

Im Sommer 1917 dauerte das Sterben an den Fronten des I. Weltkrieges schon drei Jahre. Der Krieg der Rüstungsindustrieellen, der Aristokraten und Kolonialisten, der erste große Krieg des Maschinenzeitalters, hatte schon Millionen Opfer gefordert. Darunter war auch eine große Zahl junger Cottbuser. Zum Kaiserlichen Heer gehörten vor dem I. Weltkrieg 217 Infanterieregimenter mit je drei Bataillonen. Ein solches Regiment umfasste im Frieden 2058 Mann (69 Offiziere, sechs Ärzte, 1977 Unteroffiziere und Mannschaften sowie sechs Militärbeamte). Das Infanterieregiment 52 existierte seit 1860. Ab 1868 wurden Teile des Regimentes schrittweise an die Standorte Cottbus, Guben und Crossen (heute Krosno Odrza?skie) verlegt. Mit der Einweihung der Kaserne in der Kaiser-Friedrich-Straße (heute Karl-Liebknecht-Straße) 1886 erhielt Cottbus endgültig den Status einer Garnisonstadt. Der Stab und zwei Bataillone des 52. Infanterieregiments, das ab 1892 den Namen des Generals von Alvensleben trug, waren dort stationiert. Der Weg des 52. Infanterieregiments in den Schrecken des Krieges ist nicht einfach zu verfolgen. Eine Hilfe sind die Akten des Cottbuser Standesamtes mit den Namen der Gefallenen. Die Rekruten wurden nicht nur wohnortnah eingezogen. Die Cottbuser kamen zwar häufig zu den 52ern. Viele dienten jedoch auch in weit von Cottbus stationierten Einheiten. Dazu kommt, dass unmittelbar bei Kriegsbeginn 1914 aus den Einheiten des Regiments Reserveformationen hervorgingen. Gebildet wurde aus Offizieren des IR 52 das Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 52 und das Landwehr-Infanterie-Regiment 52. Aus dem Personalbestand des ursprünglichen IR 52 entstanden auch das Infanterieregiment 359 und das Landsturmbataillon III/9. Vor 100 Jahren, im Frühjahr und Sommer 1917, kam in die erstarrten Fronten Bewegung. Im Westen waren die deutschen Einheiten in die Defensive gedrängt worden. In den Schlachten an der Aisne und in der Champagne versuchten französische Truppen den großen deutschen Frontbogen einzudrücken und abzuschnüren. Ziel der Offensive war der Chemin des Dames, ein Höhenzug nahe Reims nördlich des Aisnetals. Die blutige Materialschlacht endete in einem so verlustreichen französischen Misserfolg, dass es in den beteiligten Einheiten zu Meutereien kam. In jenen Tagen entstand das Antikriegslied Chanson de Craonne. Die deutschen Gegner erkannten und nutzten diese Situation jedoch nicht. Im nördlichen Teil dieser Schlacht, unweit der Stadt Saint-Quentin, müssen die Bataillone des 52. Infanterieregiments in schwere Kämpfe verwickelt gewesen sein. In den Sterbeurkunden des Standesamtes taucht immer wieder der Name des kleinen nordfranzösischen Örtchens Nauroy auf. Dort starben im April 1917 ungewöhnlich viele junge Cottbuser. Hier fiel der Leutnant und Kompanieführer W. Der Student Ernst P. aus der Hubertstraße, die Schüler Walter R. und Otto H. und der junge Kellner Franz P. vom Hotel Kaiseradler ließen ihr Leben. Im Heeresbericht hieß es dazu nüchtern, dass der französische Angriff auf die Stellungen südlich von Nauroy eingesetzt hätte. „Der Ansturm der starken feindlichen Kräfte wurde dank der tapferen Haltung unserer Infanterie abgeschlagen.“ Möglicherweise waren die hohen Verluste einer der Gründe dafür, dass das Cottbuser Regiment im Juni in die Reserve der Obersten Heeresleitung verlegt wurde. Schon ab Juli 1917 sind die 52er wieder im Einsatz, jetzt allerdings in Ostgalizien und dann bei den verlustreichen Kämpfen am Isonzo. Die Gesamtzahl der Gefallenen des immer wieder aufgefüllten Regimentes und aller Reserveeinheiten soll 332 Offiziere und 9018 Unteroffiziere betragen haben. Die Anzahl der gestorbenen Soldaten ist nicht ermittelt. Allerdings sagen die Akten des Cottbuser Standesamtes, dass in der Stadt in vier Kriegswochen durchschnittlich 50 Eltern oder Ehefrauen die Nachricht vom Tod ihrer Liebsten erhielten. Das hatte natürlich Auswirkungen auf das Leben im einst so blühenden Cottbus. In der Stadtverordnetenversammlung vom Juli 1917 ging es fast ausschließlich um die katastrophale Versorgung, besonders mit Brennstoffen, und um Preiserhöhungen für Briketts, Strom und Gas. Der Cottbuser Anzeiger war voller Durchhalteappelle: Aufrufe zu Ernteeinsätzen der Schuljugend, Ermahnungen zur Sparsamkeit, Kritik an Wucherern. Über die Lage an den Fronten berichtete das Blatt noch recht realistisch. Zur Berliner Politik gab es sogar kritische Töne. Wie in vermutlich allen Kriegen war aber die klare Tendenz: Die Gegner waren „erbarmungslos“ und „brutal“. Die Eigenen hingegen galten als „meisterhafte Kämpfer“ und als „Wall von Eisen im Felde“. Und was dachten die Cottbuser? Die Euphorie der ersten Kriegsmonate war längst verflogen. Den Kriegseintritt der USA empfanden viele Menschen als Wende. Die propagandistische Parole „Wir schaffen das gegen eine Welt von Feinden!“ traf auf immer mehr Skepsis. Aber noch lagen 14 schreckliche Monate des Hungers und des Sterbens vor den Einwohnern und den Soldaten des Regimentes 52 und seinen Reserveverbänden.