

Im wilhelminischen „Obrigkeitsstaat“ funktionierte die kommunale Selbstverwaltung. Die Städte und Gemeinden entschieden weitgehend selbst, zu welchen Gebietskörperschaften sie gehören wollten. So wählten die größeren Städte in der Niederlausitz die Kreisfreiheit. Guben (1884), Cottbus (1886) und Forst (1897) bildeten Stadtkreise und schieden aus den Landkreisverbänden aus. Mit dieser Entscheidungsfreiheit der gewählten Vertretungen war es nach der Gründung der DDR vorbei. Schon 1950 wurden die drei Städte eingekreist. Aber damit nicht genug. Anfang Juli 1952 beschloss die II. Parteikonferenz der SED, „dass der Aufbau des Sozialismus zur grundlegenden Aufgabe in der DDR geworden ist.“ Nur zwei Wochen später verabschiedete die Volkskammer das Gesetz über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe. Ziel war die Angleichung an sowjetische Verhältnisse und die Schaffung von Strukturen, die eine straffe Leitung von oben nach unten in verkleinerten Verwaltungseinheiten ermöglichten. Das erforderte die Abschaffung der Länder, die Bildung von Bezirken und die Verkleinerung der Kreise. Oder im Parteijargon: „Den Grundgedanken der staatlichen Neugliederung lieferte die an den Klassikern orientierte Erkenntnis, dass die auf der Basis des demokratischen Zentralismus aufgebaute Republik es der Arbeiterklasse leichter ermöglicht, ihre Kräfte zu konzentrieren, … als in einem die politischen Kräfte zersplitternden Föderalismus.“ Die Verwaltungsgebietsreform wurde dann mit atemberaubendem Tempo vorangetrieben. Die bestehenden gewählten Gremien, besonders die Land- und Kreistage, hatten dabei kaum Mitspracherecht. Beim Zuschnitt der Bezirke spielten die alten Landesgrenzen eine untergeordnete Rolle. Als gewählte Vertretungen waren zunächst Bezirks- bzw. Kreistage geplant, die durch die Aufteilung der Land- und Kreistage nach dem Territorialprinzip entstehen sollten. In einem Referentenentwurf sprach man noch im April 1952 von 13 Bezirken, von Dresden, Chemnitz, Leipzig, Halle, Magdeburg, Erfurt, Gera, Potsdam, Frankfurt, Oranienburg, Schwerin, Rostock und Neubrandenburg. Cottbus und Suhl kommen hier noch nicht vor. Diesen Vorschlag lehnte die Sowjetische Kontrollkommission ab. Für das Land Brandenburg gab es dann den Plan für einen Nord-, einen Südwest- und einen Südostbezirk. Als Verwaltungssitze war neben Potsdam, Oranienburg und Frankfurt auch Neuruppin im Gespräch. Erst am Ende dieses Prozesses kam die Idee von einem Südostbezirk mit Cottbus als Hauptstadt auf. Der an wirtschaftlichen Gesichtspunkten orientierte Bezirk, das zukünftige Zentrum der Kohle- und Energiewirtschaft, entstand auf dem Territorium dreier Länder, Brandenburgs Süden, den sächsischen Gebieten um Weißwasser und Hoyerswerda und dem sächsisch-anhaltinischen Jessen, Bad Liebenwerda und Herzberg. Der neue Bezirk hatte 14 Kreise. Ab 1954 kam die nun erneut kreisfreie Stadt Cottbus hinzu. Mit der 1. Bezirksdelegiertenkonferenz der SED in Schwarzheide galt die Verwaltungsreform als abgeschlossen. 1. Sekretär der Bezirksleitung wurde Franz Bruk und Vorsitzender des Rates des Bezirkes Werner Manneberg. Die Entscheidung für Cottbus als neues Verwaltungszentrum traf auf wenig Begeisterung. Der neuen Bezirksstadt fehlten zunächst alle Voraussetzungen. Es gab kaum Bürogebäude und wenig geschultes Personal. Der Gedanke, den neuen Rat des Bezirkes aus Mitarbeitern der Landesregierung zu rekrutieren, fand bei den Potsdamern keinen Anklang. Cottbus hatte 1952 ca. 60.000 Einwohner. Jeder Vierte davon hatte sozusagen „Migrationshintergrund“, kam also aus den ehemaligen deutschen Gebieten im Osten. In der Stadt herrschte akuter Wohnungsmangel. Nicht alle Trümmer hatte man sieben Jahre nach dem Krieg weggeräumt. Lebensmittel waren rationiert. In das Neue Rathaus, nur notdürftig instand gesetzt, zog der Rat des Bezirkes. Für die Stadtverwaltung begann eine Zeit des Vagabundierens durch verschiedene Gebäude. Erst Anfang der Sechziger gab es zumindest für den Oberbürgermeister und einige zentrale Abteilungen mit dem Knappschaftsgebäude in der August-Bebel-Straße eine vertretbare Lösung. Wegen der akuten Not an Büroflächen entstand ab 1953 auf dem Gelände eines Friedhofs in Bahnhofsnähe die Barackenstadt, ein Provisorium, dass sich hartnäckig bis zur Wende hielt. In den Siebzigern und Achtzigern entwickelte sich die neue Bezirksstadt dann jedoch rasch zu einer sehenswerten Großstadt. Grund dafür war auch eine solide Kommunalpolitik unter der Leitung von Oberbürgermeister Erhard Müller. Pünktlich zur deutschen Einheit entstand auch das Land Brandenburg wieder. Schon vorher, im Frühjahr 1990, erhielt die Stadt Cottbus nach einem Beschluss des Runden Tisches das Neue Rathaus zurück. Viele Cottbuserinnen und Cottbuser gehen davon aus, dass die Zeiten einer positiven Stadtentwicklung, also die Amtsperiode von OB Paul Werner oder die Jahre der Vorbereitung und Durchführung der ersten Bundesgartenschau in den neuen Ländern, mit kommunaler Selbstverwaltung und Kreisfreiheit verbunden waren. Einer erneut von oben dekretierten Verwaltungsreform setzen sie das Volksbegehren „Kreisreform stoppen – Bürgernähe erhalten!“ entgegen.