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Der siebte Jugendclub - Das kurze Leben des Töpferturms

Im März 1988 gab es in Cottbus Schnee. In den Staatlichen Kunstsammlungen in der Sprem öffnete die Ausstellung „Figur – Zeichen“ und in der Kammerbühne feierte „Einer flog über das Kuckucksnest“ Premiere. In der Kulturpolitik bemühte sich die DDR um eine gewisse Weltoffenheit. Im Aufbau-Verlag erschienen die Tagebücher Jean-Paul Sartres. Aber in der „Jenny Marx“ gab es sie nicht zu kaufen. In dieser kulturpolitischen Situation eröffnete die Stadt Cottbus vor 30 Jahren einen weiteren Jugendclub. Das war zunächst nichts Sensationelles. Aber der neue „Töpferturm“, der siebte hauptamtliche Club, unterschied sich erheblich von den Zweckbauten in Sandow, Madlow oder Schmellwitz. Im Wendischen Viertel hatten zuvor die Stadtplaner versucht, den Plattenbauten einen urbanen Hauch zu geben. Der Jugendclub Töpferturm verband nun die altehrwürdige Klosterkirche mit jenen Neubauten. Wenn man an die damalige finanzielle Lage der DDR denkt, war das eine akzeptable Lösung. Der Jung-Reporter der Rundschau schrieb über das neue Haus: „Bewährt hat sich, dass Jugend für Jugend baut. Lehrlinge des WBK (Wohnungsbaukombinat) verwirklichten mit Lehrausbildern, Facharbeitern und Ingenieuren ein Projekt, das ebenfalls Jugendobjekt des WBK war.“ Geöffnet sollte die neue Freizeitstätte täglich sein: sonnabends Discotheken, zweimal im Monat Turm-Theater und am Sonntag „Polit-Frühschoppen“. Jeder Jugendclub hatte einen Trägerbetrieb, der das Ganze auch finanziell unterstützte. Beim Töpferturm war es das Fernmeldeamt. Dessen Spezialisten sollten den damals noch recht seltenen Computerclub leiten. Zwei Monate Bauverzug
Die Eröffnung des neuen Jugendclubs fand allerdings recht zurückhaltend statt. Zwar nahm Klaus Höpcke, der einflussreiche „Bücherminister“ der DDR daran teil, aber in der hiesigen Tageszeitung gab es nur einen Dreispalter. Grund dafür waren erhebliche Mängel, die die pünktliche bauseitige Übergabe verhinderten. Die Fertigstellung sollte zum Jahresende 1987 erfolgen. Die verantwortlichen Mitarbeiter der städtischen Kulturabteilung weigerten sich, das Übernahmeprotokoll zu unterschreiben. Vom Baukombinat wurde daraufhin gedroht, dass man mit dieser unverzeihlichen Pingeligkeit die Auszahlung der Jahresendprämie für die Bauarbeiter des Bezirkes verhindere. Die Unterschrift holten sich die Bauoberen unter dem mächtigen Kombinatsdirektor Horst Anton dann von anderer Stelle und bauten noch zwei Monate weiter. Heute sind wir beim Bauverzug an andere Zeiträume gewöhnt. Eine pompöse Einweihung sollte damals jedoch nicht stattfinden. Merke: 1988 schämte man sich noch für zwei Monate Verspätung.
Jedenfalls war im März eine weitere attraktive Freizeitstätte für Cottbuser Jugendliche fertig. Der Club erhielt seinen Namen von der in der Nähe verlaufenden Töpferstraße, in der es hundert Jahre zuvor wohl auch einen Turm gab. Widersprüchliche Entwicklung
Der Töpferturm gehörte zu einer stattlichen Zahl haupt- und ehrenamtlich geleiteter Jugendclubs, die vom Leitzentrum für Clubarbeit gesteuert wurden. Neben dem Klubhaus der Jugend, heute Glad-House, dem Club Südstadt und dem neuen Töpferturm gab es Jugendclubs in allen Wohngebieten. Dazu kamen ehrenamtliche Clubs, die sich an Jugendliche mit speziellen Interessen richteten: Der Jugendclub „Ludwig Leichhardt“, der „Stadtwächter“, das Forum K, der Tufa-Club und der STUK. Natürlich ging es dabei immer darum, „im Sinne des FDJ-Aufgebots jungen Leuten bleibende Erlebnisse mit Kunst, Kultur und Unterhaltung zu schaffen.“ Gerade die Arbeit der Jugendclubs in der letzten Phase der DDR zeigt, wie vielschichtig und widersprüchlich die Entwicklung war. Hier wurde versucht, Freizeit und Unterhaltung des Nachwuchses zu kontrollieren und die Jugendlichen an die DDR zu binden. Andererseits entwickelten sich auch in Cottbus Formen des selbstbestimmten Jugendlebens, die während und nach der Wende positive Folgen hatten. Als Lacrimosa  1992 im Club Südstadt „Alles Lüge“ sang, dachten die Jugendlichen Rezipienten inzwischen sowohl an die Zeit vor '89 als auch an die danach. Aber zu diesem Zeitpunkt waren die Tage der Jugendclubs schon gezählt. Der Töpferturm erlebte allerdings als Heimstatt des Piccolo eine weitere Renaissance. Heute erarbeitet dort die junge Firma mapongo Softwarelösungen für Bibliotheken.


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