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Von Neuruppin nach Bohsdorf/Vorwerk– Fontane und Klinke (2)

- Vor 155 Jahren -
Artilleriestellung im Museum Dybbøl (dt. Düppel). Foto: Hartmut Schatte

Artilleriestellung im Museum Dybbøl (dt. Düppel). Foto: Hartmut Schatte

Wir berichteten in der vergangenen Woche von Theodor Fontane und unse­rem Lausitzer Landsmann Carl Klinke. Beide hielten sich 1864 fern ihrer Heimat in Schleswig-Holstein und Süddänemark auf. Der 45-jährige Kriegsberichterstatter und der 24-jährige Soldat der Pionier­truppe waren dabei, als im Deutsch-Dänischen Krieg die Zugehörigkeit des Herzogtums Schleswig entschieden wurde. Das Herzogtum, ein Lehen des dänischen Königs, war vor dem Krieg kulturell deutsch, dänisch und friesisch geprägt. Friedrich Engels stellt in einem Brief an Karl Marx klar, dass zumindest Südschleswig „durch Nationalität und freien Willen deutsch ist.“ Beim Stichwort Dänemark denkt man heute an ein modernes, ausge­sprochen friedliches Land. Das war vor anderthalb Jahrhunderten noch nicht der Fall. Mit der Novemberverfassung von 1863 versuchte der zu diesem Zeitpunkt keineswegs pazifistische Staat, Schleswig verfassungsrechtlich und sprachlich an das Königreich zu binden. Fontane dazu: „Alles handelte sich jetzt um die Frage, ob König Christian IX. die neue Verfassung unterzeichnen wird oder nicht. Die Unter­schrift entschied über Krieg und Frieden.“ Der Deutsche Bund schritt ein und besetzte zunächst die Herzogtümer Hol­stein und Lauenburg. Am 1. Februar 1864 überschritten österreichische und preußische Truppen die Grenze zu Schleswig. Der Deutsch-Dänische Krieg begann. Er gilt als der erste der drei Reichseinigungskriege. Offiziell ging es um die Rücknahme der No­vemberverfassung. Preußens Ziel war aber von Anfang an die Annexion der Herzogtümer nördlich der Elbe. Fontane berichtet über zwei Helden Die zahlenmäßig und technisch un­terlegene dänische Armee rechnete mit britischer und russischer Un­terstützung, die jedoch ausblieb. Die Preußen, ausgerüstet mit Hinterla­dergewehren und ersten Geschützen mit gezogenem Lauf, erzwangen mit den österreichischen Verbündeten die kampflose Aufgabe der Verteidigungs­linie Danewerk. Jetzt sollte vor der Festung Düppel nahe Sonderburg am 18. April die Entscheidung fallen. Fon­tane beschreibt in seinem Bericht „Der Schleswig-Holsteinische Krieg im Jahre 1864“ die dänische Stellung so: „Es war eine Doppelreihe von Werken; in der ersten Reihe lagen sieben, in der zweiten Reihe drei weitere Schanzen (vorübergehende Feldbefestigungen), später wurde der zweiten Schanzen­reihe … noch eine dritte Verteidigungs­linie hinzugefügt.“ Bei der Erstürmung dieser starken Befestigungslinie taten sich nach Fontane zwei Männer her­vor. Auf dänischer Seite war das der todesmutige Leutnant Johan Anker, Artilleriekommandant auf Schanze 2, und auf preußischer Seite unser Carl Klinke. Dessen Auftrag bestand darin, mit zwei Kameraden eine Sprengladung an Schanze 1 anzubringen. Diese ist beim Hantieren mit dem Zünder explodiert. Der Pionier erlitt schwe­re Verbrennungen, die er nur kurze Zeit überlebte. Aber die Schanze war durchbrochen. Die erfolgreiche Erstür­mung der Düppeler Schanzen gilt als kriegsentscheidend. Fontane zitiert ei­nen Bericht über die Explosion, „durch welche 4 Palisaden nach der Schanze zu umgebogen, der Pionier Klinke links und der Leutnant Diener rechts in den Graben geschleudert wurden.“ Nach dem Schanzensturm fand man dann „den Pionier Klinke, stark im Ge­sicht verbrannt und mit einer Schuss­wunde durch Arm und Brust, noch am Leben vor“. Er starb auf dem Weg ins Lazarett. Der Klinke mit dem Pulversack Vor 1945 kannte jedes Kind den Klinke mit dem Pulversack. Der Bohs­dorfer wurde zum Helden gemacht und in Lesebuchgeschichten und Sonntagsreden gefeiert. In der DDR schrieb Helmut Winzer in den Nieder­lausitzer Studien 1970 hingegen: „Wir würdigen das Heldentum Carl Klinkes und verurteilen den Missbrauch seines Namens“. Ein Dämlack, wie Strittmat­ter im „Laden“ behauptet, war sein Landsmann Klinke sicher nicht. Die Tatsache, dass der Durchbruch letzt­lich an seinem Namen festgemacht wurde, wirkte sich positiv auf dessen Hinterbliebene aus. Nicht nur in der Spremberger Umgebung, sondern im ganzen Reich wurde für die Witwe gesammelt. Dabei sollen 12 000 Mark zusammengekommen sein. Im Cottbuser Anzeiger las man zum 50. Jahrestag der Schlacht: „Blut fließt dabei, aber das ist in der Weltgeschichte wie auf dem Ackerboden ein frucht­bringender Stoff.“ Das war im April 1914. Noch waren solche dümmlichen, nass­forschen Sprüche gefragt. Aber nur vier Monate später begann ein Krieg, gegen den sich der Düppeler Schanzen­sturm wie ein Herbstmanö­ver ausnahm und vom dem viele Tausend Niederlau­sitzer nicht lebend zurück­kehrten.


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