Dresden war, ist jährlich mehr als 180 Tage mit seinem Benz oder per Flieger auf Achse. Mit Glanzpartien wie dem Osmin aus Mozarts Oper „Die Entführung aus dem Serail“oder dem Tevje im Musical „Anatevka“ reist der gebürtige Thüringer und Ehrenbürger seiner Geburtsstadt Eisenberg nicht nur kreuz und quer durch Deutschland. Als gefragter Solist kennt er fast alle Bühnen Europas, gastierte schon in Asien, Nord- und Südamerika. Emmerlich rückt die Tasse auf der Untertasse zurecht. Dabei wandern seine Gedanken zurück: „Nach meinem Konzert in der weltberühmten New Yorker Carnegie Hall mit Arien und Liedern von Mozart bis Gershwin feierte ich meinen 64. Geburtstag bei einem unvergesslichen Frühstück bei `Tiffany´. Das Lokal in der Fifth Avenue heißt genauso wie das Schmuckgeschäft im gleichnamigen Film mit Audrey Hepburn. „Ein tolles Geschenk, dort singen zu dürfen.“ Aussicht auf Ruhestand? Ist es jetzt nicht langsam an der Zeit, dass er sich zur Ruhe setzt und seinen Lebensabend genießt? Schließlich hatte Emmerlich 2007 und 2014 wegen akuter Herzprobleme zwei Bypass-Operationen. Die Ärzte mahnten damals dringend zum Kürzertreten. Mittlerweile fühlt sich Genussmensch Emmerlich wieder fit wie ein Turnschuh:„Ich kann wieder fast alles essen, was mir schmeckt. Sogar die geliebten Rindsrouladen mit Thüringer Klößen. Aber ohne Speck.“ Und hin und wieder ist auch ein edles Glas Rebensaft aus dem Saale-Unstrut-Anbaugebiet erlaubt, wo er sich als Weinbotschafter engagiert. Dass der 1,92m-Hühne dort so präsent ist, liegt wohl an den Genen. „Ein Vorfahre väterlicherseits“, verrät der Sänger, „war einst Kellermeister beim Kurfürst Ernst von Sachsen, ein anderer komponierender Pfarrer. „Das erfuhr ich nach einem Konzert in Altenburg, beim Blättern in verstaubten alten Kirchenbüchern.“ In Emmerlichs Terminkalender stehen bis zum Jahresende noch 100 Veranstaltungen. Er tourt u.a. mit seinem Swing-Quartett durch die Lande, liest augenzwinkernd ironische und humorvolle Episoden aus eigenen Büchern (sein drittes - „Spätlese“  - ist fast vollendet), engagiert sich für zahlreiche Vereine und Institutionen. Dazu ist er Botschafter der Carreras-Leukämie-Stiftung, sammelt Spenden für die Sanierung von unzähligen Kirchen und Orgeln. Wie beispielsweise in Dresden-Loschwitz, Wittenberg und Kahla. Vermutlich ist der Mann, der zehnmal den Semperopernball moderierte, auch der Sänger mit den meisten Schirmherrschaften. Emmerlich, der außerdem zwei Patenkinder in Kambodscha und der Dominikanischen Republik betreut, bescheiden: „Ehrlich gesagt kann ich aus dem Stegreif nicht sagen, wie vielen Gotteshäusern ich mit meinen Spendenaktionen im Namen der Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler schon geholfen habe und weiter unterstütze.“ Übernimmt sich der fidele Graubart nicht? „Solange mir meine Wandergruppe nicht davonläuft und ich nicht gegen Wolfgang Stumph (70), „Stubbe - Von Fall zu Fall“ - im Tischtennis verliere, braucht man sich nicht um mich zu sorgen.“
Wirklich nicht? Schließlich haben Gunther, der wegen seiner vielen Termine so gut wie nie zu Hause war, und Gattin Anne Kathrein (64) nach 35 Ehejahren eine Auszeit genommen. „Alles verläuft in Liebe und Güte“, versichert Emmerlich. „Meine Frau wohnt jetzt in einem uns gehörenden Haus in Dresden-Striesen. Wir sehen uns aber weiterhin, allein schon wegen unserer drei Kinder und der sieben Enkelinnen. Die Zukunft wird zeigen, wie es weitergeht.“  (Hans Jancke)


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