as

Habt ihr Kummer oder Sorgen, dann schreibt gleich morgen...

... an Frau Puppendoktor Pille mit der großen, klugen Brille. Dieser Satz wird jetzt wieder vielen in den Ohren klingen, die mit ihren Kindern und Enkeln einst die Sprechstunde von Frau Puppendoktor Pille im Abendgruß des DDR-Fernsehens schauten. WochenKurier traf Urte Blankenstein (72), der Seelentrösterin für kleine Puppeneltern, im Hülsbusch-Möbelhaus Weinböhla.

Frau Blankenstein, eines vorab: Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass es dieses Interview eigentlich gar nicht geben dürfte? Nein, warum denn? Weil Sie laut eines Nachrufs in einer Berliner Tageszeitung längst für tot erklärt wurden. Oh ja, das passierte vor knapp zwei Jahren. Erinnern Sie mich bloß daran nicht... Ist das nicht gruselig, wenn man urplötzlich mit seinem Tod konfrontiert wird? Zuerst musste ich sogar darüber lachen. Der Schock kam etwas später, als mein Sohn Mathias (51) ständig Anrufe mit Beileidsbekundungen bekam. Und auf der Straße haben sich fassungslose Fans zugerufen: "Haste schon gehört, die Pille ist tot!" Mein Ableben konnte ich schließlich höchstpersönlich dementieren. Wie konnte es zu diesem fatalen Irrtum kommen? Klären Sie uns mal auf. Ganz einfach, in der Schlagzeile hieß es: "Frau Puppendoktor Pille verstorben". Darunter , ganz klein der Name der Schauspielerin. Die meisten Leute wissen doch bis heute gar nicht, wie ich im normalen Leben heiße. Sie kennen eben nur die kostümierte Frau Puppendoktor Pille. In Wirklichkeit war meine Vorgängerin in dieser Rolle, die Schauspielerin Helga Liebau-Labudda ("Aber Vati!") gestorben. Sie praktizierte als Puppen-Ärztin von 1959 bis 1963 ebenso fürs Sandmännchen-Programm. Weil wir gerade beim unschönen Thema sind: Sie werden am 21. Dezember 73 Jahre alt. Denkt man da auch schon mal über die eigene Sterblichkeit nach? Sicher, das ist doch ganz normal. Aber ich lebe im Hier und Jetzt, und das hoffentlich noch recht lange. Sie haben mit einer gescheiterten Ehe schon einmal eine schwere Enttäuschung erlebt... Mein Sohn Mathias (51) war nach meiner Scheidung 1968 erst drei Jahre alt. Ich war dann, wie viele andere, eine arbeitende, alleinerziehende Mutter, mit einer Wohnung ohne Bad und Balkon im Prenzlauer Berg. Eine große Erleichterung war dann 1978 der Umzug in eine kleine Zweizimmer-AWG-Wohnung in Berlin-Johannisthal, wo ich heute noch wohne. Ich habe auch wieder einen Partner, der mir in einem schwierigen Moment vor 11 Jahren neuen Mut machte. Wollen Sie darüber sprechen? Ärzte entdeckten an meiner Stimmlippe einen Knoten. Mein starker Zigarettenkonsum war wohl schuld daran. Die Operation verlief gut, sonst hätte ich meinen geliebten Beruf, den ich 1966 in der Rolle als Aschenputtel am Kleist-Theater in Frankfurt/Oder begann, an den Nagel hängen können. Ich habe seitdem nie mehr geraucht. Seit 1988 waren Sie als Puppendoktor Pille nicht mehr im TV zu sehen. Warum eigentlich? Die DDR wollte angeblich keine Kultfiguren, trotzdem durfte das Sandmännchen mit Pittiplatsch, Schnatterinchen und Frau Elster, im Unterschied zu mir, weitermachen. Das sind beliebte Puppen und die sind alterslos, Menschen nun mal.nicht. Mein Verschwinden, denke ich, lag aber wohl am schon damals beginnenden Jugendwahn in den deutschen Sendeanstalten. Dennoch war die Frau Puppendoktor