

Die auch in Cottbus erscheinende Märkische Volksstimme beschäftigte sich im August 1948, vor 70 Jahren, mit dem Thema Suchdienst. Es ging um die Arbeit des "Suchdienstes für vermisste Deutsche". Die Älteren erinnern sich noch an die schier endlosen Durchsagen im Rundfunk und in der Wochenschau: "Erika Neumann aus Königsberg in Ostpreußen sucht Mutter und Geschwister." Die Zeitung bilanzierte die bisherige Tätigkeit des Suchdienstes, dessen Kernstück ein Karteikartensystem war. Es gab Millionen Anfragen nach vermissten Wehrmachtangehörigen und Flüchtlingen. Man stelle sich die chaotische Lage vor: Allein 12 Millionen Menschen hatten in den ehemaligen deutschen Ostgebieten ihre Heimat verloren. Die Siegermächte legten im Potsdamer Abkommen neue Grenzen und die Umsiedlung der deutschen Bevölkerung fest. Diese sollte "... in humaner Weise erfolgen." Schon vorher hatten sich Millionen Ostpreußen und Schlesier vor der herannahenden Front auf Flüchtlingstrecks begeben. Die verbliebene deutsche Bevölkerung wurde dann ab 1946 ausgesiedelt. Das geschah häufig nicht auf "humane Weise", sondern kam einer Deportation gleich. Während die Oberschlesier wegen der Fachkräfte im Bergbau zunächst noch teilweise geduldet wurden, verließen die Menschen aus Niederschlesien schon ab 1945 ihre Heimat. Cottbus war ein häufiges Ziel der Trecks. Der Magistrat sprach vom Durchzug von täglich 2 000 Menschen. Viele davon versuchten in der Niederlausitz zu bleiben, in der trügerischen Hoffnung, bald heimkehren zu können. Von den 50 000 Cottbuser Einwohnern 1947 stammten 18 000 aus der Gegend zwischen Legnica und Opole. Unvermeidlich war, dass auf der Flucht Familien auseinandergerissen wurden. Zu dem Flüchtlingselend kam die große Zahl der Kriegsgefangenen. Im Gewahrsam der westlichen Alliierten befanden sich ca. 3,6 Millionen Soldaten. Genauso viele waren in der Sowjetunion gefangen. Von diesen starben eine Million. (Vergleich: Von 5 Millionen Angehörigen der Roten Armee kamen in deutscher Kriegsgefangenschaft 3,3 Millionen ums Leben.) Heimkehrer Im Jahr 1947 beschlossen die Siegermächte die Entlassung der Gefangenen bis Ende 1948. Zu diesem Zeitpunkt gab es in den USA noch 15 000 Gefangene, in Großbritannien 435 000, in Frankreich 631 000 und in der Sowjetunion 890 000. Mit der Heimkehr der Soldaten entstanden in den Städten und Gemeinden neue Probleme. Das Neue Deutschland schrieb dazu: "1948 ist das Jahr der Heimkehr. Tausende von Kriegsgefangenen stehen jetzt vor der Frage: ‚Wohin kann ich gehen, wenn ich in die Heimat zurückkehre? Wo finde ich meine Angehörigen?‘" Tatsächlich kehrte die Mehrheit der Gefangenen dann bis 1950 zurück. Die Verbindung herzustellen zwischen den entlassenen Soldaten und ihren geflüchteten oder ausgewiesenen Angehörigen, war Aufgabe des Suchdienstes. Viel konnte die Cottbuser Stadtverwaltung für "Umsiedler" und Heimkehrer nicht tun. Ein Gutachterausschuss im Rathaus entschied über Schwangerschaftsabbrüche, wenn die Schwangerschaft durch "... strafbare Handlungen herbeigeführt" war. Heimkehrer erhielten die Meldeformulare kostenlos. Für Umsiedlerkinder wurden Schuhe gesucht. Nachbetrachtungen In der Zeit der deutschen Teilung sind Kriegsgefangenenleid und Flüchtlingselend sehr unterschiedlich behandelt worden. In der alten Bundesrepublik war die Berichterstattung und die Literatur voll mit Berichten von Vergewaltigungen, grausamen Vertreibungen in Polen und Tschechien und brutalen russischen Lagerbewachern. Das ging in einigen Fällen (Bestseller: "Soweit die Füße tragen") bis zur Umkehr der Täter-Opfer-Perspektive. Die klare Einsicht, dass dies alles ohne den Hitlerkrieg nicht geschehen wäre, blieb oft auf der Strecke. Dazu trug sicher auch bei, dass die NS-Täter aus der zweiten Reihe bald in der westdeutschen Administration, in der Bundeswehr, dem Geheimdienst, im Außenministerium und im Kanzleramt eine Rolle spielten. Die DDR hingegen pflegte ihren antifaschistischen Mythos. Hier wurde totgeschwiegen oder verharmlost. In einem auf zwölf Bände angelegtem Werk zur deutschen Geschichte gibt es einen ganzen Band zur Periode von 1945 bis 1949. Der Abschnitt "Umsiedler und Kriegsgefangene" umfasst ganze vier Seiten und betont die großzügige Unterstützung der Ausgesiedelten und die Tatsache, dass Kriegsgefangene mit Aktivistenauszeichnungen aus der Sowjetunion zurückkamen. Gefangenschaft, Flucht und Verlust der Heimat nach dem Eroberungskrieg der Nazis sind nun seit über sieben Jahrzehnten Vergangenheit. In ganz vielen Familiengeschichten der Menschen in der Niederlausitz sind die Schrecken dieser Jahre noch lebendig, auch wenn die Zahl der Zeitzeugen geringer wird. Das mag ein Grund dafür sein, dass die Diskussion über die aktuelle Flüchtlingsproblematik hier immer auch mit den Gedanken an die Vergangenheit der eigenen Familie verbunden wird. Die große Mehrheit weiß, dass Menschen, die ihre Heimat verloren haben, ein großes Maß an Toleranz und Geduld brauchen. Sie erwartet aber auch von den Neubürgern ein hohes Maß an Integrationsbereitschaft.