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Hans Jancke

Einmal Köhler, immer Köhler

Bernd Papperitz pflegt ein uraltes Handwerk – die Köhlerei. Es ist ein einsamer Job draußen im Tharandter Wald.
Bernd Papperitz (re.) bekommt gelegentlich Besuch von Sohn Sven.  Foto: Hans Jancke

Bernd Papperitz (re.) bekommt gelegentlich Besuch von Sohn Sven. Foto: Hans Jancke

Es ist ein Bild, wie man es aus dem Märchen »Das kalte Herz« kennt: Ein einsamer Köhler, der nachts neben seinem rauchenden Meiler wacht. Bernd Papperitz (70) hat die Legende vom armen Kohlenmunk-Peter, der sein Herz gegen einen gefühllosen Stein eintauscht, schon als kleiner Junge oft gelesen. Seit 39 Jahren hütet er nun selbst den vier Meter hohen Meiler im Tharandter Wald. »Allerdings nur nebenberuflich«, gesteht Papperitz. »Eigentlich bin ich Gemeindearbeiter, schlüpfe immer nur von März bis Ende Mai in die schwarze Köhlerkluft. Denn von der Köhlerei allein kann man nicht leben, nicht in diesen Zeiten.«

450 Grad Celsius im Meiler

Papperitz hockt auf den Stufen vor der Köhlerhütte, blickt vesonnen auf den vier Meter hohen Berg aus stufenweise aufgeschichteten Buchenholzscheiten. »Diesmal ist er zwei Meter höher als sonst«, so der Hobbyköhler. »Dadurch ist der Glutkern vom Volumen her größer und die Verkohlung verläuft schneller.« In den nächsten Tagen wird der kegelförmige Meiler, in dessen Innerem dann das Holz bei 450 Grad glimmt und schließlich zu Holzkohle wird, luftdicht mit Erde abgedichtet. Erst dann kann er angezündet werden. Immer muss Papperitz dann den Erdmantel beobachten, eventuelle Risse sofort verschließen. »Weil sonst zuviel Sauerstoff ins Innere des Vulkans strömt und das gute Holz verbrennt«, betont er.  Aber macht der beim Köhlern entstehende Qualm nicht die Lunge krank? Papperitz winkt ab: »Ach was, im Gegenteil, so bleibe ich knackig wie ‘ne Räucherwurst.« Einzig die schlimme Hitze am Meiler macht ihm zu schaffen.

Vier Wochen allein im Wald

Die einzige Abwechslung im wochenlangen Eremiten-Dasein: Gelegentlich kommt Sven (44), der Sohn des Köhlers vorbei und hilft beim Spalten der mächtigen Buchenklötze. »Für mich ist das ein idealer Ausgleich zu meinem Bürojob als Angestellter«, sagt er. Und was Papa besonders freut: »Ich habe Vater versprochen, später einmal die Köhler-Tradition fortzuführen.«
Die zündende Idee mit dem Nebenjob als Köhler hatte einst der  Bürgermeister. Er hatte Papperitz Senior darum gebeten, damit der schon Jahrhunderte alte Brauch der Holzkohleherstellung im romantischen Breiten Grund nicht ausstirbt. Papperitz gab sein Wort – und lebt seitdem jeweils vier Wochen lang Tag und Nacht nahe dem Meiler in einer kargen Köhlerhütte. Ohne TV, Radio, Telefon und Ehefrau. Seine Martina, mit der er jetzt fast 47 Jahre verheiratet ist, hat sich längst ans Alleinsein gewöhnt. »Jaja, du und dein Meiler«, seufzt sie jedesmal, wenn ich meine Tasche mit dem Köhlerwerkzeug und dem Proviant packe, verrät Papperitz. Für ihn ist die Köhlerei eben eine Herzensangelegenheit. Er kann nicht anders. »Einmal Köhler, immer Köhler«, betont Papperitz mit einem gewissen Stolz in der Stimme. Schließlich waren es die Köhler, die sich schon vor einer Ewigkeit als einzige Berufsgruppe erlauben durften, selbst beim Besuch des Königs nicht ihr Gesicht zu waschen. Nicht einmal die Bergleute genossen damals dieses seltene Privileg. »Ich selbst durfte kurz nach der Wende ebenfalls einer Majestät die Hände schütteln«, sagt Papperitz und lächelt verschmitzt. »Beim traditionellen Meilerfest erschien plötzlich König Kurt, wie Sachsens damaliger Ministerpräsident Kurt Biedenkopf respektvoll genannt wurde. Er schüttelte mir höchstpersönlich die rußgeschwärzten Hände.« Ob beim diesjährigen Meilerfest (25. und 26. Mai) im Breiten Grund vielleicht wieder eine hochrangige Persönlichkeit mitfeiert? »Das bleibt solange mein Geheimnis und das aller 20 Vereinsmitglieder des Meiler e.V, dem übrigens auch der in Freital lebende sächsische Innenminister Roland Wöller (48) angehört«, sagt Papperitz, der den Meiler pünktlich am Samstag um 14.30 Uhr auf dem Meilerplatz anzündet. Seine Holzkohle, die nach eigener Aussage länger brennt als industriemäßig im Betonmeiler produzierte, wird dann am 6. Juli direkt vor Ort an der Piennaer Straße für neun Euro pro 15-Kilo-Sack verkauft. Ob Papperitz, der in all den Jahren nachts allein vorm rauchenden Meiler saß, das sagenhafte Glasmännlein aus seinem Lieblingsmärchen wenigstens im Traum erschienen ist? »Nein, leider nicht«, lacht der fidele Graukopf, »weil es sich der Legende nach nur Sonntagskindern zeigt. Und ich bin leider erst zwei Tage später zur Welt gekommen...«


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