Seitenlogo

Jan Vesely siegte bei der Cottbuser Friedensfahrtetappe

- Vor 65 Jahren -
Täve Schur im Cottbuser Max-Reimann-Stadion. Foto: Erich Schutt

Täve Schur im Cottbuser Max-Reimann-Stadion. Foto: Erich Schutt

Der Glanz der Namen ist auch nach über sechs Jahrzehnten nicht ganz verblasst. Die Matadore der VIII. Internationalen Radfernfahrt für den Frieden, so der offizielle Name, waren der Belgier Joseph Verhelst, der Tscheche Jan Vesely, der Engländer Stan Brittain und natürlich „unser Täve“. Die 9. Etappe des bedeutendsten Amateurrennens begann am   12. Mai 1955, vor 65 Jahren, mit dem Ehrenstart in der Berliner Stalin-Allee und endete im Cottbuser Max-Reimann-Stadion. Die Straßen in Cottbus waren dicht gesäumt und das Stadion voll. Aber nicht alle Erwartungen der Cottbuser Radsportfreunde wurden erfüllt. Das Neue Deutschland zitiert einen Fan: „‚Was war denn mit den Jungen heute los?‘ erkundigte sich ein Cottbuser beinahe entrüstet, als die Spitzengruppe eintraf und kein Fahrer im weißen Dress dabei war.“ Über die letzte Phase des Rennens und den Kampf Veselys berichtete das Zentralorgan:  „Tief über den Lenker gebeugt, die traditionelle geschwungene Sonnenbrille vor den Augen, zieht der Prager Friedensfahrtveteran Cottbus entgegen. In Vetschau gewinnt Krolak vor Vesely und Jewsejew den Prämienspurt, während Täve Schur hinten wieder und wieder versucht davonzukommen. In Cottbus sind die Straßen dicht umlagert, kein Zentimeter der granitenen Bordsteine bleibt frei. Die Fahrer jagen umjubelt in die Straßen der Stadt und dann hinaus zum Max-Reimann-Stadion, wo Vesely im Endspurt souverän seinen 15. Friedensfahrt-Etappensieg erringt.“ Friedensfahrt- und Radsportstadt Cottbus Das Neue Deutschland nannte in der Berichterstattung über die Etappe des Straßenrennens Sieger, Platzierte und die Ergebnisse der Mannschaftswertung. Zweiter im Stadion war der Pole Stanislaw Krolak, gefolgt von Anatoli Jewsejew (Sowjetunion). Schnellste Mannschaft der 9. Etappe waren die Rumänen. An der Gesamtwertung änderte die Cottbuser Etappe nichts. Täve behielt das Gelbe Trikot, blieb also Erster und die tschechoslowakische Mannschaft fuhr in Blau. Daran sollte sich bis zum Ende des Rennens in Warschau nichts ändern. Den Etappenort, die junge Bezirksstadt, stellte die Zeitung leider nicht vor. Später nahm dann die Niederlausitz in der Geschichte der Friedensfahrt einen bedeutsamen Platz ein. In der Zeit bis 1990 war Cottbus siebenmal und Forst zweimal Zielort. Die Cottbuser Hans-Joachim Hartnick, Bernd Drogan und Olaf Jentzsch siegten bei 14 Etappen. Die 29. Tour de la Paix Prag-Warschau-Berlin beendete Hartnick im Blauen Trikot. Doch zurück zur Friedensfahrt 1955: Neben Mannschaftskapitän Gustav Adolf Schur traten für die DDR-Mannschaft Emil Reinecke, Benno Funda, Wolfgang Gruppe, Lothar Meister II und Detlef Zabel an. Außer Täve (Karl-Marx-Stadt-Leipzig) gewann auch Benno Funda eine Etappe (Leipzig-Berlin).
Die Friedensfahrt entwickelte sich in den folgenden Jahren zum Kern des DDR-Sports.
Die Fanfare rief das ganze kleine Land an die Rundfunkempfänger. Bei der Kleinen Friedensfahrt wetteiferten die Jüngsten um Sieg und Platz. Täve Schur, auch Weltmeister im Straßenrennen, war der populärste Sportler der DDR. Neunmal wählten ihn Journalisten zum Sportler des Jahres. Nach der aktiven Laufbahn war er beim DTSB beschäftigt und Mitglied der Volkskammer und später des Bundestages. Nicht so erfolgreich endete die Laufbahn des Cottbus-Siegers von 1955. Jan Vesely gab wegen Rückenschmerzen bei der Friedensfahrt 1957 auf. Das wurde ihm vom Verband politisch ausgelegt. Der Rennfahrer wurde suspendiert, ihm wurden alle Titel aberkannt. Er musste als Taxifahrer arbeiten. Der Freundschaft mit Täve tat das keinen Abbruch. Schur Sohn, ebenfalls erfolgreicher Radsportler, ist nach dem Tschechen benannt. Schur und Kleinschmidt versuchen Neustart Nach 1990 verlor die Friedensfahrt an Popularität. Es gab private Ausrichter. Sportler wechselten in das Profilager. Es fanden sich nur wenig Etappenorte und Sponsoren. Deshalb versuchte Täve Schur mit Unterstützung des Cottbuser Oberbürgermeisters Waldemar Kleinschmidt 1996 einen Neustart als Profirennen. Die 49. Friedensfahrt fand dann wieder in den drei Ursprungsländern statt. Die 8. Etappe führte von Liberec nach Cottbus. Steffen Wesemann gewann im Spurt auf dem Stadtring. Fast gab es für das Rennen wieder die alte mediale Aufmerksamkeit. Aber in den folgenden Jahren konnte man nicht mehr an die frühere Attraktivität anknüpfen. Die 58. Friedensfahrt 2006 beendete dieses Kapitel des Radsports. P.S. Im Februar 2021 feiert Täve seinen 90. Geburtstag. Im Fahrradladen des sympathischen Sportmanns in Magdeburg wird dann sicher der Teufel los sein.


Meistgelesen