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Schicksalsjahr 1813- Exekution an Sielower Feldmark (2.Teil)

- Vor 205 Jahren -
Turnvater Jahn verabschiedet die Cottbuser Jäger, Relief am Altmarktbrunnen. Foto: lew

Turnvater Jahn verabschiedet die Cottbuser Jäger, Relief am Altmarktbrunnen. Foto: lew

Nach den Kämpfen im Früh­jahr 1813 vereinbarten Na­poleon und die gegnerischen Preußen einen sechswöchigen Waffenstillstand. Hier, in der Cottbuser Region, lagen Franzosen und die Preußen dicht beieinander. Die unter französische Fahnen gepressten Westfalen sahen die günstige Möglich­keit zur Flucht oder zum Überlaufen in Richtung Lieberose. Dagegen wollte deren Kommandeur, General Wolf, ein drastisches Exempel statuieren. Von den dann folgenden Ereignissen gibt es mehrere Schilderungen, die allesamt von den angespannten Be­ziehungen zum »Erbfeind« Frankreich beeinflusst sind. Die wohl glaubhaftes­te stammt aus dem Cottbuser Anzeiger vom Juli 1913, 100 Jahre nach dem Tod der Westfalen: »Im Dorf Dissen bei Cottbus lagen französische Reiter im Quartier, von denen die meisten, namentlich die Gemeinen, in Westfalen ausgehoben waren. Als nun der Aufruf des Königs (»An Mein Volk!«) im Früh­jahr 1813 erschien, regte derselbe auch in diesen Westfalen ihr deutsches Blut an und es beschlossen acht derselben zu entfliehen. Sie einigten sich mit dem Bauern Christian Tonno darüber, dass derselbe ihnen den sicheren Weg nach Lieberose und Beeskow zeigen sollte, in welchem letzteren Orte schon preußische Soldaten standen.« Als der sichere Weg nach Lieberose erreicht war, kehrte der Führer um. Auf dem Rückweg wur­de er von einer französischen Streife aufgegriffen, die auf der Suche nach den Deserteuren war. Sicherlich unter Druck verriet der Bauer die Fluchtrou­te. »In der Nähe von Lieberose wurden die Flüchtlinge von ihren Verfolgern er­reicht, als sie eben Ruhe hielten und ih­re Pferde fütterten, und fünf von ihnen wurden gefangen genommen.« Drei konnten entkommen. Der Anzeiger weiter: »Die Gefangenen wurden nach Cottbus gebracht, daselbst verurteilt und an ihrer Begräbnisstelle erschos­sen.« Der protestantische Geistliche Ludwig Kähler, der den Verurteilten in ihren letzten Stunden beistand, übermittelte die Namen: Karl Mocke aus Kalten-Eben, Heinrich Menke aus Goldbeck, Franz Kersick aus Warburg, Johann Westphal aus Budenhagen und Andreas Breemer. Die Begnadigung erreicht das Erschießungskommando nicht mehr. Die drastische Strafe änder­te nichts an der Tatsache, dass schon am nächsten Tag weitere westfälische Reiter desertierten. Sieg über Napoleon Die großen Ereignisse der Jahre 1813 bis 1815 sind bekannt. In Leipzig wurde der Kaiser im Oktober von Russen, Preußen und Österreichern ge­schlagen. Im März 1814 marschierten die Alliierten in Paris ein. Nach dem Zwischenspiel der »Hundert Tage« 1815 wurde Napoleon nach St. Helena deportiert. Der Cottbuser Kreis kam nach dem Wiener Kongress zurück an Preußen. Auch Einwohner unserer Stadt waren an den großen Ereignissen der Befreiungskriege beteiligt. Blü­chers Brief an die Cottbuser (»Wer ehedem die Waffen für Preußen getragen, sammle sich aufs neue unter unseren Fahnen!«) fand große Resonanz. Einen Monat vor den Ereignissen von Sielow betei­ligte sich das Freiwillige Cottbuser Jägerdetachement am Gefecht bei Luckau. Mit dabei: Die gesamte Pri­ma des Gymnasiums. Nach dem Sieg Die Gesetze über die kommunale Selbstverwaltung in Preußen traten in Cottbus mit mehr als einem Jahrzehnt Verspätung in Kraft. Danach begann al­lerdings die stürmischste Etappe in der Cottbuser Geschichte. Im Verlaufe eines knappen Jahrhunderts entwickelte sich das Ackerbürgerstädtchen zu einer respektablen Mittelstadt. Das hatte natürlich auch etwas mit Napoleon zu tun. Zwar war aus dem Revolutionsge­neral ein Eroberer geworden, in dessen Kriegen eine Million Soldaten ihr Leben ließen, er brachte jedoch auch Gewerbe­freiheit, Gleichheit vor dem Gesetz und bürgerliche Rechte. Das Denkmal für die westfälischen Reiter, nach Bauarbeiten heute am Fehrower Weg, wurde 1845 - finanziert aus Spenden - eingeweiht. Im Denkmal­körper soll ein Schriftstück eingemauert sein, das von den Ereignissen berichtet. Das Wort »Erbfeind« können nicht nur junge Leute in Deutschland und Frankreich nicht mehr zuordnen. Die Versöhnung zwischen beiden Völkern ist gelungen, obwohl Kriegsgräber einen viel zu großen Teil der Flächen in Frank­reich und Deutschland einnehmen. Sie zu pflegen, ist unsere Pflicht. Der Zustand der Kriegsgräberstätten und Denkmäler hier in der Nie­derlausitz, auch des Westfa­lendenkmals am Fehrower Weg, zeigt uns, dass sich die Menschen dessen be­wusst sind. Und vielleicht mahnen uns ja die fünf westfäli­schen Reiter, die hier er­schossen wurden, auch da­ran, dass man einem mäch­tigen Verbündeten nicht bis zum Ende folgen muss.


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