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Schlacht an der Somme geht zu Ende: Cottbus hungert weiter

Der Cottbuser Anzeiger beschäftigte sich im November 1916 seitenweise mit den Präsidentschaftswahlen in den USA und dem Tod des österreichischen Kaisers Franz Josef I. Bei den US-Wahlen am 7. November hatte der Anzeiger zunächst den Wahlsieg von Charles Hughes verkündet.
Grabmal auf dem Friedhof der Kriegsgefangenen des I. Weltkrieges in Merzdorf – Letzte Ruhestätte für 500 Russen, Engländer, Franzosen und Italiener, Foto: Lewandrowski

Grabmal auf dem Friedhof der Kriegsgefangenen des I. Weltkrieges in Merzdorf – Letzte Ruhestätte für 500 Russen, Engländer, Franzosen und Italiener, Foto: Lewandrowski

Das wurde dann vier Tage später auf Woodrow Wilson korrigiert. Diesen hielt man, bezogen auf einen möglichen Kriegseintritt der USA, eigentlich für die bessere Lösung. Zur Beisetzung des alten Kaiser in Wien hörten die Cottbuser Leser ein letztes Mal von der imperialen Prachtentfaltung des Habsburger Hofzeremoniells. Tumulte an den Kartoffelverteilungsstellen Im lokalen Bereich gab es fast nur ein Thema, die zusammenbrechende Kartoffel- und Milchversorgung. „Die der Stadt zur Verfügung stehende Vollmilch ist so knapp, dass nur eine bestimmte Menge für die Kranken bewilligt werden kann, weil sonst die Kinder darunter leiden würden“, stellte die Stadtverordnetenversammlung fest. Die Zeitung berichtete von Tumulten an den Kartoffelverteilungsstellen.
Hauptthema der Cottbuser Tageszeitung war jedoch die Schlacht an der Somme im Nordwesten Frankreichs. Das Gemetzel war eine der blutigsten Schlachten in der Kriegsgeschichte. Englische und französische Truppen berannten mehrere Monate die deutschen Gräben. Die gewaltige Materialschlacht begann im Juli 1916 als Massensterben auf beiden Seiten. 19.000 Briten sterben am ersten Tag Allein am ersten Tag verloren 19.000 junge Briten durch das Sperrfeuer deutscher Maschinengewehre ihr Leben. Andererseits starben Tausende Deutsche unter einem siebentägigen Trommelfeuer, in dem 1,5 Millionen Granaten auf die Stellungen des kaiserlichen Heeres abgefeuert und die Front in eine Mondlandschaft verwandelt wurde. Die Kriegsberichte im Cottbuser Anzeiger klingen betont sachlich: „Durch konzentriertes Feuer schwerster Kaliber vorbereitet, erfolgten gegen unsere … Stellungen starke englische Angriffe, bei denen es dem Gegner unter beträchtlichen Opfern gelang, uns aus Beaumont-Hamel und St. Pierre-Divion … zurückzudrängen. Zähe Verteidigung brachte auch uns erhebliche Verluste.“ Angriff und Gegenstoß Aus der Sicht der Männer im Schützengraben sah die Sache anders aus: „Wir erkennen die verzerrten Gesichter, die flachen Helme, es sind Franzosen. Sie erreichen die Reste der Drahtverhaue und haben schon sichtbare Verluste. … Ich sehe einen von ihnen in einen spanischen Reiter stürzen, das Gesicht hoch erhoben. Der Körper sackt zusammen, die Hände bleiben hängen, als wollte er beten. Dann fällt der Körper ganz weg und nur noch die abgeschossenen Hände mit den Armstümpfen hängen im Draht. … Aus uns sind gefährliche Tiere geworden. Wir kämpfen nicht, wir verteidigen uns vor der Vernichtung. Wir schleudern die Granaten nicht gegen Menschen, was wissen wir im Augenblick davon, dort hetzt mit Händen und Helmen der Tod hinter uns her...“ Remarque schildert in seinem Roman „Im Westen nichts Neues“ das Grauen von Angriff und Gegenstoß, von Trommelfeuer und Nahkampf, das eine Generation junger Franzosen, Deutscher und Briten zerstörte, „auch wenn sie den Granaten entkamen.“ Der Protagonist schwört dem von ihm getöteten Franzosen: „Ich verspreche es dir, Kamerad. Es darf nie wieder geschehen.“ Das Ende der Schlacht Von solchen Erkenntnissen war man in der Heimat noch weit entfernt. Im Cottbuser Anzeiger wurde im November 1916 noch dann über weitreichende Kriegsziele diskutiert, als schon fast die Hälfte des Blattes mit Todesanzeigen gefüllt war. Dort, in Nordfrankreich sind viele junge Niederlausitzer gefallen. Während der Schlacht an der Somme verloren 1,2 Millionen britische, französische und deutsche Soldaten ihr Leben oder wurden verstümmelt. Am Ende der britischen Sturmangriffe standen den ungeheuren Opfern Geländegewinne von wenigen Kilometern gegenüber. Schließlich waren es verschlammte Gräben, verschlissene Geschütze und eine vergiftete Todeslandschaft, die am 18. November 1916 das Massensterben beendeten. Der deutsche Heeresbericht meldete lakonisch: „Die Sommeschlacht, eine der größten Schlachten des Weltkrieges, war zu Ende.“ Volkstrauertag Am Volkstrauertag gedenkt das offizielle Deutschland seit 1922 der Opfer der Kriege und der Gewaltherrschaft. Mit dem größer werdenden zeitlichen Abstand besteht wohl einerseits die Gefahr, dass dieses Gedenken zu einem leeren Ritual wird. Andererseits gibt es in Cottbus und der Region eindrucksvoll gestaltete Kriegsgräberstätten. Der kleine Friedhof der italienischen und russischen Gefangenen des I. Weltkrieges in Merzdorf, die beiden sowjetischen Ehrenmale in Cottbus, die Grabstätte der Opfer des 15. Februars 1945 und die vielen liebevoll gepflegten Denkmale in unseren Dörfern haben unsere Aufmerksamkeit verdient. In dieses Gedenken beziehen wir auch die Oberprimaner des Friedrich-Wilhelms-Gymnasium und die anderen Cottbuser ein, die an der Somme fielen.


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