Seitenlogo

Als das Cottbuser Rathaus zum ersten Mal einstürzte

- Vor 270 Jahren -
Das Alte Rathaus, fotografiert ungefähr vom Standort der heutigen Sonnenuhr. Foto: Stadtarchiv Cottbus

Das Alte Rathaus, fotografiert ungefähr vom Standort der heutigen Sonnenuhr. Foto: Stadtarchiv Cottbus

In deutschen Städten gibt es reichlich geschmückte Rathäuser. Die schönsten stehen sicherlich in Bremen, in der Kaiserstadt Tangermünde und in Stralsund. Ein solch prächtiges Rathaus hatte Cottbus nicht. Das Lehrheft für Heimatkunde aus dem Jahr 1904 stellt für das schlichte Gebäude auf dem Marktplatz (früherer Name für den Altmarkt) fest: "Das Rathaus hat einen schlanken 50 m hohen Turm, in welchem sich die Feuerglocke befindet, ferner eine Uhr, an welcher man die Gestalt des Mondes erkennen kann, und einen Ratskeller." Um das Haus liegt manches im Dunkeln. Den Stadtbränden von 1600 und 1671 fielen neben den Wohnhäusern auch Kirchen, Schloss und eben das Rathaus zum Opfer. Die Feuerbrünste vernichteten aber nicht nur das Gebäude selbst, sondern auch die Akten und Dokumente, die Aufschluss über das mittelalterliche Rathaus hätten geben können. Einzig durch Ausgrabungen sind Grundrisse bekannt und die Tatsache, dass sie Geschichte des Rathauses bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht. "Zur Baugeschichte des Cottbuser Rathauses" Bei der Vorbereitung eines Vortrags im Verein für Heimatkunde "Zur Baugeschichte des Cottbuser Rathauses" hatte Oscar Stern 1915 "Akten des hiesigen Bauamts" zur Verfügung, die heute ebenfalls nicht mehr existieren. Was wissen wir? Das alte Rathaus, das längst auf dem Marktplatz stand, war ein gotischer Bau. Der Renaissanceturm entstand Ende des 17. Jahrhunderts an der Schmalseite im Osten. Hinter dem Rathaus in Richtung zum Neumarkt befand sich ein Wohnhausquartier. Der eigentliche Marktplatz war also im Vergleich zu Heute um etwas als die Hälfte kleiner. Die Anmut von Platz, Rathaus und Turm war, wenn man es nicht zu genau nimmt, mit der heutigen Situation auf dem Markt in Zielona Gora vergleichbar. Der freie Marktplatz reichte nur von der Linie zwischen Rathausgasse und Scharrengasse bis zum heutigen Bistro. Das Unglück geschah im Herbst 1748, vor 270 Jahren. Oscar Stern berichtet: "Der Wiederaufbau (nach dem Stadtbrand) wurde erst 1690 durch Aufsetzen des Turmkopfes abgeschlossen. Der Bau scheint jedoch sehr mangelhaft ausgeführt worden zu sein, denn schon im Jahr 1748 stürzte die Front am Markt wieder ein, so dass sich für das östliche Gebäude ein Neubau nötig machte." Nun sind Einstürze von Bauwerken und Baumängel keine Spezifik des 18. Jahrhunderts, wie uns das Kölner Stadtarchiv, die Autobahnbrücke in Genua oder der Jahrhundertbau des Hauptstadtflughafens zeigen. Die Cottbuser machten das Beste daraus. Anstelle der eingestürzten Fassade errichteten sie, nun quer zum Markt einen dreigeschossigen Bau mit dem neuen Haupteingang auf der Marktplatzseite. Das Rathaus wurde davon nicht schöner. Der Turm war zwischen beiden Gebäuden eingeschlossen. Aber es gab nun mehr Platz. Allerdings sollte man wissen, dass ein Rathaus keineswegs nur Verwaltungszwecken diente. Es war im 18. Jahrhundert auch Kaufhaus, Polizeirevier, Gericht, Gasthof und Parlamentssitz. Der nächste Einsturz Mit dem raschen Aufschwung der Industriestadt Cottbus wuchs das Bedürfnis nach Räumen für die größer werdende Verwaltung. Nach einer Sanierung des Rathauses und dem Erwerb des Altmarkts 21 als Stadthaus verblieben im Rathaus 1908 nach Stern nur: "Das Amtszimmer des Oberbürgermeisters und die Hauptkanzlei. Ferner die Hauptkasse, das Steuerbüro, die Steuerkasse und die Polizeiverwaltung." Nach Fertigstellung des Neuen Rathauses 1937 arbeiteten am Altmarkt nur die Finanzverwaltung und das neugebildete Verkehrsamt der Stadt. Auch beim Untergang des Alten Rathauses 1945 sind nicht alle Fragen geklärt. Der Luftangriff vom 15. Februar überstand das Haus. Formulierungen aus der DDR-Zeit halten sich hier wohl absichtlich etwas unscharf. Das hätte man Westalliierten gern in die Schuhe geschoben. Die Veröffentlichung in der Zeitung der Exil-Cottbuser machten undifferenziert die Rote Armee verantwortlich. Aber das Rathaus brannte am 21. April 1945. Da war die sowjetische Armee noch gar nicht da. Heinz Petzold wusste von Tieffliegerangriffen: "Am 21. April gegen 13.30 Uhr (fielen) Brandbomben auf die Steinhäusersche Klinik ... und das Rathaus. Gelöscht wird nicht, da die Feuerwehr die Stadt verlassen hat." Eine andere Augenzeugin hielt es für möglich, dass freikommende Zwangsarbeiter den Brand legten. Wie auch immer: Auch für die Zerstörung des Cottbuser Rathauses, dessen Ruine 1948 endgültig abgerissen wurde, ist die Politik der Nazi-Machthaber verantwortlich, denen auch die Cottbuser zugejubelt haben.


Meistgelesen