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Halleyscher Komet versetzt Cottbuser 1910 nicht in Angst

Die WochenKurier-Kolumne von Dr. Peter Lewandrowski
Der Halleysche Komet, beobachtet 1910. Foto: unbekannter Fotograf, Deutsche Fotothek

Der Halleysche Komet, beobachtet 1910. Foto: unbekannter Fotograf, Deutsche Fotothek

Ein Komet, auch Schweif-stern genannt, so definiert der »Volks-Brockhaus« Anfang des 20.  Jahrhunderts, ist ein »Himmelskörper mit geringer Dichte und Masse, besteht aus Kopf und meist aus einem von der Sonne abgekehrten Schweif, der bis 250 Mill. km lang sein kann«. Und so ein Bursche war im Mai 1910, vor 110 Jahren, unterwegs in Richtung Erde. Es war auch nicht irgendein Brocken, sondern der prominenteste aller Schweifsterne, der Halleysche Komet. Der Himmelskörper mit 5 km Durchmesser ist am sonnennächsten Punkt seiner Umlaufbahn immerhin mit fast 55 km/s unterwegs. An der Erde vorbei fliegt er ungefähr alle 75 Jahre. Bekannt ist das Himmelsspektakel seit prähistorischen Zeiten. Berechnet und die periodische Wiederkehr des Kometen vorhergesagt hat der englische Mathematiker und Astronom Edmond Halley Anfang des 18. Jahrhunderts, daher sein wissenschaftlicher Name 1P/Halley. Früher sahen die Menschen Kometen als Unglücksboten an. Schon bei Aristoteles wird das Erdbeben und die Flutwelle in Achaia im 4. Jahrhundert v. Chr. mit einem Kometen in Verbindung gebracht. Kometenerscheinungen waren im Denken der Menschen mit katastrophalen Naturereignissen verbunden. Der Lübbener Kirchenlieddichter Paul Gerhardt sang mit seiner Gemeinde: »Die brennenden Kometen sind traurige Propheten«. In Cottbus keine Panik Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts gab es andere Befürchtungen beim Herannahen von Halley. Wissenschaftler hatten im Kometenschweif Cyanwasserstoff (Blausäure) festgestellt. Da die Erde die Bahn des riesigen Kometenschweifs kreuzte, gab es große Angst vor Vergiftungen. Zwar war schon damals nachgewiesen, dass wegen der äußerst geringen Dichte des Schweifs keine Gefahr bestand. Geschäftemacher und Scharlatane nutzten die Kometenangst in Europa jedoch weidlich aus. Gasmasken, Sauerstoffflaschen und »Kometenpillen« fanden reißenden Absatz. Im Gegensatz zu heute gab es genügend Masken. Über eine Million davon wurden – wie gegenwärtig auch - zu stattlichen Preisen verkauft. Im aufgeklärten Cottbus hielt sich die Kometenangst jedoch in Grenzen. Der Cottbuser Anzeiger berichtete seinen Lesern ohnehin stets seriös über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse. Dort las man über die Vorbereitungen Amundsens zur Polarexpedition. Der Motorflug, 1910 erst wenige Jahre alt, war ständiges Thema. Über die Marskanäle hörten die Cottbuser, dass es »sich dabei um künstliche Fruchtbarkeitsstreifen« handeln könnte, »denen das Wasser von den Polen auf irgendwelchem mechanischem Wege zugeführt wird.« Anfang Mai verdrängt der herannahende Komet alle anderen Themen. Der Anzeiger und die Märkische Volksstimme berichteten sachlich, ohne Panikmache. Angekündigt wurde am 19. Mai: »Der Halleysche Komet wird am morgigen Freitagabend, klares Wetter vorausgesetzt, kurze Zeit nach Sonnenuntergang wohl schon am Nordwesthimmel für das bloße Auge sichtbar sein. Sein Untergang erfolgt für Cottbus berechnet um 9 Uhr 31.« Aber, so wurde versichert, »fehlen dem Phänomen sicherlich alle sensationellen Erscheinungen«. Und was sahen die Niederlausitzer dann, bzw., was sahen sie nicht? Der Himmel war »mit einem leichten Gewölk überzogen«. Mancher glaubte, eine »leuchtende Nachtwolke am Horizont gesehen zu haben«. Aber das war es dann auch. »Die wissenschaftlichen Beobachtungen sind anscheinend völlig ergebnislos verlaufen«. Mit Robotron dicht an den Kometenkern Der Vorteil bei der Erforschung des Kometen besteht in seiner relativen Pünktlichkeit. Für den Februar des Jahres 1986 bereitete sich die Menschheit auf die Wiederkehr des Himmelsereignisses vor. Diesmal, in dem sie dem Kometen künstliche Gefährte entgegen schickte. Die beiden Sonden hießen VEGA 2 und Giotto. An der VEGA-Mission beteiligten sich neben den Ostländern auch Westdeutschland, Frankreich und Österreich. Auf die Beteiligung der DDR wies das Zentralorgan Neues Deutschland hin. Die Auswertung der 400 Bilder, die beim Vorbeiflug entstanden, ergab »dass der Kern von einer Hülle aus undurchsichtigem Staub umgeben ist, die ständig ihre Gestalt verändert.« Bei dem Versuch, »durch die Staubschicht zu sehen und die vermutlichen Umrisse des Kometenkerns« zu erkennen, »verwendeten die Spezialisten ein modifiziertes Bildverarbeitungssystem aus dem Kombinat Robotron.« Doch zurück zum Jahr 1910. Lausitzer Gelassenheit zeichnet die Cottbuser nicht erst seit der Corona-Krise in unseren Tagen aus. Auch vor 110 Jahren, als der Halleysche Komet ganz Europa verunsicherte, blieb man hier erstaunlich sachlich.


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