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Der Vorbildwirkung im Fußball bewusst sein

Interview zum Jahreswechsel 2016/17 mit FLB-Präsident Siegfried Kirschen
Siegfried Kirschen zeichnete 2016 Ekkehard Zeidler (r.) mit dem »Kristall-Fußball«, der höchsten Auszeichnung des FLB, aus. Der Geehrte war unter anderem als langjähriger Trainer im Männer- und Nachwuchsbereich sowie in der Qualifizierung aktiv, eine ehrenamtliche Aufgabe, der er im Fußballkreis Niederlausitz noch immer nachgeht. Foto: swk

Siegfried Kirschen zeichnete 2016 Ekkehard Zeidler (r.) mit dem »Kristall-Fußball«, der höchsten Auszeichnung des FLB, aus. Der Geehrte war unter anderem als langjähriger Trainer im Männer- und Nachwuchsbereich sowie in der Qualifizierung aktiv, eine ehrenamtliche Aufgabe, der er im Fußballkreis Niederlausitz noch immer nachgeht. Foto: swk

Herr Präsident, das Jahr 2017 ist erst wenige Tage alt und die Geschehnisse im Jahr 2016 sind uns noch gut vor Augen. Woran denken Sie, wenn Sie auf die nationalen Ereignisse des vergangenen Jahres zurückblicken?

In sportlicher Hinsicht natürlich an den Olympiasieg der deutschen Frauen-Mannschaft und der Freude, dass auch zwei Potsdamer Spielerinnen dabei waren. Aber auch die Silbermedaille der Männer war ein großartiges Ergebnis. Bei der EM in Frankreich konnten wir zwar nicht den angestrebten Titel holen, dennoch hat die Mannschaft nicht enttäuscht. Sportpolitisch stand das zurückliegende Jahr im Zeichen zweier DFB-Bundestage und der weiteren Aufarbeitung der Vorkommnisse um die Vergabe der WM 2006 nach Deutschland. Es wäre schön, wenn dieses Kapitel bald und endgültig zu den Akten gelegt werden könnte. Doch dazu bedarf es, dass die Untersuchungen der Staatsanwaltschaften in der Schweiz und in Deutschland abgeschlossen werden und dass vor allem die Protagonisten von damals ihr Schweigen beenden.

Ein Stichwort, welches in diesem Zusammenhang immer häufiger fällt, ist Compliance. Ein Thema, welches auch für den FLB aktuell ist?

Selbstverständlich und ich meine es so, wie es dieses Wort aussagt. Denn unter Compliance verstehe ich tatsächlich Selbstverständlichkeiten in der Führung eines Verbandes wie auch jedes Unternehmens. Ich möchte dies an einigen Beispielen verdeutlichen. Die Auslosung der Spiele im AOK-Landespokal Brandenburg führen wir seit Beginn dieses Spieljahres live im Internet durch und gewährleisten damit eine uneingeschränkte Transparenz gegenüber unseren Mitgliedern und der Öffentlichkeit. Im vergangenen Jahr haben wir neue Finanzrichtlinien in Kraft gesetzt, außerdem wissen wir seit Jahren eine in Vereinsrechtsfragen erfahrene Steuer- und Anwaltskanzlei an unserer Seite. Was unsere hauptamtlichen Mitarbeiter der Geschäftsstelle betrifft, möchte ich ausdrücklich auf die bestehenden Verschwiegenheitsklauseln verweisen. Und was unser Ehrenamt anbelangt, erwähne ich exemplarisch die Compliance-Regeln, die schon jetzt für all jene Mitglieder gelten, die in Gremien des DFB mitarbeiten. Ich halte diese Maßnahmen für alternativlos. Denn ob im Haupt- oder Ehrenamt: Wir müssen uns unserer Vorbildwirkung im Fußball bewusst sein, müssen Werte wie Respekt und Vertrauen, Fairness und Loyalität in unserer täglichen Arbeit mit Leben erfüllen, um als glaubwürdige Partner in der Gesellschaft wahrgenommen zu werden.

Aktuell verfügt der FLB über keinen Bundesligisten im Verband. Ein Fakt, der auch auf die Ergebnisse der Landesauswahlmannschaften ausstrahlt?

Dieser Zusammenhang ist richtig, weil unsere Talente natürlich das Ziel vor Augen haben, nach der Juniorenzeit mindestens in der 3. Liga spielen zu wollen und deshalb uns schon frühzeitig die besten Spieler verlassen. Andererseits ist diese Tatsache keine Entschuldigung dafür, dass unsere Auswahlmannschaften bei den Turnieren im NOFV und beim DFB gerade im vergangenen Jahr so schlecht wie nie abgeschnitten haben. Ich habe deshalb in den vergangenen Wochen viele Gespräche geführt, die mich zu der Überzeugung geführt haben, dass wir die Strukturen unseres Verbundsystems noch besser nutzen müssen. Deshalb werden wir in diesem Jahr einigen Trainern, die mit ihren Mannschaften sehr gute Ergebnisse erzielen und deshalb auch die meisten Auswahlspieler haben, mehr Verantwortung auch für die Auswahlmannschaften übertragen.

Was für den FC Energie Cottbus eine Enttäuschung und für den SV Babelsberg 03 mittlerweile Normalität darstellt, erscheint für den FSV 63 Luckenwalde und den FSV Union Fürstenwalde fast schon als Sensation: die Regionalliga. Eine Einschätzung, die Sie teilen?

Unbedingt. Denn während in Cottbus nach wie vor unter Profi-Bedingungen gearbeitet wird und auch in Babelsberg professionelle Vereinsstrukturen existieren, ist es umso mehr zu würdigen, dass in Luckenwalde und Fürstenwalde ebenfalls Regionalliga-Fußball gespielt wird. Was in diesen beiden Vereinen und im Verbund mit den Städten geleistet wird, ist sensationell. Für Energie Cottbus und für uns wünsche ich mir, dass die Aufstiegschance noch lange erhalten bleibt, auch wenn man es aus eigener Kraft nicht mehr schaffen kann. Ein Kompliment möchte ich an dieser Stelle den Cottbuser Fans und Sponsoren machen, die auch nach dem Abstieg die Mannschaft toll unterstützen und die es wahrlich verdient hätten, dass der Aufstieg noch gelingt.

Eine wichtige Funktion in der weiteren Entwicklung des Leistungsfußballs kommt sicher dem neuen Cheftrainer des Verbandes zu. Welches Anforderungsprofil verbinden sie mit ihm?

Wir haben die Position des Cheftrainers zum Ende des vergangenen Jahres ausgeschrieben und das Stellenprofil eindeutig definiert. Neben den fachlichen Anforderungen, der erforderlichen Lizenz und entsprechenden Erfahrungen im Leistungssport wünsche ich mir vor allem Bewerber mit hohen Führungsqualitäten. Denn in dieser Funktion gilt es in besonderem Maße, zielorientiert zu arbeiten, gleichzeitig aber unterschiedliche Charaktere im gemeinsamen Interesse aller zusammenzuführen. Ich bin gespannt auf die Bewerbungen und sicher, dass wir im Präsidium eine Entscheidung treffen werden, die die weitere Entwicklung fördern wird.

Silke Wentingmann-Kovarik


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