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Ein Buch über Krebs und Lebenshunger

Petra-Alexandra Buhl hat das Buch »Heilung auf Widerruf. Überleben mit und nach Krebs« geschrieben.
Petra-Alexandra Buhl: »Man muss das Befinden von den Befunden abkoppeln.« Foto: Oliver Killig

Petra-Alexandra Buhl: »Man muss das Befinden von den Befunden abkoppeln.« Foto: Oliver Killig

Sie lebt am Bodensee und arbeitete zehn Jahre als Journalistin in Dresden und der Lausitz. Dabei beschäftigte sie sich auch mit der Schriftstellerin Brigitte Reimann, die 1973 mit 39 Jahren an Krebs starb. Nach ihrem Tod erschien der unvollendete Roman »Franziska Linkerhand« über den Aufbau der Neustadt von Hoyerswerda. Welche Rolle sie nun in dem Buch spielt, sagt die Autorin im Interview.

Frau Buhl, wie sind Sie auf das Thema gekommen?
Zum einen, weil ich selber Krebs hatte. Zum anderen war es reine Neugier. Ich hätte gern nur Happy-end-Geschichten erzählt. Für einige geht das aber nicht so aus, die müssen auch damit klarkommen. Es gibt halt kein Buch über Langzeit-Überlebende, nur medizinische Bücher, die versteht kein Mensch.

Welchen Krebs hatten Sie?
Lymphdrüsenkrebs, das ist 30 Jahre her.

Was interessierte Sie an Brigitte Reimann?
Zu ihr bin ich nicht über die Krankheit gekommen. Ich war im Herbst 1998 in Weißwasser, zu einer Zeit, in der ihre Tagebücher erschienen sind, die fand ich interessant, da habe mir noch mehr Bücher gekauft. Brigitte Reimann brachte mir nahe, was passiert ist in der Region. Sie hat schön beschrieben, wie Hoyerswerda geplant wurde und ich habe gedacht, das ist ja wirklich eine klasse Frau.

Was beeindruckt Sie am meisten an der Schriftstellerin?
Dieser Lebenshunger ist unglaublich, auch die Offenheit und Großzügigkeit, ihre persönliche Entwicklung. Erst war sie sehr linientreu und dann hat sie sich zu einer rebellischen Schriftstellerin entwickelt, die zu kämpfen hatte. Die Briefe, die nach ihrem Tod erschienen sind, zeigen ja auch, wie außerordentlich fleißig sie war, obwohl sie schon so schwer krank war. Damals waren die Therapien extrem heftig. Sie hatte auch übelste Schmerzen. Heute gibt es Schmerzmittel, da geht das viel besser. Sie hat schon extrem gelitten. Trotzdem ist sie noch interessiert, diskutiert mit den Leuten, reflektiert, was sie beschäftigt in Schwarze Pumpe und in Hoyerswerda. Darauf ist sie ja auch in »Franziska Linkerhand« eingegangen, die Visionen, die Utopien, wie soll es weitergehen und dafür hat sie Dresche bekommen. Es haben nicht alle Hurra geschrien, als sie mit ihren Vorschlägen kam. Aber ich glaube, dass Hoyerswerda davon sehr profitiert hat. Es gibt ja diesen rührigen Verein.

Den Hoyerswerdaer Kunstverein, der hat eine Brigitte-Reimann-Begegnungsstätte eingerichtet.
Sie war ja auch eine tolle Frau und hatte so viel Potenzial. Schade, dass sie hier im Süden nicht so bekannt ist. 

Vielleicht hilft das Buch, dass Brigitte Reimann im Süden Deutschlands bekannter wird?
Ich habe ein paar Zitate von ihr drin und eine Mini-Biographie im Anhang. Ich habe überlegt: Wie könnte sie heute eine Rolle spielen? Wie sie sich mit den Themen ihrer Zeit beschäftigt, ist sie ein interessanter Fall und eine tolle Quelle für die Entwicklung einer Schriftstellerin und ihre Kämpfe um die städtebauliche Entwicklung. Und als Krebspatientin kann sie eine tolle Identifikationsfigur sein, wie sie offen über ihre Erfahrungen spricht. Auch mein Lektor hat gesagt, sie trifft den Nagel auf den Kopf. Sie war eine spannende Frau, die in einer spannenden Zeit gelebt hat.

Für das Buch waren Sie auch in Österreich und der Schweiz unterwegs.

Ich wollte den ganzen deutschsprachigen Raum einbeziehen und verschiedene Diagnosen und Krankheitsbilder, Männer und Frauen in unterschiedlichen Lebensaltern, die mindestens zehn Jahre krankheitsfrei sind. Erst dann sind sie hilfreich für andere, weil sie nicht mehr so emotional sind wie akut erkrankte, da ist man immer noch unheimlich aufgewühlt. Es ist interessanter, die Leute zu fragen, was die Krankheit für sie verändert hat. Ich habe lange Gespräche geführt, um in die Tiefe zu gehen. Wir haben auch einiges unternommen, waren schwimmen oder in einem Café. Das war eine wunderbare Zeit mit wunderbaren Gesprächen.

Leben die Betroffenen bewusster? 
 
Sie haben immer das Bewusstsein über ihre Endlichkeit, was die Gesunden nicht kennen. Man weiß ja, dass man sterben wird. Aber die Betroffenen schätzen ihr Leben viel mehr. Freundschaften sind ihnen wichtig, nicht unbedingt die Karriere, ein Haus oder Porsche. Sie leben trotzdem ein gutes Leben. Es ist anders. Sie können mit ihren Einschränkungen umgehen, das haben sie gelernt. Das ist der Gewinn und das, was sie den anderen mitteilen können: Wie gehen sie mit ihren Widrigkeiten um?


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