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Die Enkel von Max Grünebaum begründen die Theaterstiftung

Vor 20 Jahren
Max Grünebaum mit Enkelin Ursula 1917 im Garten der Villa in der Parzellenstraße, heute Sitz von Lausitz TV, Foto: Fam. Sempf

Max Grünebaum mit Enkelin Ursula 1917 im Garten der Villa in der Parzellenstraße, heute Sitz von Lausitz TV, Foto: Fam. Sempf

Im Frühjahr 1997 erlebte Cottbus eine großherzige Tat, wie sie selbstloser kaum denkbar ist. Die Kinder und Enkel des Industriellen Max Grünebaum wurden während der                   Nazidiktatur enteignet und mussten als Juden ihre Heimat verlassen. Nach der politischen Wende nutzten die Enkel einen erheblichen Teil der Entschädigung für ein Unternehmen der Versöhnung. Karl M. Newman, Ursula Hulme, Ellen Gumbel und Marion Frank richteten im Mai 1997, vor 20 Jahren, eine Stiftung zur Unterstützung der künstlerischen Arbeit am Staatstheater und zur Förderung junger Künstler ein. Die Cottbuser erlebten, dass die Opfer des rassistischen Terrors ihrer Vaterstadt die Hand reichten und gleichzeitig einen hochgeschätzten Beitrag für die Entwicklung der Theaterkunst leisteten.
Zur Erinnerung: Max Grünebaum, 1851 geboren, gründete als Fünfundzwanzigjähriger in Cottbus eine Textilfirma. Mit einer wachsenden Fabrikanlage in der Parzellenstraße entwickelte er sich zum führenden Hersteller für Kammgarnstoffe. Der Unternehmer engagierte sich für die Entwicklung der Textilindustrie der Stadt, gehörte zu den Initiatoren der Webschule und war maßgeblich an der wirtschaftlichen Entwicklung von Cottbus beteiligt. Wie wohlhabend Grünebaum war und welch großes soziales Verantwortungsbewusstsein er besaß, zeigt ein Bericht des Cottbuser Anzeigers vom 15. Oktober 1908 über seine Silberhochzeitsfeier im noblen Baden-Baden: „Soeben erfahren wir, dass Herr und Frau Grünebaum ihrem Feste die schönste Weihe durch reiche Spenden für gemeinnützige Zwecke gegeben haben.“ Für einen Rentenfond für ehemalige Mitarbeiter, für das Walderholungsheim und für den Schulbesuch bedürftiger  Kinder spendeten sie nur an diesem Tage 150.000 Mark, das wären heute ca. 1,8 Millionen Euro. 
Ganz entscheidend für den Cottbuser Aufstieg war das Zusammenwirken des Gespanns Werner/Grünebaum. Dem energischen und mitunter ungestümen Oberbürgermeister war der weitblickende und weltmännische Stadtverordnete Grünebaum ein guter Partner. In den schwierigen Jahren des I. Weltkrieges leitete der Unternehmer die Sitzungen des Stadtparlaments. Kommerzienrat Grünebaum, Cottbuser Ehrenbürger, starb 1925. Er erlebte nicht mehr, wie die Nationalsozialisten die kommunale Selbstverwaltung zerschlugen und seine Familie in die Emigration zwangen. Am Ende der Naziherrschaft lag die einst blühende Stadt in Trümmern. 
Den Kindern und Enkeln gelang im englischen Exil ein erstaunlicher beruflicher Neustart.
Dass sie einen großen Teil der für das erlittene Unrecht erhaltenen Entschädigung für eine Stiftung zur Förderung des Cottbuser Theater einsetzten, war ganz im Grünebaumschen Geist, der zu Lebzeiten zu den großen Mäzenen des Hauses am Schillerplatz gehörte. Inzwischen wurde das Stiftungskapital erhöht und die Universität in den Stiftungszweck einbezogen. Die Sängerin Gesine Forberger, der Schauspieler Oliver Bäßler und die Theaterliga des Gymnasiums Cottbus-Land waren im Oktober 1997 die ersten Preisträger.
     Die Stifter Karl M. Newman, Ursula Hulme, Ellen Gumbel und Marion Frank leben nicht mehr. Eine besondere Beziehung zu ihrer Geburtsstadt hatte Ursula Hulme, die 2012 im Alter von 94 Jahren starb. Ursula Hulme wurde im März 1917, vor 100 Jahren, in Cottbus geboren, zog mit ihren Eltern nach Berlin, wo der Vater als Richter am Landgericht arbeitete. Sie erlernte den Beruf einer Textilzeichnerin, konnte aber nach der Machtergreifung Hitlers als jüdisches Familienmitglied diese Ausbildung nicht beenden. 1938 floh sie vor der zunehmenden Judenverfolgung über die Tschechoslowakei nach England. Während des Krieges arbeitete Ursula Hulme als Krankenschwester, dann als Textildesignerin. Ihr Vater wirkte während der Nürnberger Prozesse als Chefdolmetscher. Angeregt durch eigene Erfahrungen fand sie ihre Lebensaufgabe darin, Menschen mit Behinderungen durch künstlerische Tätigkeit neuen Lebensmut zu geben. Dafür begründete sie ihre Stiftung „Conquest Art“. Für ihre karitativen Verdienste wurde sie vielfach ausgezeichnet. Königin Elisabeth II. verlieh ihr den Ritterorden.
Natürlich suchte Ursula Hulme auch in Cottbus Kontakt zu Menschen mit Behinderungen. In der Kreativwerkstatt für Menschen mit Handicap lernte sie Uwe Sempf kennen. Dem schwerbehinderten jungen Mann empfahl sie erfolgreich eine Maltechnik, durch die er neuen Mut gewann. Zu ihm und seinen Eltern entwickelte sich ein enges, herzliches Verhältnis. Ursula Hulme und die Familie Sempf besuchten sich gegenseitig, tauschten ihre Bilder aus und unterstützten die künstlerische Arbeit behinderter Menschen. 
Die Kreativwerkstatt gibt es übrigens noch. Jeden Donnerstag treffen sich Frauen und Männer im Dieselkraftwerk und suchen künstlerische Ausdrucksformen.


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