Gleichschritt & Filzhutmaske -Einführung des Wehrunterrichts
Über die DDR-Schule ist in den vergangenen drei Jahrzehnten viel gesagt und geschrieben worden. Es war eine Einheitsschule. Alle Kinder des Landes besuchten die Klassen 1 bis 10. Eine Trennung nach der 4. bzw. 6. Klasse entsprechend der Bildungsnähe oder des Geldbeutels der Eltern gab es nicht. Lehrmaterial war preisgünstig und einheitlich. Lehrer hatten ein abgeschlossenes Studium. Und die Ferienspielgruppen konnten für 10 Pfennig pro Nase ins Friedrich-Ludwig-Jahn-Schwimmstadion gehen. Natürlich gab es dunkle Seiten. Die politische Indoktrination und die fast allgegenwärtige Propaganda übertrugen den Zwang, sich öffentlich zum sozialistischen Staat zu bekennen, schon auf die Schuljugend. Ein besonderes Kapitel ist dabei die Wehrerziehung. Die Überbetonung alles Militärischen lastete auf dem Land. Dabei war nach zwei Weltkriegen die Begeisterung für den Dienst »bei der Fahne« bei Jugendlichen vergleichsweise gering. Militärische Berufe besaßen kein hohes Ansehen. Die Gewinnung von Offiziersbewerbern (BOB) und Unteroffiziersbewerbern (BUB) war ein ständiger Krampf, mit höchstem Aufwand betrieben. Von den frühen Formen der Wehrerziehung, den Wehrsportgruppen der FDJ und der Kadettenschule in Naumburg, führte der Weg zur Gesellschaft für Sport und Technik, zum Manöver »Schneeflocke« und zu den Hans-Beimler-Wettkämpfen. Vom Bummi bis zur Jungen Welt: Die Armee war immer dabei. Die Sturmbahn im Bezirkspionierpark Im heutigen Spreeauenpark, neben dem Parkcafé, befand sich der Bezirkspionierpark. Dazu gehörte eine Sturmbahn, flankiert von T 34 und JAK 15. Dort bekamen die Cottbuser Schulen Termine für Wettkämpfe. Das alles war zu diesem Zeitpunkt freiwillig. Nach der Aufgabenstellung von Verteidigungsminister Hoffmann jedoch sollten »... die jungen Menschen den Imperialismus nicht schlechthin als System ablehnen und hassen, sondern diesen Hass vor allem auch gegen all jene richten, die ... zum Angriff bereitstehen.« Davon war man Mitte der Siebzigerjahre jedoch weit entfernt. In Cottbus sahen fast alle Kinder auch das Westfernsehen. Und in den letzten DDR-Jahren konnte man darüber sogar offen reden. Die Sesamstraße und Käptn Future waren für die Wehrbereitschaft jedoch nicht förderlich. In den anderen sozialistischen Ländern gab es längst den obligatorischen Wehrkundeunterricht. Vor 40 Jahren, im September 1978, wurde er auch in der DDR eingeführt. Da man mit Protesten der Eltern, der Kirchen und Angriffen der westlichen Medien rechnen musste, sollte das neue Fach »nicht geheim, aber ohne jeglichen propagandistischen Aufwand« in die Schulen kommen. Im Februar 1978 erschien die »Direktive des Ministeriums für Volksbildung zur Einführung und Gestaltung des Wehrunterrichts an den allgemeinbildenden polytechnischen Oberschulen«, ohne Abdruck in den »Verfügungen und Mitteilungen« des Ministeriums. Auch in den Berichten der Lausitzer Rundschau über die Vorbereitung des neuen Schuljahres und die Volksbildungsaktivtagung gibt es keinen Hinweis auf das neue Fach. Mit Filz und Windeln gegen Radioaktivität Im September 1978 begann dann auch an den Cottbuser Schulen der Wehrkundeunterricht in der Klasse 9. In den vier Doppelstunden pro Schuljahr wurde militärisches Grundwissen in der Regel von Reserveoffizieren gelehrt. Zum Programm gehörten Tage der Wehrbereitschaft, ein zweiwöchiges Wehrlager und für die Mädchen ein Lehrgang für Zivilverteidigung. Ein wahres Spitzenerzeugnis der DDR-Lehrmittelproduktion war das Lehrbuch Zivilverteidigung Klasse 9. Fast schon gespenstisch klingt heute: »Das wirksamste Atemschutzmittel vor radioaktivem Staub, chemischen Kampfstoffen und biologischen Kampfmittel ist die Bevölkerungsschutzmaske.« Aber auch mit einfachen Mitteln könne man wirksamen Schutz erreichen. »Das dazu benötigte Material ist in nahezu jedem Haushalt zu finden. Das beste Material ist Filz. Aber auch Molton (Windelzwischeneinlagen), Flanell … und Bettlaken eignen sich zur Herstellung von Atemschutzmitteln.« Die Kontrollaufgabe dazu lautete: »Erläutern Sie die Herstellung einer Filzhutmaske!« Letzte Konsequenz daraus: Ein Nuklearkrieg ist führbar! Anfang November 1989 dann das Aus: Bei seiner ersten Pressekonferenz verkündete der neue Volksbildungsminister Günther Fuchs erste Schritte zur Demokratisierung der Schule: »Zu den bereits beschlossenen Maßnahmen gehört, dass der Wehrunterricht nicht mehr erteilt und die Tage der Wehrbereitschaft sowie die Wehrausbildung im Lager nicht mehr durchgeführt werden.«