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Gaststättenneubau nach dem Krieg - das Lokal "Stadt Cottbus"

- Vor 60 Jahren -
Presseball 1963 im Restaurant Stadt Cottbus mit Fips Fleischer und seinem Orchester, Foto: Erich Schutt

Presseball 1963 im Restaurant Stadt Cottbus mit Fips Fleischer und seinem Orchester, Foto: Erich Schutt

„Bald haben wir ein schönes HO-Restaurant“ und „Mit dem weiteren Ausbau der Waldschmidt-Ruine wird in den nächsten Tagen begonnen“. Mit diesen Überschriften kündigte die Lausitzer Rundschau im Oktober 1955 den Bau des Restaurants „Stadt Cottbus“ an. Geplant war ein Gaststättenkomplex, der aus einem Speiserestaurant, einem Tanzcafé und einem Gesellschaftsraum bestand. Zehn Jahre nach dem Krieg sah man besonders im Zentrum noch überall die Folgen der Kämpfe. Zwar waren die Trümmer beiseite geräumt. Baulücken und notdürftig instandgesetzte Hausreste bestimmten aber noch das Bild der Sprem. Die Stadt erlebte damals gerade die Premiere des Films „Ernst Thälmann – Führer seiner Klasse“. Dass in einer vor allem durch Wohnungsnot und Versorgungsmängel gekennzeichneten Situation wieder an ein Tanzlokal gedacht wurde, spricht für die Cottbuser Kommunalpolitik jener Jahre. 
Das neue Etablissement entstand an stadthistorisch bedeutungsvoller Stelle. Hier befand sich im 19. Jahrhundert die Post, also der Abfahrtsort der Postkutschen. Nach 1890 baute der Kaufmann Wolrad Waldschmidt schrittweise sein Warenhaus. Anfang der Dreißigerjahre besaß Cottbus in der Spremberger Straße 29/31 einschließlich der Nebenflügel ein modernes Großstadtkaufhaus. Davon blieb allerdings 1945 nur eine rauchende Ruine. Nun, 1955, begannen die Stadtplaner beim Wiederaufbau des Gebäudekomplexes mit dem Restaurant der HO, der sozialistischen Handelsorganisation. Nach 18-monatiger Bauzeit war es dann soweit. Am 15. Mai 1957, vor 60 Jahren, sahen die ersten Gäste „... die blitzsauberen, hellen, freundlich und geschmackvoll eingerichteten Räume, das Speiserestaurant, das Konzertcafé und das Gesellschaftszimmer. Viele kommen und sehen, was wir uns geschaffen haben.“ Drei Tage später widmet die Tageszeitung dem Neubau eine Fotoreportage. Dort heißt es im Stil der Zeit: „Die neue Gaststätte ist ein Kind unseres gewaltigen sozialistischen Aufbauwerkes, ein Zeuge des einzigen und richtigen Weges für die glückliche Zukunft unseres ganzen Volkes.“
Cottbus hatte nun wieder ein repräsentatives Restaurant. Ganz langsam begann sich die neue Bezirksstadt als Mittelpunkt der Region zwischen Jessen und Guben, zwischen Lübben und Hoyerswerda zu entwickeln. Zwar waren die Würfel über das neu zu schaffende Stadtzentrum noch nicht gefallen. Aber mit der Gaststätte „Stadt Cottbus“ gingen die Verantwortlichen den ersten Schritt, um der guten, alten Sprem wieder etwas Glanz zu geben. Später kamen Wohnungen dazu. Im Seitenflügel arbeitete das Projektionsbüro des Wohnungsbaukombinats.
Doch zurück zum Restaurant: Woran erinnern sich die Einwohner beim Namen „Stadt Cottbus“? Und wer waren Mitte der Achtziger die Gäste im ersten Haus am Platze? Ins Tanzcafé gingen die Cottbuser zu allerlei offiziellen Anlässen. Hier wurde man am Tag der Republik „Aktivist“, erhielt zum Lehrertag die „Pestalozzi-Medaille“ oder erlebte den Abi-Ball. Mediziner, Segler und Journalisten feierten hier legendäre Partys. Beim Presseball spielte Fips Fleischer, der Komponist des „Pinguin-Mambas“ zum Tanz auf. Das große Oberlicht über der Tanzfläche erinnerte an das frühere Warenhaus. Im noblen Restaurant ging es recht vornehm zu. Um einen Platz zu erhalten, mussten zuerst der hoheitsvolle Oberkellner und dann die Barriere „Sie werden plaziert“ überwunden werden.
Gegenüber dem Eingang prangte das Wandbild „Weinernte in Bulgarien“ von Elisabeth Wolf und Walter Heinrich.
Der „Gelbe Salon“ und der „Blaue Salon“ standen für „Brigadeveranstaltungen und Familienfeiern“ zur Verfügung. Die Preise stiegen im Verlauf der Jahre. Das Rumpsteak „Monte Carlo“ mit Spargelspitzen im Kartoffelnest kostete gegen Ende der DDR 19,95 Mark und der Weißwein aus Österreich (Glykolwein-Skandal) war für 40,95 zu haben. Das war also eher etwas für Betuchte, die es in der DDR ja bekanntlich durchaus gab. Auf der Terrasse und zu offiziellen Anlässen gab es statt der Preisklasse S auch günstigere Angebote. In guter Erinnerung haben die Gäste die Grillbar im Restaurant. Hier servierte der Koch Ur-Krostitzer für zwei Mark und das Kalbssteak „kalifornisch“ mit Ananas, Maraschinokirschen, Pfirsich und pommes frites. Bei der Zubereitung konnte der Gast zusehen. Auch heute hielte die Gaststätte, was die Qualität des Essens betrifft, jeden Vergleich stand, wohl auch deshalb, weil es vorgefertigte Produkte aus dem Großhandel gar nicht gab. Allerdings zeigt die im Stadtmuseum aufbewahrte Kollektion von Speisekarten, wie enorm gerade im letzten Jahrzehnt der DDR die Preise angestiegen sind. 
Heute befindet sich im Bereich des früheren Speiserestaurants eine Ladenzeile. Mit dem Restaurant verschwand leider auch das Kunstwerk der beiden Altmeister Wolf/Heinrich. Im früheren Café kann man immer noch tanzen.


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