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Die Hexenkiefer und andere Bäume

Mit der Zeitangabe wollen wir es diesmal nicht so genau nehmen. Bei den Naturdenkmalen, um die es heute geht, kommt es auf einige Jahre nicht an. Unsere Region ist voller Naturwunder und besonders bei den Bäumen verbinden sich mit ihnen wundersame Geschichten aus fernen Tagen.
An der Hexenkiefer. Foto: Peter Lewandrowski

An der Hexenkiefer. Foto: Peter Lewandrowski

Spannend ist die Geschichte der Doppeleiche in Saspow. Hier verteidigten die Bauern vor 260 Jahren im Siebenjährigen Krieg ihr Dorf vor marodierenden österreichischen Hilfstruppen. Der Sohn des Bürgermeisters fiel im Kampf. Am Kopfende seines Grabes wurden, wie damals üblich, zwei Eichen gepflanzt, die später zusammenwuchsen. In der Puschkinpromenade steht die Napoleonlinde. Die Cottbuser mussten den Vorgänger der heutigen Linde 1813 zum 44. Geburtstag des Kaisers pflanzen. Auch schon vor über 200 Jahren wurde man angehalten, „Zeichen zu setzen“. Die Linde blieb auch nach dem Sturz Bonapartes und wurde vor dem Ersten Weltkrieg neu gepflanzt. Am mysteriösesten ist sicherlich die Hexenkiefer. Wer von der Koselmühle weiter in Richtung Wiesendorf radelt und die Wegweiser beachtet, findet links des Weges die seltsame Kriechkiefer. Eine Tafel erläutert: „Grab eines Feld-Herren mit seinem Pferd. Bewacht von Naturgeistern, beschattet von kriechenden Kiefern. Halte Einkehr Wanderer!“ Ewald Müller (1862-1932), der Cottbuser Lehrer und Heimatdichter, beschäftigte sich mit dem „... wunderlichen Baum“, der um die Mitternachtsstunde „... zu gespenstischem Leben erwacht.“ „In dem Gewirr der Äste glaubte man Rumpf, Arme und Knie kämpfender Geistergestalten zu erblicken, die bestrebt waren, einander zu Boden zu drücken. Dem Ohre aber klangen bald Flüsterstimmen, bald wildes Geheul entgegen.“
Eine der Legenden besagt, dass hier der Grabhügel eines hohen Herrn aus Sachsen gelegen hätte, dessen Namen niemand nannte und dessen Tod mit einem Verbrechen verbunden war. Dieses Grab geriet in Vergessenheit und wurde erst um 1800 wieder lokalisiert. „Bei der Ausrodung fand man von dem früher erhöhten Grabhügel keine Spur mehr vor. Auf der Ruhestätte des unbekannten Toten aber erblickte man eine sonderbar gewachsene Kiefer, die ihre am Boden hin kriechenden Äste wie schützende Arme und Hände über das Grab legte: Die Hexenkiefer.“

Eine andere Sage führt die Geschichte des geheimnisvollen Baumes noch weiter zurück. „Vor langer Zeit, als vor der Übermacht der Deutschen sich der zusammengeschmolzene Volksstamm der Wenden in den früher weit ausgedehnten und unzugänglichen Spreewald zurückgezogen hatte, regierte das Wendenvolk als letzter König ein Herrscher, welcher bis zu seinem Ende der Botmäßigkeit der Deutschen Trotz zu bieten wusste.“ Da sind wir dann in der Zeit vor 1000 Jahren. Als jener gerechte und geliebte König starb, wurde er  „... mit reichem Schmuck in einen goldenen Sarg gelegt … und an geheimer Stätte in einem tiefen Grab zur letzten Ruhe gebettet.“ Die Legende vom geheimnisvollen Königsgrab vererbte sich von Generation zu Generation. „Die Sehnsucht nach einem Könige und die Erinnerung an die frühere Glanzzeit erstarb nicht in den Herzen des Wendenvolkes ... Und die Frage nach dem geheimen Königsgrab wurde immer lauter und eindringlicher.“ Eines Tages erblickten Wanderer um Mitternacht auf einer Anhöhe im Wald bläuliche Flammen, die aus der Erde schlugen. Sie deuteten dieses Zeichen als Fundstätte des Königsgrabes. Jedoch wagte niemand, die geweihte Erde nach Schätzen zu durchsuchen. Vielmehr siedelten sich die Nachkommen der altwendischen Königsuntertanen in der Nachbarschaft des Grabes an. Ewald Müller schrieb: „Das neuentstandene Dorf nannten sie Kackrow, weil sie beim Beschauen der geheimnisvollen Waldstelle in ihrer Muttersprache ausgerufen hatten: ‚Kaki Row‘, was in deutscher Sprache bedeutet: ‚Welch ein Grab!‘ Die Hexenkiefer auf dem Grab des letzten Wendenkönigs! Eine merkwürdige, tiefsinnige Verknüpfung der Fäden schaffender Volksphantasie! … Und wie der Stamm als Stütze und Träger der Äste und Zweige nicht aufzufinden ist, so gilt auch das von dem heimlichen Könige der Spreewaldwenden, der als Nachkomme aus dem Herrschergeschlecht sich verborgen halten und dem das Volk noch immer anhangen soll.“

Einen Kilometer hinter der Koselmühle, möglichst um Mitternacht, können Sie selbst überprüfen, ob den Betrachter eine „eigentümliche Beklemmung befällt“ oder der Baum gar zu „gespensterhaftem Leben erwacht“!


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