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Verwaltungsgebietsreform 1952 - der Bezirk Cottbus entsteht

- Vor 65 Jahren -
Verwaltungsreform 1952: 14 Bezirke plus Hauptstadt Ostberlin

Verwaltungsreform 1952: 14 Bezirke plus Hauptstadt Ostberlin

 Im wil­helmi­nischen „Obrig­keitsstaat“ funktionierte die kommunale Selbstverwal­tung. Die Städte und Ge­meinden entschieden weit­gehend selbst, zu welchen Gebietskörperschaften sie gehören wollten. So wählten die größeren Städte in der Niederlausitz die Kreisfrei­heit. Guben (1884), Cott­bus (1886) und Forst (1897) bildeten Stadtkreise und schieden aus den Landkreis­verbänden aus. Mit dieser Entscheidungsfreiheit der gewählten Vertretungen war es nach der Gründung der DDR vorbei. Schon 1950 wurden die drei Städte ein­gekreist. Aber damit nicht genug. Anfang Juli 1952 beschloss die II. Parteikon­ferenz der SED, „dass der Aufbau des Sozialismus zur grundlegenden Aufgabe in der DDR geworden ist.“ Nur zwei Wochen später verab­schiedete die Volkskammer das Gesetz über die weitere Demokratisierung des Auf­baus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe. Ziel war die Angleichung an so­wjetische Verhältnisse und die Schaffung von Struktu­ren, die eine straffe Leitung von oben nach unten in verkleinerten Verwaltungs­einheiten ermöglichten. Das erforderte die Abschaffung der Länder, die Bildung von Bezirken und die Verklei­nerung der Kreise. Oder im Parteijargon: „Den Grund­gedanken der staatlichen Neugliederung lieferte die an den Klassikern orientierte Erkenntnis, dass die auf der Basis des demokratischen Zentralismus aufgebaute Republik es der Arbeiter­klasse leichter ermöglicht, ihre Kräfte zu konzentrie­ren, … als in einem die politi­schen Kräfte zersplitternden Föderalismus.“ Die Verwal­tungsgebietsreform wurde dann mit atemberaubendem Tempo vorangetrieben. Die bestehenden gewählten Gre­mien, besonders die Land- und Kreistage, hatten da­bei kaum Mitspracherecht. Beim Zuschnitt der Bezirke spielten die alten Landes­grenzen eine untergeordnete Rolle. Als gewählte Vertre­tungen waren zunächst Be­zirks- bzw. Kreistage geplant, die durch die Aufteilung der Land- und Kreistage nach dem Territorialprinzip ent­stehen sollten. In einem Referentenentwurf sprach man noch im April 1952 von 13 Bezirken, von Dresden, Chemnitz, Leipzig, Halle, Magdeburg, Erfurt, Gera, Potsdam, Frankfurt, Orani­enburg, Schwerin, Rostock und Neubrandenburg. Cottbus und Suhl kommen hier noch nicht vor. Die­sen Vorschlag lehnte die Sowjetische Kontrollkom­mission ab. Für das Land Brandenburg gab es dann den Plan für einen Nord-, einen Südwest- und einen Südostbezirk. Als Ver­waltungssitze war neben Potsdam, Oranienburg und Frankfurt auch Neu­ruppin im Gespräch. Erst am Ende dieses Prozesses kam die Idee von einem Südostbezirk mit Cottbus als Hauptstadt auf. Der an wirtschaftlichen Gesichts­punkten orientierte Bezirk, das zukünftige Zentrum der Kohle- und Energiewirt­schaft, entstand auf dem Territorium dreier Länder, Brandenburgs Süden, den sächsischen Gebieten um Weißwasser und Hoyers­werda und dem sächsisch-anhaltinischen Jessen, Bad Liebenwerda und Herzberg. Der neue Bezirk hatte 14 Kreise. Ab 1954 kam die nun erneut kreisfreie Stadt Cottbus hinzu. Mit der 1. Be­zirksdelegiertenkonferenz der SED in Schwarzheide galt die Verwaltungsreform als abgeschlossen. 1. Sekre­tär der Bezirksleitung wurde Franz Bruk und Vorsitzen­der des Rates des Bezirkes Werner Manneberg. Die Entscheidung für Cottbus als neues Verwaltungszen­trum traf auf wenig Begeiste­rung. Der neu­en Bezirksstadt fehlten zunächst alle Vorausset­zungen. Es gab kaum Büroge­bäude und wenig geschultes Perso­nal. Der Gedan­ke, den neuen Rat des Bezirkes aus Mitarbeitern der Landesregie­rung zu rekru­tieren, fand bei den Potsdamern keinen Anklang. Cottbus hatte 1952 ca. 60.000 Einwohner. Je­der Vierte davon hatte sozusagen „Migrationshinter­grund“, kam also aus den ehemaligen deutschen Gebie­ten im Osten. In der Stadt herrschte akuter Wohnungs­mangel. Nicht alle Trümmer hatte man sieben Jahre nach dem Krieg weggeräumt. Le­bensmittel waren rationiert. In das Neue Rathaus, nur notdürftig instand gesetzt, zog der Rat des Bezirkes. Für die Stadtverwaltung begann eine Zeit des Va­gabundierens durch ver­schiedene Gebäude. Erst Anfang der Sechziger gab es zumindest für den Ober­bürgermeister und einige zentrale Abteilungen mit dem Knappschaftsgebäude in der August-Bebel-Straße eine vertretbare Lösung. Wegen der akuten Not an Büroflächen entstand ab 1953 auf dem Gelände eines Friedhofs in Bahnhofsnähe die Barackenstadt, ein Provi­sorium, dass sich hartnäckig bis zur Wende hielt. In den Siebzigern und Achtzigern entwickelte sich die neue Bezirksstadt dann jedoch rasch zu einer sehenswerten Großstadt. Grund dafür war auch eine solide Kommu­nalpolitik unter der Leitung von Oberbürgermeister Er­hard Müller. Pünktlich zur deutschen Einheit entstand auch das Land Brandenburg wieder. Schon vorher, im Frühjahr 1990, erhielt die Stadt Cottbus nach einem Beschluss des Runden Ti­sches das Neue Rathaus zu­rück. Viele Cottbuserinnen und Cottbuser gehen davon aus, dass die Zeiten einer positiven Stadtentwicklung, also die Amtsperiode von OB Paul Werner oder die Jahre der Vorbereitung und Durchführung der ersten Bundesgartenschau in den neuen Ländern, mit kom­munaler Selbstverwaltung und Kreisfreiheit verbunden waren. Einer erneut von oben dekretierten Verwal­tungsreform setzen sie das Volksbegehren „Kreisre­form stoppen – Bürgernähe erhalten!“ entgegen.


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