Pille, um kurz beim leidigen Thema zu bleiben, nicht totzukriegen... Ich habe schon 1970 ein Programm erarbeitet, mit dem wir in der DDR unterwegs waren. Es war mir wichtig, mein Publikum life zu erleben. Es ist ein lustiges und lehrreiches Theaterstück, in dem Puppendoktor Pille mit Hilfe eines Frosches und eines Sanitäters die Kinder zum Mitmachen animiert. Daraus wurde dann bis heute eine ziemliche Erfolgsgeschichte... Ähnlich wie einst in der Sandmännchen-Sprechstunde gebe ich Puppeneltern gescheite Tipps vor allem für Gesundheit und Ernährung. Mit Witz und Spaß, ohne erhobenen Zeigefinger. Mit Ihrem Programm haben Sie es mittlerweile sogar wieder ins TV geschafft. Wie kam das? Ja, ich freue mich sehr, dass außer mir altbekannte DDR-Stars von Bühne und TV durch die Macher des sächsischen Privatsenders MyTVplus wieder eine Chance bekommen, nicht nur auf den Bühnen des Landes zu arbeiten, sondern auch via TV gesehen zu werden. Über Internet und Kabelfernsehen flimmern dann u.a. auch Frank Schöbel, Regina Thoss, Uwe Jensen, Dagmar Frederic oder Dorit Gäbler in die Wohnstuben. Gesendet werden die Unterhaltungsshows übrigens aus den Shopping-Tempeln Elbepark Dresden und Chemnitz Center. Sie wirkten, mit Verlaub, am Anfang Ihres Auftritts etwas nervös... Ich habe auch heute noch Lampenfieber, das gehört einfach dazu. Kinder sind unberechenbar, sind emotional, das ist ja so schön an meinem Publikum. Da muss ich dann die Kurve kriegen. "Ich bekomme ein Brüderchen", plauderte kürzlich eine Vierjährige zur Verblüffung ihrer Eltern auf der Bühne aus, "aber ich habe doch Zucker aufs Fensterbrett gelegt, weil ich ein Schwesterchen haben will." Sie lieben Ihren Job, obwohl Sie doch längst ganz normal in Rente gehen könnten? Solange die Puppeneltern Spaß mit mir haben, mache ich weiter. Viele Künstler gehen vermeintlich, "wenn es am schönsten ist". Ich mache weiter bis ich umfalle, ich brauche diese Freude. Stimmt es, dass Sie seit 1981 auch Auftritte in den alten Bundesländern hatten? In vielen Gegenden im Westen konnte man das Ost-Fernsehen empfangen und dort war der Abendgruß genauso beliebt, wie bei uns. Also wurde ich mit meinem Kinderprogramm eingeladen und spielte dort immer wieder, bis heute. Anfangs wurde ich dort allerdings mit Pippi Langstrumpf verwechselt - wegen meiner Zöpfe. Sie engagieren sich ehrenamtlich auch für Klinikprojekte der Deutschen Kinderkrebsnachsorge und der Stiftung für das chronisch kranke Kind an der Ostsee und im Schwarzwald? Ja, das ist mir eine Herzensangelegenheit. Haben Sie schon einmal etwas ganz Verrücktes gemacht? Oh ja. Ich war auch als Assistentin von Magier Dr. Peter Kersten ("Zauber-Peter") international unterwegs, er hatte mich für seine Show in Mosambik als "Schwebende Jungfrau" engagiert. Damals war ich allerdings noch ein paar Kilo leichter (lacht). Wie halten Sie sich jung und frisch? Vor allem durch die Arbeit mit den Kindern, dann bevorzuge ich mediterrane Kost. Für meine Salate verwende ich nur Kräuter von meinem Balkon. Aber ich esse im Prinzip alles, was auf den Tisch kommt. Ich glaube, ich habe da gute Gene geerbt. Gibt es etwas, was Sie sich noch wünschen? Ja, alles soll so bleiben wie es ist und dass ich gesund bleibe. Am liebsten würde ich jetzt auf eine Stopptaste drücken. Mit Dr. Pille sprach Hans Jancke


Meistgelesen