

Was unterscheidet eigentlich das Bauen unserer Vorväter vom Heutigen? Unsere Vorfahren, die Kirchgemeinden, die Bürgerschaft, Fürst Pückler und die Stadt als Bauherr hinterließen uns Bauten von Zweckmäßigkeit und Eleganz. Die ZDF-Übertragung des Gottesdienstes zum Totensonntag aus der Oberkirche Ende November zeigte ganz Deutschland die zeitlose Schönheit der Cottbuser Hauptkirche. Die Straßenzüge im Jugendstil, die Schmuckanlagen des Stadtverschönerungsvereins, das Theater und die Bauhausschule: Davon ist durch das Modellstadtprogramm viel Schönes erhalten geblieben. Wie aber sieht es mit jenen Gebäuden aus, die in den letzten Jahrzehnten entstanden? Sie sind funktional, energiesparend und sichern Brandschutz auf hohem Niveau. Schön sind sie nicht! Sieben Pavillons Natürlich gibt es einige Ausnahmen. Aus der jüngsten Zeit ist die Bibliothek der BTU zu nennen. Und in den Siebzigern entstand etwas wirklich Ansprechendes: Die Pavillons, die das neue Stadtzentrum vervollständigten. Sie wurden im Herbst 1977, vor 40 Jahren, nach längerer Bauzeit fertiggestellt. Die Pavillons entstanden als Gruppe von sieben Bauten zwischen der Wohnscheibe und dem ehemaligen Stadtwall nach Entwürfen der Architekten Gerhard Guder, Werner Fichte und Ewald Jantke, genau dort, wo es seit einem Jahrzehnt ein Loch gibt. In den sieben mit Laubengängen untereinander verbundenen Pavillons befanden sich zehn »Versorgungseinrichtungen«, die Kunstgalerie »Carl Blechen«, die Teestube »Lipezk«, das Café »Cubana«, der Industrieladen „Lausitzer Glas“, der Industrieladen des TKC, die Schmuckfiliale »Rubin«, ein Zeitungsladen, ein Schallplattengeschäft und im Untergeschoss des Komplexes die Disco »Stadtkeller« sowie das Bowlingzentrum. Im wohl schönsten Cottbuser Bildband von Schutt und Krönert aus dem Jahr 1979 lesen wir über die Pavillons »Hier kann man bummeln, schauen, einkaufen und einkehren. Cottaer Sandstein und Syenit, Glas und Stahl, Beton und Aluminium bilden das Baumaterial ... Unter überdachten Gängen, durch kleine, mit Plastiken, Brunnen und kunstgeschmiedeten Ziergittern ausgestattete Innenhöfe spazieren wir vorbei an Terrassen, auf denen bei Sonnenschein Besucher auf zierlichen französischen Stühlen sitzen. Man schaut auf Wasserspiele, deren Strahlen weitgespannte Schirme bilden.« Übergabe am „Republikgeburtstag“ Die heutige Einöde, die nach dem Abriss der Pavillons entstand, ist nicht die erste an dieser Stelle. Die Bewohner der Stadtpromenade 10 bis 12 hatten ein solches Loch und dann eine Baustelle auch Mitte der Siebziger lange vor ihren Balkonen. Aber zum »Republikgeburtstag« 1977 war es dann so weit. »Cottbus erhielt neue Versorgungspavillons«, schrieb die Lausitzer Rundschau. »Die Verkaufs-, Freizeit- und Gaststätten in den pavillonartigen Bauten, die den 1. Bauabschnitt im Zentrum der Bezirksstadt abrunden, stehen nun den Bürgern des Kohle- und Energiebezirks zur Verfügung. Hunderte Werktätige hatten sich vor dem Eingang, der in die im Kellerbereich liegende Diskothek führt, eingefunden, als Werner Walde das weiße Band zerschnitt.« An die Pavillons in der Originalnutzung haben die Cottbuser gute Erinnerungen. In der Teestube Lipezk servierte man »Suchumi«, eine Tee-Wein-Mischung. Im Schallplattenladen musste man verdammt gute Beziehungen haben, um an die Amiga-LP von »Cat Stevens« heranzukommen. Im Zeitungsgeschäft gab es je nach Wochentag morgens die Schlange für »Eulenspiegel«, »Neues Leben« oder »Wochenpost«. Ganz ohne erzieherischen Touch ging es in der Disco nicht ab. Die Veranstaltungsreihe »Disco für junge Eheleute« enthielt Diskurse über »sexuelle Probleme in der Ehe« oder über »Hochzeitsbräuche bei Freunden«. »Geplante Zeitdauer aller Veranstaltungen: 19 bis 24 Uhr« Der Rest ist auch den Jüngeren gut bekannt. Ein solcher soziokultureller Komplex lässt sich unter marktwirtschaftlichen Bedingungen und ohne erhebliche Zuschüsse nicht halten. Die Betriebe, die hinter den Industrieläden standen, schlossen für immer. Zeitungen und Musikkonserven gab es bald überall und in jeder Menge. »Lipezk« und »Cubana« schienen nicht mehr werbewirksam. Die einst so schönen Pavillons verfielen. Finanzstarke Firmen interessierten sich für das Filetgrundstück. Die Cottbuser gaben ihr Zentrum nicht ganz kampflos auf. Der OB-Wahlkampf 2002 war ganz erheblich vom Schicksal des »Sternchens« und der »Backsteinschule« beeinflusst. Am Ende mussten die elegante Fußgängerbrücke und 2007 auch die Pavillons weichen.