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Gottlieb Grambauer und die Bäume Fürsten Pückler

Hermann von Pückler-Muskau war zu seinen Lebzeiten ein vielgelesener Schriftsteller. Die „Andeutungen über Landschaftsgärtnerei“ sind sein Hauptwerk zur Gartenkunst. Der Reiseschriftsteller Pückler unterhielt das europäische Publikum mit den „Briefen eines Verstorbenen“ und mit dem Ägyptenbericht „Aus Mehemed Alis Reich“. Aber auch Pückler selbst wurde zur literarischen Figur.
Baumgruppen im Branitzer Park, Blick von der Schlossterrasse. Foto: Lew.

Baumgruppen im Branitzer Park, Blick von der Schlossterrasse. Foto: Lew.

Gartenkunst Hermann von Pückler-Muskau war zu seinen Lebzeiten ein vielgelesener Schriftsteller. Die „Andeutungen über Landschaftsgärtnerei“ sind sein Hauptwerk zur Gartenkunst. Der Reiseschriftsteller Pückler unterhielt das europäische Publikum mit den „Briefen eines Verstorbenen“ und mit dem Ägyptenbericht „Aus Mehemed Alis Reich“. Aber auch Pückler selbst wurde zur literarischen Figur. In Charles Dickens Roman „Die Pickwickier“ tritt er als „Graf Smorltork“ auf. Und Ehm Welk läßt seinen Gottlieb Grambauer mit dem alten Fürsten über Bäume, Menschen und die Welt reden. Diese Episode gehört zu den Schönsten im Werk des Dichters. Spreewaldstadt der Romane Welk hatte sich mit dem Nazi-Propagandaminister Goebbels angelegt, wurde verhaftet und im KZ Oranienburg festgehalten. Nach seiner Entlassung 1935 zog er nach Lübbenau. Der Schriftsteller erhielt die Erlaubnis, unpolitische Bücher zu schreiben. So entstanden in der Spreewaldstadt die Romane „Die Heiden von Kummerow“, „Die Lebensuhr des Gottlieb Grambauer“ und „Die Gerechten von Kummerow“. Martin Grambauer, Johannes Bärensprung, Pastor Breithaupt und der Hirt Krischan gehören zu den sympathischsten Gestalten der jüngeren deutschen Literatur. Da lachte der Fürst Die Pücklerepisode aus der „Lebensuhr“ ist in „... den Jahren vor dem Siebziger Krieg ...“ angesiedelt, handelt also vor zirka 150 Jahren. Gottlieb Grambauer hilft Pückler, der „... in Branitz ganz alte Bäume verpflanzt hat, und hatte sie von weit hergeholt über das Meer. Da stand ich auch und griente, als wir eine alte Thuja aus Amerika in die Cottbuser Heide setzen sollten. Sie hatte wohl gut ihre zehn Meter, und wir sagten dazu Lebensbaum und kannten ihn bloß kleiner. ‚Was lachst du denn dauernd so dumm, Grambauer?‘, ranzte mich der alte Fürst an. ‚I, Durchlaucht‘, sagte ich, ‚es ging mir so durch meinen Sinn: Was denkt sich nu bloß solch armer Baum?‘ - ‚Wieso?‘ fragte er. - ‚Ja, da sind nu all die Jahre immer bloß Affen und Papageien unter ihm rumgehopst, nu muß er sich doch langweilen?‘ Da lachte der Fürst und sagte: ‚Dann braucht der Baum bloß nach unten zu sehen. Und wenn von uns beiden nichts mehr übrig ist, Grambauer, da werden genauso wie heute immer genug Affen und Papageien um den Lebensbaum stehen und werden ihn nicht begreifen und das Maul aufreißen und dummes Zeug reden!‘ An Lebensweisheit kaum zu übertreffen Und siehe, es geschah also. Der Fürst war lange tot, als ich vor drei Jahren noch malen in Branitz war. Nun war die Thuja wohl schon zwanzig Meter hoch. Da hörte ich, wie ein Herr zu einer Besucherzahl sagte: ‚Der menschlichen Narrheit verdanken wir dieses Wunder an natürlicher Schönheit‘ Und eine Dame kakelte dazu: ‚Eine schwarze Sklavin soll er sich ja auch mitgebracht haben von seinen Weltreisen, und ist doch verheiratet gewesen!‘“ Die kleine Geschichte ist an Lebensweisheit kaum zu übertreffen. Affen und Papageien Die Cottbuser werden die Pücklersche Vermutung mit den Affen und Papageien hundertprozentig bestätigen. Trotzdem gehört sie in das Reich der Fantasie. Im Branitzer Park hat es wohl keine Thuja gegeben. Der Doyen der Cottbuser Parkdenkmalpfleger, Professor Helmut Rippl, erinnert daran, dass es Pücklers Gestaltungsprinzip war, einheimische Pflanzen zu verwenden. Unter den Cottbusern hält sich ja die Legende, dass der Gartenkünstler Pückler viele Großbäume aus Übersee kommen ließ. Das ist nicht richtig. Pückler verpflanzte Großbäume aus deutschen Baumschulen. Einzige Exoten sind der Tulpenbaum und zahlreiche Robinien. Schlossumgebung Eine Ausnahme bildete wohl der Pleasureground, die unmittelbare Umgebung des Schlosses. In diesem erweiterten Wohnzimmer, damals nicht zugänglich, spielte der Fürst wohl auch mit exotischen Pflanzen, die aber nicht überdauert haben. Richtig ist, dass die Bäume das wichtigste Element im Park sind. Kein Zufall Helmut Rippl zeigt, dass in Branitz nichts dem Zufall überlassen ist: die Anordnung der Baumgruppen, der Szeneriewechsel, die Sichtachsen, Licht, Schatten und Farben. Die Bäume sind so arrangiert, dass der Betrachter von jedem Standort aus eine andere Komposition erlebt. Das abwechselnde Blühen, das Rot der Blutbuche, das Hellgrün der Platane und das Silber der Graupappel sind die Musik des Parks, der in erster Linie Ruhe ausstrahlt. Genau das wollte Pückler erreichen. Alterswerk eines Gärtners Als eine „geistreiche Dame“ die „imposante Ruhe, die in dem Ganzen herrscht“ hervorhob, schrie er: „Nie hätte mir ein Lobspruch schmeichelhafter sein können ...“ Das Alterswerk des Landschaftsgärtners Hermann von Pückler ist nicht nur ein hochkarätiges Gesamtkunstwerk. Kunst- und Gartenfreunde kommen hier ebenso auf ihre Kosten wie Verliebte, Jogger und Erholungsuchende. Mystische Orte Der Branitzer Park ist auch ein Therapeutikum. Himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt: Auf den verschlungenen Parkwegen und an den mystischen Orten bei den Pyramiden verstärkt sich Euphorie und verliert sich Depression. Die heitere Gelassenheit des Ortes hat Ehm Welk in der „Lebensuhr des Gottlieb Grambauer“ beschrieben. Wer allerdings im Park umherirrt und Pokémon Go-Monster jagt, wird den Genius loci nicht entdecken.


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