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„Möge unserem Deutschland ein 2. Karthago erspart bleiben"

Im Gespräch mit dem Antifaschisten Justin Sonder: „Wider das Vergessen“ – es wirkt, als wäre der Name des Zeitzeugenprojektes eine Mahnung in unserer heutigen turbulenten Zeit.
Ein Mann, der was erzählen kann: Justin Sonder. Hier mit Kulturbürgermeister Thomas Delling (v.l.).                   Foto: Seidelt

Ein Mann, der was erzählen kann: Justin Sonder. Hier mit Kulturbürgermeister Thomas Delling (v.l.). Foto: Seidelt

Hoyerswerda. Die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ veranstaltet dieses Treffen alljährlich in Hoyerswerda. Immer wieder mit ganz besonderen Gästen. Einen davon bekam die Jugendredaktion erst kürzlich vor Kamera und Mikrofon. Einen der letzten Überlebenden des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz: Justin Sonder. 
Inzwischen stolze 91 Jahre alt, wirkt der Mann nicht nur recht jugendlich, auch unermüdlich in seinem Wirken. Nach wie vor besucht er Schulen oder Jugendeinrichtungen und hält mit seiner Lebensgeschichte die Erinnerung an eines der düstersten Kapitel deutscher Geschichte wach. Für Oberbürgermeister Stefan Skora ein „unbezahlbarer Gesprächspartner“, hat er sich auch für die Leser des WochenKurier Zeit genommen und seine Gedanken geteilt. 
Sein hohes Alter merkt man Justin Sonder kaum an, auch wenn er in seinem Leben der Hölle recht nah kam. Umso mehr frustriert den rüstigen Rentner die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum gescheiterten Verbotsantrag der NPD. „Das gefiel mir absolut nicht. Auf der einen Seite wird gesagt, sie sind staatsfeindlich, auf der anderen Seite seien sie so klein, so unbedeutend, dass man sie nicht verbieten darf“, sagt er. Generell seien es die rechtspopulistischen Strömungen, die Sonder  nicht zur Ruhe kommen lassen. So findet er noch heute die Kraft, den Kontakt zur Jugend herzustellen und zu zeigen, welche Folgen braunes Gedankengut haben kann – Folgen, unter denen er selbst lange zu leiden hatte. 
Umso fundierter ist sein Einsatz für Frieden und Völkerverständigung: „Den Verbund mit anderen friedliebenden Völkern zu fördern ist unsere Aufgabe und das möchte ich vor allen Dingen unterstützen.“ In seiner Rede anlässlich der Zusammenkunft von den Verfolgten des Naziregimes würdigte Skora (CDU) Sonders Einsatz. So habe dieser bereits mehr als 500 Veranstaltungen mit Tausenden von Teilnehmern mitgestaltet. Jahr für Jahr kommt der gebürtige Chemnitzer für dieses Projekt nach Hoyerswerda. Kulturbürgermeister Thomas Delling (SPD) ist sich sicher, dass das Projekt eine Zukunft habe, auch wenn die Zeugen der ersten Generation immer weniger würden. Delling dazu: „Wir werden das auch als Stadt weiter unterstützen, da gibt es gar keine Diskussion. Immer mehr rücken die Zeitzeugen der zweiten Generation in den Vordergrund. Leute, deren Eltern Opfer des Nazi-Systems waren und die auch mittelbar betroffen waren. Sie werden eines Tages den Staffelstab übernehmen.“ 
Delling war besonders überrascht, dass Justin Sonder immer noch die Kraft aufbringt, die Zeit von 1933 bis 1945 Revue passieren zu lassen, und so selbst zum Eckpfeiler dieser Veranstaltungsreihe wird. 
Recht, Unrecht und Strafe haben für den 1925 geborenen Mann auch bei seinem beruflichen Werdegang als Jurist und Leitender Offizier bei der Kripo ein Leitmotiv dargestellt. Mit einem Brecht-Zitat verabschiedete sich der Antifaschist zunächst aus der Zuse-Stadt: „Das große Karthago auf Deutschland münzend führte drei Kriege:  Nach dem ersten war es noch mächtig. Nach dem zweiten war es noch bewohnbar. Nach dem dritten war es nicht mehr aufzufinden – das möge uns allen erspart bleiben.“
Tom H. Seidelt
Jugendredaktion


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