Staatsbesuch in Cottbus - Gegenbesuch des Urgroßenkels (II.)
Hermann von Pückler- Muskau besuchte 1837 den ägyptischen Herrscher Muhammad Ali auf der Kairoer Zitadelle und trat alsbald seine, vom Vizekönig gesponserte Reise durch das sagenumwobene Reich am Nil an. Neun Jahrzehnte später verkündete der Cottbuser Anzeiger, dass der Urgroßenkel Muhammad Alis das Programm seines Staatsbesuches in der deutschen Republik um eine Visite in Cottbus erweitert habe. Den Besuch des zehnten Vertreters der Dynastie, inzwischen als Fuad I. König eines (fast) unabhängigen Ägyptens, wollten die Cottbuser und besonders ihr Oberbürgermeister Dr. Erich Kreutz geschickt für die Stadtwerbung nutzen. Der Gast aus Kairo blieb nicht der einzige orientalische Potentat mit Cottbus- Ambitionen. Im Juli 1970 empfing die nunmehrige Bezirksstadt Gaafar el Mimeri, den sudanesischen Diktator, und acht Jahre später erschien im Hotel Lausitz Hafiz al-Assad aus Syrien. Umgekehrt hatte schon Walter Ulbricht, als er mit der "Völkerfreundschaft" 1965 seinen ersten Staatsbesuch im nichtsozialistischen Ausland antrat, die Grabstätte Muhammad Alis in der Kairoer Alabaster-Moschee betrachtet. Das war übrigens ein Besuch, der in Westdeutschland gar nicht gern gesehen wurde. Die Medien überboten sich mit Beschimpfungen des "Spitzbarts" und des "Zonen-Vogts". Doch zurück zum Jahr 1929 und zum in Cottbus erwarteten ägyptischen König. Ein Verwandter von Machuba? Am 15. Juni 1929 war ganz Cottbus auf den Beinen, um den Staatsgast zu sehen. Sicherlich wurde schon damals mit Schulfrei und sanftem Druck der Verwaltung und der Arbeitgeber für ein jubelndes Spalier gesorgt. Viele Einwohner kamen jedoch auch aus Neugier. In der Berliner Boulevard- Presse hatte man einige Mutmaßungen angestellt. Darin spielte Machbuba, "jenes zartschöne junge Mädchen, das Pückler von einer seiner Reisen aus dem Morgenland mit nach Deutschland brachte" eine Hauptrolle. "Man las da: die besagte kleine Orientalin sei eine Prinzessin, sozusagen eine Verwandte Fuads gewesen." Das wusste der Cottbuser Anzeiger natürlich besser: "Das trifft nicht zu. Immerhin jedoch: vieles wird jetzt König Fuad ganz persönlich interessieren." Der König absolvierte dann im Eilzugtempo das Cottbus-Programm. Begrüßung auf dem Vorplatz des damals durchaus repräsentativen Staatsbahnhofes, anschließend kurze Rundfahrt mit Stopp am Stadttheater und weiter zum Rathaus. Dort hält OB Kreutz seine Ansprache. Fuad antwortet auf Französisch, dass er "von Cottbus einen ausgezeichneten Eindruck gewonnen und dass ihm die herzliche Aufnahme … und der herzerfrischende Anblick der Spalier bildenden Jugend recht gefallen habe." Es folgt die ägyptische Hymne, als Gastgeschenk eine silberne Schale mit Burk & Braun-Pralinen (überreicht von einer "reizenden Spreewälderin") und die Eintragung ins Goldene Buch. König, Gefolge und Oberbürgermeister fuhren dann in den Branitzer Park. Am Parkeingang begrüßt von Graf Pückler "schritten die Herren zu Fuß durch die im Sonnenlicht wundervoll daliegenden grünenden Anlagen nach den Pyramiden." Letzter Punkt vor der Abreise nach Bad Muskau war die Frühstückstafel im Schloss, natürlich alkoholfrei. Das Schicksal der Dynastie Ähnlich wie Fuad im Goldenen Buch hatte sich 90 Jahre zuvor auch Hermann von Pückler in Ägypten schriftlich verewigt, allerdings nicht auf schnödem Papier. Cottbuser, die sich nach der Wende auf die Spuren des Weltreisenden begaben, fanden Pücklers Namenszug in Tempeln und Säulen eingemeißelt. Bleibt die Frage nach dem Schicksal der von Muhammad Ali begründeten Dynastie. Fuad I. verurteilte zwar den Antisemitismus von Nazi-Deutschland, regierte selbst aber zunehmend diktatorisch. Nach seinem Tod 1936 bestieg sein Sohn Faruq den Thron. Er sollte der letzte Herrscher aus dem Geschlecht Alis sein. Gamal Abdel Nasser stürzte ihn 1952. Während des arabischen Frühlings demonstrierten Tausende Ägypter gegen Präsident Mubarak. Auf dem Tahrir-Platz wurden interessanterweise auch die Flagge des Königreiches und Porträts des Thronanwärters Fuad II. gezeigt. Der Enkel des Cottbus- Besuchers schloss eine Rückkehr nicht aus. Aber das ägyptische Drama entwickelte sich anders. Nach dem Sturz des Luftwaffengenerals Mubarak bekam das Land Wahlen nach westlichem Muster verordnet. Bei diesen bestimmten die Ägypter dann 2012 einen Mann, der dem Westen nicht gefiel und demzufolge nicht sehr demokratisch gestürzt wurde. Nun steht wieder ein General an der Spitze. Kandidaten für inszenierte Regimewechsel gibt es aber noch genug.