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Vor 400 Jahren

Der Dreißigjährige Krieg – Dunkle Zeichen und schreckliche Jahre in Cottbus
Luckauer Tor, um 1780, Zeichnung Robert Kalwa

Luckauer Tor, um 1780, Zeichnung Robert Kalwa

Der Cottbuser Anzeiger erinnerte seine Leser 1918 an den Prager Fenstersturz 300 Jahre zuvor: „Zum 300. Jahrestag der Entfesselung des Dreißigjährigen Krieges am 23. Mai“. Der Beitrag erschien ein halbes Jahr vor Ende des I. Weltkrieges zwischen immer verhaltener werdenden Siegesmeldungen, zahlreichen Todesanzeigen und der Mitteilung der Kürzung der Brotration von 200 g auf 160 g pro Nase und Tag. Der zweispaltige Beitrag verlor sich in Einzelheiten zu den Ereignissen auf der Prager Burg. Wenigstens gab es am Ende die Erkenntnis, dass der Krieg „Deutschland und seine Kultur auf Jahrhunderte hinaus“ zurück geworfen hätte. Heute, hundert Jahre später, ist vom Dreißigjährigen Krieg im öffentlichen Bewusstsein recht wenig die Rede. Diese mitteleuropäische Urkatastrophe wurde vorwiegend auf deutschem Territorium ausgetragen. In Teilen des Reiches überlebte nur ein Drittel der Bevölkerung die Kämpfe, den Hunger und die Seuchen. Die Jahre von 1618 bis 1648 gelten heute als Sinnbild für die Schrecken des Krieges überhaupt. Die tief religiösen Menschen Mitteleuropas deuteten eine ganze Serie von Katastrophen an der Wende des 16. zum 17. Jahrhundert als Strafe Gottes und als Vorboten noch größeren Ungemachs. Die sogenannte Kleine Eiszeit führte mit stark zurückgehenden Temperaturen, Ernteausfällen und Hungersnöten zu einer verbreiteten Weltuntergangsstimmung. Hexenprozesse und die Verfolgung von Minderheiten waren die Folgen. Auch die Cottbuser glaubten, solche düsteren Anzeichen zu sehen. Ein „extraordinäres“ Hochwasser spülte 1595 die Sandower Brücke davon.Der Stadtbrand von 1600 äscherte fast die gesamte Stadt ein. Zwölf Jahre später wütete die Pest in der Stadt und den umliegenden Dörfern. Der Komet war unschuldig
Mehrere Chronisten der Stadt Cottbus erwähnen „ein wundersames Gebilde am Himmel“. In der Stadt und in ganz Mitteleuropa sah man den „schrecklichen Kometen, welcher im Zeichen des Skorpions gestanden“ und „rot und blutfarben“ war. Dreißig Tage war die Himmelserscheinung zu erblicken, jeder Tag soll für ein Jahr Krieg gestanden haben. Dabei handelte es sich um das astronomische Objekt C/1618 W1, das von den Zeitgenossen für „Krieg, Aufruhr, Blutvergießen, Pestilentz und theure Zeit und unaussprechlich Unglück“ verantwortlich gemacht wurde. Der Klimawandel, damals mit einer Abkühlung verbunden, begünstigte den beginnenden Krieg. Verursacht hat er ihn nicht, ebenso wenig wie der Komet. Der Grund für die Verheerung Mitteleuropas war der Kampf um die Vorherrschaft im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation zwischen dem Kaiser und der Katholischen Liga einerseits und der Protestantischen Union andererseits. Es war zwar ein Religionskrieg. Aber es ging um Glaubensfreiheit und Macht der Eliten. Den Anlass zum Krieg, der Prager Fenstersturz vom 23. Mai 1618, vor 400 Jahren, gaben die protestantischen böhmischen Stände, die sich gegen die Rekatholisierungsbestrebungen des Königs richteten. Der Skandal endete unblutig. Friedrich von Schiller wusste: „Ein Misthaufen, auf den die kaiserliche Statthalterschaft zu liegen kam, hatte sie vor Beschädigung gerettet.“ Die Folgen jedoch waren unermesslich.
Cottbus blutet
Die ersten Kriegsjahre verliefen für die Cottbuser glimpflich. Musterungen und Einquartierungen gaben allerdings schon einen Vorgeschmack auf kommende Zeiten. Die Geldentwertung führte dann rasch zum Zusammenbruch der Versorgung. „Die Wochenmärkte zergehen. Handel und Wandel stocken.“ Gegen den Zug Wallensteins durch Cottbus 1626 war das allerdings harmlos. 40.000 Mann fielen über die Stadt und die Umgebung her und „zertraten und verheerten alles, machten Scheune, Boden und Keller leer“. So ging es in den nächsten Jahren weiter: Die Verwüstungen durch die Söldner des Oberst Fahrenbach 1627, die Plünderung von Cottbus 1631 nach dem Sturm des brutalen Oberst Götze und die Einquartierung der Schweden unter General Torsten Stalhand 1640. Unmittelbar nach dem Westfälischen Frieden soll es nur noch 150 Einwohner gegeben haben. Das Thema Religionskriege ist trotz Globalisierung und vernetzter Welt in der Gegenwart leider hochaktuell. Stefan Zweig warnte: „Immer sind, die für Gott zu streiten vorgeben, die unfriedlichsten Menschen auf Erden; weil sie himmlische Botschaften zu vernehmen glauben, sind ihre Ohren taub für jedes Wort der Menschlichkeit.“ Wir sollten – auch mit etwas mehr Härte - verdammt gut aufpassen, dass Glaubenskrieger ihre Schlachten nicht weiter in unsere Städte tragen.


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