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25000 bei Kundgebung zum »Anschluss« Österreichs

- Vor 80 Jahren -
Das »Denkmal der nationalen Erhebung« am heutigen Brandenburger Platz. Foto: Stadtmuseum Cottbus

Das »Denkmal der nationalen Erhebung« am heutigen Brandenburger Platz. Foto: Stadtmuseum Cottbus

Anfang 1938 wurden die Cottbuser von einem Aufmarsch zum anderen beordert. Zu den Großkundge­bungen, Festmärschen, Helden­gedenktagen und Betriebsappellen auf dem Altmarkt und auf dem Schil­lerplatz wurden hohe Teilnehmerzah­len erwartet: »Alle Betriebe beteiligen sich geschlossen«, „Das Sammeln erfolgt in den einzelnen Betrieben“. Der Druck auf die Menschen war groß, wenn auch nicht unbedingt erforder­lich. Im Frühjahr 1938 hatte die natio­nalistische Massenbegeisterung auch große Teile der Cottbuser Bevölkerung erfasst. Als Hitlers Sonderzug kurz auf dem Bahnhof hielt, geriet ganz Cottbus in Hysterie: »Mit Windeseile verbrei­tete sich die Nachricht von Mund zu Mund und im Sturmlauf eilte jung und alt zum Bahnhof. Die Begeisterung der Menge war grenzenlos. Der Füh­rer zeigte sich am Fenster ...« Auch in Cottbus „röhrten wir unser Heil den Weltzerstörern entgegen“, wie Brecht schrieb. In der Stadt war inzwischen alles weitgehend gleichgeschaltet. Den früher so lebhaften Debatten der Cottbuser Stadtverord­netenversammlung waren »Gemeinderatssitzungen« ge­folgt, in denen »einmütig« ab­gestimmt wurde. Der Cottbuser Anzeiger berichtete von der Tä­tigkeit des Jungbanns der HJ, von der Arbeitstagung des Jungmädel­untergaus, von der Namensgebung für die Studentische Kameradschaft der Hochschule für Lehrerbildung »Albrecht der Bär«, vom Festmarsch aller Gliederungen der Bewegung zum 30. Januar und vom Neubau von Woh­nungen in der Hermann-Löns-Straße für verheiratete Unteroffiziere. Und natürlich immer wieder von Kundge­bungen und Aufmärschen. Die größte Propagandaveranstaltung dieser Art fand am 12. März 1938, vor 80 Jahren, zum sogenannten »Anschluss Öster­reichs« statt. Auf dem Schillerplatz versammelten sich 25.000 Menschen und »feierten« Hitlers erste territoriale Eroberung. An die Ereignisse um die Alpenre­publik sei kurz erinnert: Nach dem Weltkrieg zerfiel das Kaiserreich Österreich-Ungarn. Die Versuche, das restliche deutschsprachige Österreich mit der neuen deutschen Republik zu vereinen, verhinderten die Sieger­mächte. Für Hitler, der 1925 die öster­reichische Staatsbürgerschaft abgelegt und erst 1932 die deutsche angenom­men hatte, war sein Geburtsland das erste Aggressionsziel. Mit Rücksicht auf Italiens Mussolini hielt er sich zu­nächst zurück. Ab 1936 geriet die Wie­ner Regierung unter Bundeskanzler Kurt Schuschnigg zunehmend unter Druck. Hitler ließ die österreichischen Nationalsozialisten finanzieren und zwang den Kanzler, führende NS-Leute in die Verwaltung aufzunehmen. Am 12. Februar 1938 wurde Schuschnigg in Hitlers Residenz auf dem Berghof bestellt. Dort gab es nach Drohungen und Ultimaten zwar weitgehende Zugeständ­nisse. Aber der österreichische Bundeskanzler versuchte nun, mit einer Volksabstimmung die Unabhängigkeit zu sichern. Daraufhin verstärkten österrei­chische Nazis ihre Propaganda. Der häufiger in der Geschichte verwendete »Hilferuf mit der Bitte zur Entsendung von Truppen« und der Rücktritt Schuschniggs erfolgten am 11. März. Tags darauf marschierten Soldaten der Wehrmacht in Ös­terreich ein. Der Cottbuser Anzeiger überschlug sich mit Sondermeldungen. Noch bevor das »Gesetz über die Wieder­vereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“ veröffentlicht wurde, riefen NSDAP und Arbeitsfront am 12. März zur Kundgebung auf den Schil­lerplatz. Über die „vaterländische Fei­erstunde“ auf dem von „Tausenden von Fackeln in magisches Licht getauchten Platz« berichtete der Anzeiger unter der Überschrift »Freudige Anteilnah­me der gesamten Niederlausitz am Umschwung in Österreich«. »Von 19 Uhr an zog es von allen Seiten herbei, mit Liedern, mit Marschmusik, mit Trommeln und Trompetenklang. Ganz Cottbus schien auf den Beinen. Das Gesamtbild dieses Aufmarsches war von überwältigender Größe.« Organi­sierten Jubel gab es dann noch bei der Besetzung des Sudetenlandes, »an­lässlich der Heimkehr Böhmens und Mährens ins Reich« und bei den Blitz­siegen über Polen und Frankreich. Das Ende ist bekannt. Sieben Jahre nach der Kundgebung fiel die Stadt Cottbus selbst in Schutt und Asche und am 22. April 1945 beendeten Soldaten der 2. Ukrainischen Front die Nazityrannei, der viele Cottbuser so willig gefolgt waren. Und Österreich heute: Auf einigen Politikfeldern ist die Alpenrepublik durch­aus gut aufgestellt. Bei Rente und Pflege haben die Nachbarn wohl die Nase vorn. Zur Gedenk­veranstaltung für die Ereignisse vor 80 Jahren bekannte sich Bundes­kanzler Sebastian Kurz auch zur Verantwortung seines Landes.


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