

Zu Recht erfuhr Walter Drangosch in seinem letzten Lebensabschnitt hohe Anerkennung. Der Heimatforscher erhielt 1963 den Carl-Blechen-Preis und wurde 1979 Ehrenbürger von Cottbus. Gerade heute, in Zeiten politischer Polarisierung, wäre er ein guter Ratgeber. Als Drangosch 1985 starb, ging man in der DDR langsam auf Distanz zum Reformer Gorbatschow und hörte statt der Losung vom „Siegen lernen“ immer öfter vom „Sozialismus in den Farben der DDR“. Im Westen galt es als modern, über die Thesen des Club of Rome zu diskutieren. Dort wurde vor der Überbevölkerung gewarnt und entsprechende Schreckensszenarien entwickelt. Drangosch sagte schon früher in seinen zahlreichen Vorträgen, dass das „als zeitgemäß Empfundene oder Deklarierte nicht unbedingt die Zeiten überdauert“. Ja, er forderte im tiefsten Sozialismus dazu auf, den Verlockungen des Zeitgeistes zu widerstehen. Damit hat der Altmeister der Niederlausitzer Geschichte wohl recht. Wer wie er die Halbwertzeit von politischen Losungen mehrmals erlebt hat, wird alles von anderen Vorgedachte, scheinbar moderne, kritischer sehen und sich auf eigene Erfahrungen und den eigenen Verstand verlassen. Schüler von Prof. Karl Liersch am Cottbuser Gymnasium Walter Drangosch erblickte vor 120 Jahren am 25. Juni 1899 in Cottbus das Licht der Welt. Seine Liebe zu Büchern, zur Heimatgeschichte und zum Schreiben entwickelte sich schon am Friedrich-Wilhelms-Gymnasium. Dort war Prof. Karl Liersch sein Lehrer. Der Traum vom Germanistikstudium erfüllte sich wegen des Weltkrieges nicht. Der Sohn eines „Speditionsgeschäftsinhabers“ trat deshalb 1917 als Lehrling in die Buch- und Kunsthandlung Uttech in der Spremberger Straße ein. Fortan, bis zu seinem Tode, sollte er es nun mit Büchern zu tun haben. Nach einer Zwischenetappe in einem Frankfurter Antiquariat kehrte Walter Drangosch nach Cottbus zurück, zunächst zur Firma Uttech und ab 1932 in seinem eigenen Geschäft. Die »Buchhandlung + Antiquariat Drangosch« befand sich in der Berliner Straße 8. Seine wissenschaftlichen Arbeiten beschrieb er unmittelbar nach 1945 in einem Lebenslauf so: „In meinen Gehilfenjahren, wie auch später, arbeitete ich privat literaturhistorisch, bibliographisch und heimatgeschichtlich. Einige Arbeiten sind 1925 ff. in Zeitschriften veröffentlicht worden.“ Aus dieser Zeit stammt der „Versuch einer Pückler-Bibliographie“. Ab 1939 übernahm der Antiquar neben seinem Buchhandel auch das Cottbuser Stadtarchiv. Dann jedoch wurde Drangosch zum Luftschutzsanitätsdienst eingezogen. Lesen wir weiter in seinem Lebenslauf: „Am 22.4.1945 kam ich in russische Kriegsgefangenschaft, aus der ich infolge Krankheit Mitte September 1945 zurückkehrte. Am 25.9.1945 wurde mir die Genehmigung zur Wiedereröffnung meiner Buchhandlung und des Antiquariats erteilt.“ In den folgenden Jahren wurde Walter Drangosch die Autorität für die Cottbuser Geschichte. Berühmt wurden seine Vorträge im Haus des Kulturbundes. Mehrere Jahre kam das Publikum zu der Reihe „Bekannte und unbekannte Cottbuser“. Die Cottbuser Heimatkalender aus den Fünfzigern tragen die Handschrift des Buchhändlers. Die Cottbuser Monatshefte, jahrelang anspruchsvolle Wegweiser durch das Kulturleben der Stadt, enthalten seine Beiträge. Fünf Stadtführer stammen aus Drangoschs Feder. Sein Lebenswerk ist die Bibliographie zur Geschichte der Stadt Cottbus. Später, schon im staatlichen Antiquariat in der Karl-Liebknecht-Straße, war Drangosch fast eine Legende. Die Lebensuhr des Gottlieb Grambauer Nun war der Bücherfreund in erster Linie Antiquar. Der Beruf hatte in jener Zeit, als man noch nicht im Internet jedes Druckwerk zu jeder Zeit bestellen konnte, für Wissenschaftler, Künstler und Literaturfreunde große Bedeutung. Zu den Kunden von Drangosch gehörten DDR-Außenminister Lothar Bolz sowie die Dichter Franz Fühmann und Erwin Strittmatter. Ehm Welk suchte für die „Lebensuhr des Gottlieb Grambauer“ Reise- und Naturbeschreibungen der Niederlausitz. Im Briefwechsel mit dem Cottbuser Antiquar und beim Besuch der Buchhandlung fand der Schriftsteller die richtigen Quellen für die Schilderung der Wege des jungen Grambauer zwischen Lübbenau und Drebkau, zwischen Branitz und Lübben. Und das Cottbus auf Grambauers Lebensweg am Anfang und am Ende eine so wichtige Rolle spielt, haben wir wohl auch unserem Walter Drangosch zu verdanken. P.S. Die kulturhistorisch bedeutsame Sammlung des Heimatforschers konnte nach seinem Tod leider nicht für die Stadt erhalten werden.