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800 Jahre Cottbus – Festumzug, Kommunalkonferenz & Co.

Cottbus im August 1956: „Der erste Teil des Festumzuges war ein Stück lebendiger, farbenfreudiger Geschichte. Da zogen in bunter Folge Herolde, Mönche, Raubritter vorüber, und in vielen Bildern erlebten wir, wie die Menschen damals lebten und arbeiteten, sahen wir, wer schon damals ihre Feinde waren. Als 1813 überall im Lande die Freiheitsbewegung gegen die französische Fremdherrschaft wuchs, griffen auch in Cottbus Freiwillige zur Waffe: an der Seite der russischen Soldaten warfen sie die fremden Söldner aus dem Land.“ Das berichtete die Lausitzer Rundschau am Montag nach dem historischen Festumzug zum 800. Stadtjubiläum.
Festumzug 1956, gefangene französische Soldaten in den Befreiungskriegen auf der Bahnhofsbrücke, Foto: Erich Schutt

Festumzug 1956, gefangene französische Soldaten in den Befreiungskriegen auf der Bahnhofsbrücke, Foto: Erich Schutt

Schon Wochen vorher hatte die Zeitung die Cottbuser auf die Festwoche eingestellt. Die Renovierung der Altmarktfassaden wurde gefeiert. Die Serie „Bedeutende Cottbuser“ erinnerte an Leichhardt, Blechen und Gottschalk. Mit Pückler hatte man es noch nicht so sehr. Er fiel Mitte der Fünfziger noch in die Kategorie „Junker und Ausbeuter“. In der 80 Seiten umfassenden Festschrift kommen der Fürst und sein Park nicht vor. Die Festlichkeiten in der Niederlausitz fanden in einer angespannten weltpolitischen Situation statt. In Algerien führte Frankreich seinen blutigen Kolonialkrieg, die Westmächte bereiteten sich auf die Eroberung des Suezkanals vor, den Ägyptens Präsident Nasser verstaatlicht hatte, und die Sowjetunion schlug den ungarischen Aufstand nieder. Das KPD-Verbot und die Wiederaufrüstung waren die Hauptthemen der Auseinandersetzung zwischen Westdeutschland und der DDR. In der Jubiläumsstadt waren die Spuren des Krieges noch nicht gänzlich beseitigt. Einzelne Lebensmittel unterlagen noch der Rationierung. Aber neben dem renovierten Altmarkt gab es auch andere Fortschritte. Die neue Poliklinik nahm ihre Arbeit auf und pünktlich zum Stadtgeburtstag erhielt der Schillerplatz nach den Plänen von Joachim Scherzer seine heutige Gestalt. Höhepunkt der Festwoche ab dem 18. August 1956 war natürlich der historische Festumzug. Dazu kam eine kommunalpolitische Konferenz in der Hochschule für Bauwesen (heute Gebäude des OSZ I in der Sielower Straße), an der „...Kommunalpolitiker aus der Deutschen Demokratischen Republik, der Bundesrepublik, der Volksrepublik Polen und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien...“ teilnahmen. In der Abschlusserklärung ist noch von der Wiedervereinigung Deutschlands die Rede. Die Schau „800 Jahre Cottbus“ in der fast vergessenen Ausstellungshalle am Kleinen Spreewehr sahen Tausende Cottbuser. Das Theater der Stadt gratulierte mit der Egmont-Premiere.   Ein wichtiger Beitrag zum Stadtjubiläum war die Stiftung des „Carl-Blechen-Preises für Kunst und Literatur“ und ab 1963 zusätzlich für „künstlerisches Volksschaffen“ durch den Rat des Bezirkes Cottbus. Die nach dem „Meister der Farbe und des Lichts“ benannte Ehrung besaß in der Lausitz hohes Ansehen und wurde an bedeutende Künstler verliehen. Die Medaille zum Carl-Blechen-Preis entwarf Jürgen von Woyski. Die ersten Preisträger waren der „Literaturwissenschaftler Dr. Herbert Scurla, das Kollektiv des Stadttheaters Senftenberg ..., das Kollektiv des Stadttheaters Cottbus ... und der sorbische Kunstmaler Wilhelm Schieber ...“, berichtete das Neue Deutschland aus Cottbus. Später erhielten auch Franziska-Linkerhand-Autorin Brigitte Reimann, der Dichter Jurij Koch und der Maler Günther Rechn die Auszeichnung. Auch die Lovis-Corinth-Schülerin Elisabeth Wolf war unter den Geehrten. Während des Stadtjubiläums erschien in der LR ein Beitrag, in dem eine Cottbuser Familie sich im Jahr 2156, also zur Tausendjahrfeier, über die Stadtentwicklung austauscht. Dann fliegen die Cottbuser am Wochenende zum Picknick auf den Mond und der Opa spielt abends Skat in Peking. Wir richten unseren Blick heute nur auf die Neunhundertjahrfeier in 40 Jahren. Werden sich 2056 die Wassersportler auf dem Ostsee tummeln? Schicken die von der Metropole gestressten Berliner ihre Kinder an die exzellente Brandenburgische Technische Universität? Und gelingt es den Cottbusern noch, in Potsdam klar zu machen, dass Kreisfreiheit nicht nur etwas mit Zahlen zu tun hat, sondern Ergebnis einer fast tausendjährigen Entwicklung ist und in erster Linie Bürgerstolz und Lebensgefühl betrifft? Möglicherweise erinnert man sich in der Landeshauptstadt sogar daran, dass die DDR, die 1950 Cottbus eingekreist hatte, diese Fehlentscheidung kurz vor der 800-Jahrfeier zurücknehmen musste!


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