

An der Spree, zwischen Ludwig-Leichhardt-Allee und Lindenplatz, wuchs ab Mai 1972 ein seltsames Gebilde heran. Bauarbeiter, unterstützt von Lehrern, Schülern, Soldaten und Studenten mauerten ein Fundament und flochten aus Eisen eine rätselhafte Kuppel. Wie so oft in der DDR, gab es zunächst keine Informationen für die Cottbuser über das Bauwerk. Die Gerüchte reichten von einem militärischen Objekt über eine öffentliche Toilette bis zu einem Käfig für Affen oder Vögel. Am 26. April 1974, vor 45 Jahren, wurde das Geheimnis gelüftet: Cottbus besaß nun ein Planetarium. Das Neue Deutschland berichtete: „Vom Nordpol zum Südpol - in einer Minute? Kein Problem, man muss nur in dem unmittelbar neben der Spree gelegenen Rundbau im Cottbuser Neubaugebiet Sandow Platz nehmen. Es wird dunkel, und über uns der Große und Kleine Wagen, Andromeda und Cepheus. Allmählich verschwinden diese für den nördlichen Sternenhimmel typischen Bilder, das Kreuz des Südens taucht auf. Ein Apparat, der einem Raumschiff ähnelt, zaubert die rasende Himmelfahrt an die weiße Kuppel.“ Raumflugplanetarium vom VEB Carl Zeiss Jena Dort an der Spree stand allerdings kein gewöhnliches Planetarium. Das vierachsige Projektionsgerät ermöglichte nicht nur, den irdischen Sternenhimmel auf der Kuppel abzubilden. Das war auch in den Schulsternwarten Herzberg, Senftenberg und Hoyerswerda möglich. Die Cottbuser konnten nun vom Mond aus ins All blicken. Ja, es war möglich, „unser gesamtes Sonnensystem einmal von außerhalb zu betrachten.“ Die Lausitzer Rundschau feierte: „Nach der VR Polen und Brasilien besitzt nun auch die DDR in Cottbus ein modernes Raumflugplanetarium.“ Das Planetarium war als Bildungseinrichtung geplant. In dieser Zeit vor 45 Jahren gab es in der Regelschule wissenschaftlichen Unterricht und Astronomie war Pflichtfach. Jugendliche kannten nicht nur den Stern von Bethlehem oder das Star-Wars-Imperium. Gleichzeitig erhielt Cottbus aber auch eine sehenswerte neue Attraktion. Die verdankte die Stadt einem wirklichen Gemeinschaftswerk. Günter Golka, einer der Väter und erster Leiter des Planetariums, sprach zur Eröffnung über die vielen Helfer. Er nannte die Studenten der Ingenieurhochschule, „die während der Semesterferien das Fundament gesetzt hatten. Zu den Helfern gehörten aber auch Schüler der obersten Klassen, die bei Schachtarbeiten halfen. Die LPG Laubsdorf schickte einen Bagger samt Maschinist. Soldaten, Schlosser im Zivilberuf, montierten das Stabnetzwerk der Außenkuppel. Cottbuser Pädagogen kleideten das Innere der Kuppel aus.“ Sogar Schulrat Heinz-Dieter Barsig wirkte dabei mit. Die Geschichte dieses außergewöhnlichen Baus, die Überwindung der Hindernisse der Planwirtschaft und die Verdienste von Oberbürgermeister Heinz Kluge, von Stadtplanungschef Heinz Petzold, von Schuldirektor und später Schulrat Gerhard Zilz und von Astronomiefachberater Günter Golka hat Günter Heimhilger in einer Chronik zusammengetragen. In seinem Beitrag wird auch der Stolz der Cottbuser auf das siebente Raumflugplanetarium der Welt, das damals immerhin zwei Millionen Mark kostete, sichtbar. Ende und Neubeginn Nach der Schulreform Anfang der Neunziger fiel das Unterrichtsfach Astronomie weg. Das im Unterhalt teure Planetarium stand mehrfach auf Streichlisten und es war in die Jahre gekommen. Aber es gab viele Cottbuser, denen der Erhalt dieses Kleinodes am Herzen lag. Ein Förderverein entstand. Der Vorsitzende und heutige Chef des Planetariums, Gerd Thiele, und seine Getreuen kämpften mit unnachahmlichem Schwung und verbissener Ausdauer um die Sanierung. Oberbürgermeister Frank Szymanski nahm sich der Sache an. Der gebündelte Einsatz von EU-Fördermitteln und Mitteln der Städtebauförderung aus dem Programm „Soziale Stadt“ führte schließlich zum Erfolg. Mit dem Familienprogramm „Von Fröschen, Sternen und Planeten“ wurde das Raumflugplanetarium im Juni 2013 zum zweiten Mal eröffnet. Gerd Thiele: „Das Cottbuser Planetarium ist heute das größte und modernste seiner Art im Land Brandenburg. Hier werden nicht nur 360° Shows zu den unterschiedlichsten Themen gezeigt, sondern auch produziert. Bei besonders aufwendigen und teuren Produktionen schließen wir uns mit anderen Planetarien im deutschsprachigen Europa zusammen, denn wir sind international sehr eng vernetzt. Auch in diesem Jahr können unsere Besucher wieder wenigstens drei Neuproduktionen erwarten.“ Und den Namen des russischen Weltraumpioniers Juri Gagarin, vor 45 Jahren verliehen, trägt das Planetarium auch heute mit Stolz.