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Silke Richter/mlh

Spinnerei und Regenwürmer mit Bierbäuchen

Nardt. Auf den Dörfern gibt es sie noch: Alte Traditionen die von Bewohnern gepflegt und erhalten werden. In Nardt treffen sich Frauen, um Steffi Metting beim Spinnen über die Schulter zu schauen oder das Handwerk selbst auszuprobieren.

Wie funktioniert ein Spinnrad und wie wird daraus Wolle produziert? Antworten darauf weiß Steffi Metting die in Nardt Spinnabende organisiert.

Wie funktioniert ein Spinnrad und wie wird daraus Wolle produziert? Antworten darauf weiß Steffi Metting die in Nardt Spinnabende organisiert.

Bild: Silke Richter

Es gab Zeiten, in denen Steffi Metting fast täglich mit ihrem Spinnrad »diskutiert« hat. »Regenwürmer mit Bierbäuchen - so nannte ich damals meine ersten Versuche. Das war von einem gleichmäßigen und ausgewogenen Garn sehr weit entfernt«, berichtet die 46-Jährige lachend. Diese Zeiten sind zu Ende. Zumindest was die Grundlagen dieses besonderen Handwerks betrifft. Denn mittlerweile weiß sie gut mit Spinnrädern umzugehen, kennt alle ihre Einzelteile, die jeweiligen Funktionsweisen und spinnt ein gleichmäßiges, ausgewogenes Garn. Und doch steckt auch hier der Teufel im Detail. Denn Spinnrad ist nicht gleich Spinnrad.

 

Man braucht vor allem eins: Geduld und Willen

 

Mittlerweile kann Steffi Metting fünf Spinnräder ihr Eigen nennen, drei davon werden regelmäßig besponnen, sagt sie und meint damit, dass die historischen, technischen Hilfsmittel rege genutzt werden. Während sie davon berichtet, bewegt sich ihr Fuß auf dem Pedal auf und ab, um das Spinnrad anzutreiben. Klack, klack, klack - und schon surrt es. Zeitgleich halten ihre Hände die Schafwolle, deren Fasern auf dem Spinnrad nun miteinander verdreht werden. Was relativ einfach aussieht, entpuppt sich beim näheren Beobachten und Hinterfragen als etwas komplizierter.

Und so scheint es, dass es auch für dieses Handwerk wohl vor allem eins braucht: Geduld und den Willen, das jeweilige Spinnrad fachgerecht beherrschen und für sich nutzen zu können. Und das hieß für die engagierte Spinnerin: Üben, üben und nochmals üben. Hilfreich dabei waren Steffi Metting hunderte Videos im Internet, um herauszufinden, wie gesponnen und verzwirnt wird. Denn nach dem ersten Crash-Kurs kannte sie zwar die Abläufe, aber »spinnen konnte ich danach immer noch nicht. Mir ist trotzdem immer wieder der Faden gerissen.«

Ihr erstes eigenes, über 20 Jahre altes Spinnrad hat sie aus Dänemark. Die Ernüchterung gab es vor dem Kauf gratis dazu: »Ich war erschrocken, was sie kosten.« So kann man für solch ein gebrauchtes Spinnrad schon mehrere hundert Euro hinblättern. Und nicht hat alle Spinnräder sind gleich. Einfädrig oder zweifädrig, Bock oder Ziege? Bei Fachfragen wie diesen wissen Eingeweihte sofort, ob es sich dabei um ein »liegendes« oder »stehendes« Spinnrad handelt.

 

Alte Handwerkskünste erhalten

 

Momentan schauen die meisten Frauen Steffi Metting lieber noch über die Schulter oder frönen mit Stricken, Häkeln und Nähen ihrem eigenen Handwerkshobby. Hier im Mehrzweckraum gleich hinter dem Bürgerhaus wird geschwatzt, Erfahrungen ausgetauscht, gelacht, gelernt und miteinander Zeit verbracht. Der Duft von frischem, selbstgebackenem Brot liegt in der Luft. Dazu etwas heißen Tee oder Glühwein, ein paar Pralinen und schon lässt sich in der gemütlichen Frauenrunde neben klappernden Stricknadeln und dem leisen Surren des Spinnrades ein Hauch von Damals spüren. Zu einer Zeit, in der die Frauen an kalten Winterabenden zusammen waren, Federn für Betten geschlissen, an Spinnrädern gesessen oder an anderen Handarbeiten gewerkelt haben.

»Ich möchte, dass diese alten Handwerkskünste erhalten und an die nächsten Generationen weitergegeben werden«, meint Steffi Metting, die jene geselligen Abende nicht nur, aber auch deshalb, ins Leben gerufen hat. 17 Frauen waren beim ersten Spinte-Abend im Oktober dabei. Neben dem eigentlichen Handwerk erzählt sie auch gern mehr über die weitere Verarbeitung. Anders als beim Stricken und Häkeln, braucht es nach dem Spinnen bis zur fertigen Wolle nämlich noch mehrere Schritte. So kann das selbst gezwirbelte Garn, je nach weiterer Verwendungsweise, nicht selten ein Entspannungsbad gebrauchen. Danach will es auch noch fachgerecht trocknen, vielleicht auch eingefärbt werden, bevor es zum Knäuel gewickelt und danach endlich zum Stricken, Häkeln oder Weben verwendet werden kann. Gut Ding will halt auch hier Weile haben.


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