

Die Kreisstelle für Statistik meldete im Sommer 1984 für das erste Halbjahr 765 neugebaute und modernisierte Wohnungen. Für 2300 Bürger hätten sich die Wohnverhältnisse verbessert. Das war auch bitter nötig. Wenn man bis 1990 das Wohnungsbauprogramm erfüllen und jedem Bürger eine Wohnung geben wollte, musste noch viel passieren. Bis zu diesem Zeitpunkt waren neben kleineren Wohnungsbaustandorten in der Spremberger Vorstadt und der Wilhelm-Pieck-Straße die Großsiedlungen in Sandow, Ströbitz und Sachsendorf entstanden. In Neu-Schmellwitz, dem vierten großen Standort, waren 1984 die ersten Wohnungen bezugsfertig. Die übergroße Menge der in Cottbus bis zur Wende gebauten 45.000 Wohnungen waren dann auch Neubauwohnungen. Altstadtsanierung fand punktuell statt, beschränkte sich jedoch auf wenige repräsentative Objekte, das Stadttheater, die Sprem und den Altmarkt. Ganze Straßenzüge in der Cottbuser Innenstadt verfielen. Vor 35 Jahren sollte nun der Wohnungsbau in die City verlegt werden. Die Möglichkeit, mit handwerklichen Mitteln eine behutsame Sanierung vorzunehmen, war bei begrenzten Kapazitäten und wegen des Einsatzes Cottbuser Bauleute in Berlin nach damaliger Einschätzung unmöglich. Blieb also nur der Flächenabriss und die Verwendung eines Wohnungstyps, der trotz industrieller Baumethoden wenigstens die Anmutung innerstädtischen Charmes hätte. An der Cottbuser Hochschule entwickelte Modifizierung des Typs WBS 70 Die Lösung war eine von der Bauakademie der DDR und der Ingenieurhochschule Cottbus vorgenommene Modifizierung der Wohnungsbauserie 70 für das innerstädtische Bauen. Sie ermöglichte höhere Erdgeschosse für Geschäfte, Fassadenversprünge, verschiedene Geschosszahlen und mansardenartige Dächer. Der in Cottbus entwickelte Typ wurde 1982 in Leipzig erstmalig ausgeführt und kam dann überall zur Anwendung. Die Cottbuser sahen die Vorbereitungen jedoch mit gemischten Gefühlen. Seit 1983 waren die Planungen und Modelle ausgestellt. Die Wohnungen waren etwas größer als in den Satellitenstädten, die Küchen besaßen Fenster. Die angekündigten Ladenzonen, Einrichtungen und Gaststätten wirkten attraktiv. »In Übereinstimmung mit den Traditionen in Cottbus«, so der Rat der Stadt, sollte das Neubaugebiet den Namen Wendisches Viertel erhalten. »Wichtigste Objekte werden eine Spezialverkaufsstelle für typisch sorbische Erzeugnisse und eine sorbische Gaststätte ›Lipa‹ mit 50 Plätzen sein.« Aber man sah schon am Modell, dass ganze historische Straßenzüge weichen mussten. In der Klosterstraße befanden sich wertvolle, für die Stadtgeschichte bedeutsame Baudenkmale. Die schönen Giebelhäuser und das Haus mit den drei Mohrenköpfen sollten verschwinden. Für den Einsatz der Krangleistechnologie musste die neue Klosterstraße auch begradigt werden. Funktionsunterlagerungen gestrichen Am 16. Juli 1984 war dann in dieser Straße Baubeginn. Schon damals hatten Grundsteinlegungen und Richtfeste magische Anziehungskraft auf die Honoratioren. Und die waren dann auch reichlich erschienen. Der Baubrigadier Erwin Miatke legte einen Kupferbehälter mit aktuellen Dokumenten, Zeitungen und 188 Mark in eine Aussparung des Fundaments. Es folgten die drei Hammerschläge: für »unsere sozialistische DDR«, für die »Bürger, die hier einmal wohnen« und für »die Bauschaffenden, Meister und Ingenieure«. Es gab im Wendischen Viertel gelungene Lösungen. Aber große Teile der Cottbuser Altstadt gingen verloren. Bis 1988 entstanden fast 500 Wohnungen im Zentrum. Als Fortsetzung der Bebauung der Innenstadt war dann die Umgestaltung des Thälmannplatzes geplant, konzipiert als Kundgebungsplatz, mit dem wuchtigen Haus der Partei im Mittelpunkt. Auch dazu wären Flächenabrisse nötig geworden. Das blieb Cottbus erspart. Der Erhalt der Häuser am Thälmannplatz war eine der zentralen Forderungen der Cottbuser Montagsdemonstrationen im Herbst 1989. Aber schon in den Monaten davor gab es erzwungene Planänderungen. Das verkündete Wohnungsbauprogramm, eng mit dem Namen Honeckers verbunden, sah vor, bis 1990 jeder Familie eine Wohnung zu geben. Anfang 1988 wurde klar, dass dieses Ziel nicht zu erreichen war, nicht nur in Cottbus. Deshalb kam von ganz oben die Order, mögliche Reserven zu erschließen. In Cottbus bestanden diese Reserven im Wegfall der sogenannten Funktionsunterlagerungen und deren Ersetzung durch Wohnungen in Teilen des Wendischen Viertels. Die Klosterstraße, als Geschäftsstraße mit Läden und Gaststätten geplant, wurde eine reine Wohnstraße.