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Kraftwerk Jänschwalde gegründet

- Vor 45 Jahren -
Großbaustelle der Freundschaft - Nahe Peitz wächst das Kraftwerk Jänschwalde heran. Foto: privat

Großbaustelle der Freundschaft - Nahe Peitz wächst das Kraftwerk Jänschwalde heran. Foto: privat

 »Auf dem Gebiet des Kraftwerkbaus in der DDR leisten seit mehr als einem Jahrzehnt
Werktätige der DDR und der UdSSR sowie aus weiteren sozialistischen Ländern einen wertvollen Beitrag zur Stärkung des Sozialismus und zur Entwicklung unseres Kampfbündnisses. Das wird auch am Beispiel der ›Internationalen Großbaustelle der Freundschaft mit der Sowjetunion‹ Kraftwerk Jänschwalde sichtbar.« Als Mitte der Achtziger diese Sätze geschrieben wurden, war die Niederlausitz ein »Industriebezirk mit vorherrschender Grundstoffindustrie« und Cottbus war das Zentrum dieses Reviers. Hier wurde für DDR-Verhältnisse gut verdient und zu einer Wohnung kam man etwas schneller, als in anderen Bezirken. Allerdings war die Umweltbilanz verheerend. Der Schreckensruf bei bestimmten Windrichtungen »Es riecht nach Schwarze Pumpe!« warnte vor stinkenden organischen Verbindungen. Die mit Abstand größte Baustelle war jene »Internationale Großbaustelle der Freundschaft«. Hier am Rande der Cottbuser Nachbarstadt Peitz entstand von 1972 an das erste Großkraftwerk der DDR mit ausschließlich 500-MW-Blöcken. Auf der Baustelle arbeiteten »Kraftwerkserbauer aus der DDR und der Sowjetunion, aus der Volksrepublik Polen, der Ungarischen Volksrepublik und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien.« Der Turbosatz, »das Herzstück« des 500-MW-Blocks und des gesamten Kraftwerkes kam aus Leningrad. Auf der Baustelle arbeiteten zeitweise 10?000 Arbeiter, davon 4?000 Polen. Gerade während der Phase des Ausnahmezustandes im Nachbarland gab es immer wieder Befürchtungen, dass sich die Solidarnosc-Ideen der polnischen Werktätigen ausbreiten. Dagegen sollte der »Internationale Rat der Parteisekretäre« helfen. Dennoch musste konstatiert werden, dass »die Versuche des Klassengegners mit Hilfe der  Solidarnosc« nicht »spurlos an den  polnischen Bauschaffenden«  vorbeigingen.

Zahlen und Fakten zum Kraftwerk

Die Baustelleneröffnung für das zukünftige Kraftwerk begann 1972 mit Rodungs- und Erdarbeiten. Generalauftragnehmer war der VEB Kombinat Kraftwerksanlagen Bau Berlin. Die Aufbauleitung kam von den früheren Baustellen Thierbach und Boxberg. Baustellendirektor Erhard Eschke bezog mit seinem Stab zunächst eine Behelfsbaracke. Die ersten Aufschlussarbeiten betrafen die Forstwirtschaft, die Wasser- und die Stromversorgung. In den Jahren 1973 und 1974 entstanden die großen Baustelleneinrichtungen, die »1000-Portionen-Bauküche« die Betonaufbereitungsanlage sowie Wasch- und Umkleideräume. Am 1. Januar 1975, vor 45 Jahren, erfolgte dann der Rechtsakt der Gründung des VEB Kraftwerk Jänschwalde. Erster Betriebsdirektor war Gerhard Lützkendorf. Bis 1977 waren schon 5000 Arbeiter auf der Baustelle tätig. Sie wohnten in Arbeiterwohnunterkünften (AWU) in Peitz, in der Kahrener Straße und in einem Hochhaus in Sachsendorf, dem »Blauen Wunder«. Ende der Siebziger wuchsen die Kühltürme und die 300m-Schornsteine aus dem Boden. Der Probebetrieb begann im Frühjahr 1981.

Unsere Oma im Hühnerstall

Die drei Werke des Kraftwerkes nahe Cottbus waren mit je zwei 500-MW-Blöcken ab 1989 vollständig am Netz. Es gehörte nun mit Trattendorf, Lübbenau, Vetschau und Boxberg zu jenem Lausitzer Energiekomplex, der für 70 Prozent der Elektroenergie der DDR sorgte.
Das Kraftwerk Jänschwalde erlangte als eines der größten Braunkohlekraftwerke schon zu DDR-Zeiten eine gewisse Berühmtheit. Interessanterweise ist Jänschwalde in der Gegenwart noch bekannter geworden. In den Medien etablierte sich das Wort »Dreckschleuder«. Es steht sozusagen symbolisch als Sündenbock für den Klimawandel. Tatsache ist, dass die Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen ausläuft. Dafür gibt es den von parlamentarischen Gremien beschlossenen Kohlekompromiss. Die Forderungen von »Ende Gelände« nach einem sofortigen Kohlestopp stoßen bei den Lausitzern mehrheitlich auf Ablehnung.
Apropos Ablehnung: Natürlich sind Fotos mit posierenden Polizisten vor dem Schriftzug »Ende Gelände stoppen!« abzulehnen. Ob diese Nachricht aber in die Weltpresse gehört, erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Und das auch deshalb nicht, weil die Medien Gesetzesverstöße bei den Ende-Gelände-Aktionen ebenso milde behandeln wie die Umweltbelastung durch Rücksendeflut, Cloud und Stream. Die Omas in der Lausitz fuhren weder im Hühnerstall noch im Kühlturm Motorrad. Aber sie und die Berg- und Energiearbeiter sind stolz auf ihre Lebensleistungen. Sie sorgten, oft unter schwierigen Bedingungen, seit über einem Jahrhundert für Licht und Wärme.


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