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Sigmund Jähn - Nach der Weltraummission ins Planetarium

- Vor 40 Jahren -
Stadthallendirektor Dieter Nehmzow begrüßt Sigmund Jähn. Foto: Erich Schutt

Stadthallendirektor Dieter Nehmzow begrüßt Sigmund Jähn. Foto: Erich Schutt

In der vergangenen Woche ist hier das Wirken von Heinz Kluge beschrieben worden. Der Oberbürgermeister der Jahre 1958 bis 1974 hatte sich persönlich stark für den Bau des Planetariums eingesetzt. Fünf Jahre nach der Eröffnung der exzellenten Bildungseinrichtung gab es dort einen großen Auflauf. Das Neue Deutschland berichtete am 6. Dezember 1978 unter der Überschrift "DDR-Kosmonaut zu Besuch im Cottbuser Planetarium": "Eine gemeinsame ›Reise ins All‹ unternahmen am Dienstag der DDR-Kosmonaut Oberst Sigmund Jähn sowie Parteiveteranen und verdiente Werktä­tige im Cottbuser Raumflugplanetarium ›Juri Gagarin‹. Mit einem Erlebnisbe­richt von seinem Weltraumflug ergänz­te der Fliegerkosmonaut ein Sonder­programm des Raumflugplanetariums. Das projizierte Himmelsmodell unter der Kuppel des Planetariums bot unter anderem Gelegenheit, die Flugbahn des Saljutkomplexes zu verfolgen." Der erste Deutsche im All Die Vorgeschichte der fast zum Staatsbesuch hochstilisierten Visite kannte vor 40 Jahren in der DDR buchstäblich jedes Kind. Sigmund Jähn, der NVA-Pilot, flog am 26. August 1978 mit dem Kommandanten Waleri Bykowski und dem Raum­schiff Sojus 31 zur Raumstation Saljut 6. "Der erste Deutsche im Kos­mos – ein Bürger der sozialistischen DDR", lautete der Jubelschrei. Die Me­dien überschlugen sich; die DDR war im Weltraumtaumel. Der ausgesprochen anspruchsvolle wissenschaftliche Inhalt ist bei dem Propaganda-Rummel fast auf der Strecke geblieben: Abendgruß aus dem Weltall, Sonderbriefmarken und Fahnenappelle. Die Cottbuser lasen: "Ihre kühne Tat beflügelt auch uns!", "Brüder auf der Erde – Gefähr­ten im All« oder »Freude, Stolz und große Begeisterung". Natürlich gab es vor dem Start die üb­liche Geheimhaltung. Aber in Cottbus war etwas durchgesickert. Am Vor­abend hieß es, bei der LR gäbe es eine Urlaubssperre. Bei den Mutmaßungen zu den Gründen für diese Maßnahme war man sich im Freundeskreis oder in der Gartenkneipe bald einig. Das Römische Konklave nach dem Tod von Papst Paul VI. konnte es wohl nicht sein. Auch die Volksbildungsaktivta­gung zum Schuljahresbeginn im Haus der Bauarbeiter war Routine. Die BSG Energie kämpfte in der DDR-Liga um den Aufstieg. Der Sieg über Motor Fritz Heckert Karl-Marx-Stadt regte niemanden sonderlich auf. Da war es doch wahrscheinlicher, dass nach dem Tschechen Vladimir Remek und dem Polen Miroslaw Hermaszewski nun ein DDR-Kosmonaut dran wäre. Und genau so kam es. Sigmund Jähn umrundete die Erde und in der DDR kriegte man sich kaum ein. Ines aus der 20. Ober­schule »Friedrich Engels« wünschte sich: "... dass er alles gut macht und ge­sund bleibt. Und vielleicht kommt er auch bald nach Cottbus." Dieser Wunsch wurde erhört. Drei Monate nach dem Raumflug war Jähn dann zu Besuch im Bezirk Cottbus. Mit von der Partie: Eber­hard Köllner, der Ersatzmann von Jähn. Er war in Cottbus als früherer Kommandeur des Jagdfliederge­schwaders 1 kein Unbekannter. Höhepunkt der Cottbus-Visite war nach dem Besuch im Planetarium das Jugendforum in der Stadthalle. Dieter Nehmzow, der Stadthallen­direktor, begrüßte Jähn und Köllner im Foyer. Und hier zeigte sich echte Begeisterung. "Wortmeldung auf Wort­meldung; Antwort auf Antwort, Lachen, Beifall. Das ist die Atmosphäre dieses Forums." "Mitesser auf der Russenrakete" Die DDR hatte etliche kleine und große Helden. Die meisten sind mit ihrem Staat abgetreten. Der bescheidene Kos­monaut, der im vereinigten Deutsch­land und dann in Europa eine erfolg­reiche neue Karriere begann und dem Moskauer Sternenstädtchen trotzdem treu blieb, hat sie alle überdauert. Der Einschätzung der Frankfurter Rund­schau zum 30. Jubiläum ist kaum etwas hinzuzufügen: "Das kleine Deutschland hatte es dem großen Nachbarn gezeigt. Wie schon beim Sputnik-Start hatte der Ostblock den Westblock überflügelt. Fünf Jahre sollte es noch dauern, bis die Bundesrepublik mit Ulf Merbold endlich auch einen Mann im Weltraum hatte. Fünf Jahre, eine Ewigkeit. Der Westen reagierte entsprechend ver­grätzt, schmähte Jähn als ›Mitesser auf der Russenrakete‹ (Welt) und ›ersten Sachsen im All‹ (Süddeutsche Zeitung). In der DDR dagegen war der stille Mann mit dem bubenhaften Schmun­zeln nicht weniger als ein Volksidol.« Und das ist er bis heute geblieben. Ge­blieben ist auch sein Fazit: »Unsere Erde, in leuchtendes Blau gehüllt. Einfach traum­haft." P.S.: An den technischen Verhältnissen hat sich nichts geändert. Wenn Alexander Gerst ins Weltall will, muss er auch 40 Jahre nach Sojus 31 noch als "Mitesser" ei­ne "Russenrakete" nehmen.


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