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Vor 270 Jahren...

Meldekorn, Ratsherrenwhisky und Herrenstolz – Cottbuser Spirituosentradition

Johann Friedrich Beuch wusste 1740 zum Thema Branntwein und Cottbus, dass „die hiesigen Landsleute von diesem Getränk nicht geringe Liebhaber zu seyn scheinen.“ Vergleiche mit dem Alkoholverbrauch in der Gegenwart sind kaum möglich. Das Statistische Jahrbuch der Stadt Cottbus sagt dazu ebenso wenig wie Beuchs Urbarium. Die verschiedenen Rankinglisten sehen Deutschland beim Alkoholverbrauch mit über 11 Litern international im oberen Drittel, allerdings abgeschlagen hinter Lettland, Litauen, der Ukraine, Frankreich und Australien. Aber mit ziemlicher Sicherheit sind Beuchs Liebhaber als Nutzer des „Kulturgutes Alkohol“, als jugendliche „Komasäufer“ oder als sozial unauffällige Gewohnheitstrinker auch heute unter uns. Die dazu notwendige Produktion ist in Cottbus seit 1524 nachgewiesen. Und seit 1748, also seit 270 Jahren, ist sie mit dem Namen Melde verbunden. In diesem Jahr kaufte Mattheus Melde das Haus Spremberger Straße 25 und eröffnete seine Kornbrand-Destillation. Die Kornbrennerei Melde war nicht nur alt. Sie wechselte auch häufig ihren Namen. Von „Ferd. Melde Bier- und Branntweinschank“, „Dampf-Kornbrennerei G. Melde“, „Schnitter & Kiess, Kornbrennerei, Presshefefabrik und Destillation (in Fa. G. Melde)“, Konsum Kornbrand- und Likörfabrik zu „Konsum Melde Cottbus“ reichte die Namenspalette. Schon früh entwickelte sich die Cottbuser Fabrik zu einem namhaften deutschen Standort der Spirituosenherstellung. Die Räume in der Sprem waren bald zu eng. Man expandierte in Richtung Bismarckstraße (heute August-Bebel-Straße). Dort entstand 1906 eine mit der neuesten Technik und einem Eisenbahnanschluss ausgestattete Fabrik.
„Betrieb der ausgezeichneten Qualitätsarbeit“
Nach der Verstaatlichung 1945 ging der Verbrauch geistiger Getränke keineswegs zurück. Der Konsum-Betrieb Melde arbeitete sozusagen „volle Pulle“. Im Jahr 1958, zum 210. Jubiläum, war Melde der größte Brennerei- und Spirituosenbetrieb der DDR. „Die Jahresproduktion würde eine von Cottbus bis Schanghai reichende Kette aus Likörgläsern füllen“, oder, so rechnet der Chronist, „29 Güterzüge mit je 50 Waggons“. Spuren bis Schanghai hinterließen möglicherweise einige der Meldeprodukte. Der Stonsdorfer aus Cottbus verlangte schon 1958 den ganzen Mann. Peppi Zahl behauptete, dass davon „der Goldzahn oxidieren“ würde. An erster Stelle standen bei Melde die Korn- und Edelbrände. Weinbrand- und Rumverschnitt sowie Liköre ergänzten das Programm. Kühne Experimentatoren wagten sich dann an den Whisky heran. Der „Ratsherrenwhisky“ war ein interessantes Gebräu, das allerdings mit dem gleichnamigen Getränk von den britischen Inseln wenig Gemeinsamkeiten hatte. Große Klasse und deshalb in der DDR und im Ausland hoch geschätzt war die Kornsorte „Herrenstolz“. Für die hochprozentigen Sachen gab es zahlreiche Auszeichnungen. Die Melde-Etiketten zierte der Titel „Betrieb der ausgezeichneten Qualitätsarbeit“. Auch erfreuten sich die Melde-Mitarbeiter der „Wanderfahne des Ministerrates der DDR“. Apropos Fahne: Eine solche hatte berufsbedingt in der Cottbuser August-Bebel-Straße ohnehin der eine oder andere. Etwas neidvoll stellte der ND-Korrespondent fest: „Chefdestillateur Hans H., seit fast vierzig Jahren im Fach, verrät, dass allein zur Rezeptur des Boonekamps etwa 30 verschiedene Drogen gehören: Ingwer aus Indien, Süßholz aus der Sowjetunion, Johannisbrot aus Griechenland und noch weit mehr. Er und seine Kollegen müssen zum Zwecke der ständigen Gütekontrolle übrigens schon am frühen Morgen zum Glase greifen.“ Seit 1960 gehörten dann auch alkoholfreie Getränke zum Sortiment.
Ausstellung im Stadtmuseum
So wie Melde nach dem Krieg als einer der ersten Betriebe wieder mit der Produktion begann, so hielt er nach der Wende auch am längsten durch. Erst 1996 wurde die Produktion endgültig eingestellt.    Melde-Korn und die Fabrik unweit des Staatstheaters sind jedoch nicht vergessen. Das Stadtmuseum und der Historische Heimatverein erinnern in der Ausstellung „270 Jahre Cottbuser Melde-Korn“ an diese Tradition in unserer Stadt. Alexander Miller, der Melde-Experte der Cottbuser Heimatfreunde, lädt ab 2. Mai zur Ausstellung ins Stadtmuseum in der Bahnhofstraße ein: „Die Gäste erwartet auf 150 qm Ausstellungsfläche der Kaufvertrag von Mattheus Melde von 1748 zum Erwerb des Hauses in der Sprem, spannende Baupläne für den späteren Neubau in der Bismarckstraße und natürlich viele Flaschen, etliche davon noch gefüllt, aus der Melde-Produktion.“ Na, dann Prosit!


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