Einkaufen in Cottbus–"Grobgemüse ist ausreichend vorhanden"
Das Rezeptbuch „Kochen“ vom (DDR-)Verlag für die Frau erlebte etliche Auflagen. Es war wirklich ein guter Ratgeber. In vielen Haushalten ist es noch immer in Gebrauch. Aber ähnlich wie bei der Sendung „Der Fernsehkoch empfiehlt“ mit Chefkoch Kurt Drummer gab es damals ein Dilemma. Alles, was man zur Vorbereitung eines Gerichtes benötigte, sollte auch im Handel erhältlich sein. Und da lag der Hase im Pfeffer. Weil es doch manches nicht zu kaufen gab, hatten es Rezept-Autoren und Fernsehköche nicht leicht. Für das „Kabeljauragout mit Curry“ braucht man eben Kabeljaufilet, Zitronen und Bananen. Und diese drei Komponenten vor dreißig Jahren mit einem Schlag in der Kaufhalle am Jacques-Duclos-Platz oder in der Sachsendorfer Kaufhalle „Energie“ zu erhalten, wäre ein außerordentlicher Glücksfall gewesen. Darüber machten die DDR-Bürger viele Witze. Tomatenketchup galt sozusagen als Drittwährung, nach Mark und DM. Toilettenpapier, Schlagbohrer oder Bettwäsche kaufte der Cottbuser nicht, wenn er sie brauchte, sondern wenn es sie gab. Das setzte das ständige Mitführen von Einkaufsnetzen voraus und führte zu lebhaftem Tauschhandel. Tiefkühltruhen zum Aufbewahren der nicht zeitnah benötigten Lebensmittel waren gefragt. Die Wartezeiten auf PKW, Farbfernseher und Waschmaschinen musste man kennen. Auch hier gab es Tauschmöglichkeiten. Verwaltung des Mangels Die Verwaltung des Mangels erledigten Staatsapparat und Partei mit großem bürokratischen Aufwand. Lange Berichte mit den Detailpositionen gingen ihren Weg auf den verschiedenen Ebenen. Es gab für die Territorien der DDR unterschiedliche Versorgungsstufen. Am besten kam Berlin weg. Cottbus gehörte als Arbeiterzentrum auch zu den besser versorgten Städten. Der Rat der Stadt beschäftigte sich auf seinen Beratungen ständig mit der „Versorgung der Bevölkerung“. In der Januarinformation 1989 wird festgestellt, dass „Kartoffeln und Grobgemüse ausreichend zur Verfügung stehen“. „Keine Bedarfsdeckung gibt es bei Suppengrün und Rosenkohl“. Wein und Sekt waren Problemfelder, aber: „Mit gelber und weißer Spirituosenware wird entsprechend des Angebots des Großhandels versorgt.“ Fortschritte gab es bei Schnittkäse, da waren sogar zwei Sorten im Angebot. Fazit: „In Detailpositionen reichen die eigenen volkswirtschaftlichen Möglichkeiten und das begrenzte Importvolumen nach wie vor nicht aus.“ Auf der Grundlage dieser Information wird – nun etwas geschönt – an die Kreisleitung der SED in der Parzellenstraße berichtet. Dort ist von stabiler Grundversorgung die Rede, von der Verbesserung des Frischwarenangebots und von der „günstigen Entwicklung bei Schnittblumen.“ Batterien, Reifen und Trabant-Ersatzteile bleiben Mangelware. „Bei Diät- und Diabetikerwaren gibt es Diskrepanzen zwischen Aufkommen und Bedarf.“ Für die Cottbuser war die lückenhafte Versorgung mit Waren aller Art auch deshalb problematisch, weil parallel zu dem sichtbaren Mangel monatliche statistische Berichte über Produktion und Handel ein anderes Bild zeigten. Auf dem Papier ging es ständig voran. Die monatliche Eingabenanalyse zeigte jedoch das Gegenteil. An der Spitze der Beschwerdeliste standen das unzureichende Angebot und die mangelhafte Qualität von Waren, Dienstleistungen und Reparaturen. Darüber sprachen die Menschen im Januar 1989 immer lauter. Werner Walde auf Inspektionstour Ende Januar 1989, vor 30 Jahren, besuchte Bezirksparteisekretär Werner Walde Handels- und Dienstleistungseinrichtungen „aller Eigentumsformen“ in Cottbus. Inspiziert wurden das „Haus der Dienste“, eine private Fleischerei, die schon erwähnte Kaufhalle am Jacques-Duclos-Platz und eine benachbarte Gaststätte. Die Cottbuser Tageszeitung bemerkte richtig, dass Handel und Dienstleistungen besonders im Blickpunkt der Bürger stehen. Im Bericht über den Besuch des Politbürokandidaten kamen die täglichen Erfahrungen der Käufer jedoch nicht vor. Die Schlangen beim Fleischer blieben ebenso unerwähnt wie der jammervolle Zustand der Einkaufswagen in der Kaufhalle. Die fast vollständig fehlende Verpackung der verkauften Lebensmittel riefe heute bei den Grünen Begeisterung hervor, war damals aber ein Ärgernis. Stattdessen gab es „Verpflichtungen der Kollektive zum Republikgeburtstag“ und „Dank für die Förderung des Handwerks durch die Partei“. Mutigste Kritik war die Feststellung von „nicht termingerechter Warenanlieferung.“ Über die interne Auswertung der Visite des Parteichefs, über Preispolitik und Delikat-Läden berichten wir in der nächsten Woche.