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Der Prager Frühling– Panzerregiment 15 wird nicht eingesetzt

- Vor 50 Jahren -
Rückkehr des Cottbuser 15. Panzerregiments vom Manöver Moldau. Foto: Erich Schutt

Rückkehr des Cottbuser 15. Panzerregiments vom Manöver Moldau. Foto: Erich Schutt

Zwischen Mauerbau und Biermann-Ausbürgerung gab es kein Ereignis, das in der DDR in Familien, Arbeitskollek­tiven oder Kleingärten so heftig diskutiert wurde, wie die Ereignisse im Frühjahr des Jahres 1968 in der CSSR. Das Zauberwort hieß "Socialis­mus s lidskou tvárí", Sozialismus mit menschlichem Antlitz. Der Reformer Alexander Dubcek hatte sich Anfang 1968 gegen seinen Widersacher An­tonín Novotný durchgesetzt und nahm als KP-Chef weitreichende Reformen in Angriff. Ziel war Meinungsfreiheit, die Aufarbeitung der stalinistischen Vergangenheit und faire Parlaments­wahlen, letztlich bis zur Zulassung nichtsozialistischer Parteien. Sein Wirtschaftsreformer Ota Šik plante sozialistische Marktwirtschaft mit freien Gewerkschaften und privaten Kleinbetrieben. In Anlehnung an Brecht schrieb Wolf Biermann im Frühjahr 1968: "In Prag ist Pariser Kommune, sie lebt noch / Die Revolution macht sich wieder frei / Marx selber und Lenin und Rosa und Trotzki / stehen den Kommu­nisten bei... / Am Grunde der Moldau wandern die Steine / es liegen vier Kaiser begraben in Prag / Wir atmen wieder, Genossen. Wir lachen / die faule Traurigkeit raus aus der Brust" Die "Bruderarmeen" greifen ein Anteilnahme am sogenannten Prager Frühling war in der DDR und bei den Menschen in den anderen Ländern in der sowjetischen Einflusszone durch­aus vorhanden. Die Parteiführungen in Moskau, Warschau und Sofia waren jedoch höchst beunruhigt. Besonders die SED warnte entschieden vor Zuge­ständnissen an einen demokratischen Sozialismus. Und natürlich nutzten westliche Politiker und Geheimdienste die Entwicklung in der Tschechoslowa­kei zur Destabilisierung des sozialisti­schen Lagers. Dann kam, was nach der Breschnew-Doktrin kommen musste: Am 21. August 1968 besetzten Truppen des Warschauer Vertrages die CSSR. Die Lausitzer Rundschau veröffentlichte die Mitteilung der sowjetischen Nach­richtenagentur TASS, den "Hilferuf von Mitgliedern der KPC" und eine Flut von Zustimmungserklärungen der Bürger des "Kohle- und Energiebezir­kes". Die Folgen: Panzer in Prag, Exil für Intellektuelle und Schluss mit Pres­sefreiheit. Dubcek musste, nach einem Zwischenspiel als Botschafter, fortan sein Brot als Forstinspektor verdienen. Später sprach man in der DDR nicht mehr allzu häufig von der Invasion im Bruderland. In den Geschichtsbüchern war knapp von "... einer krisenhaften Entwicklung" die Rede. „Die revoluti­onären Kräfte vermochten jedoch, die Entwicklung auf marxistisch-leninisti­scher Basis zu konsolidieren.“ Das 15. Panzerregiment Cottbus In Cottbus diskutierten die Menschen jene Ereignisse vor 50 Jahren beson­ders heftig, ging doch das Gerücht um, dass das 15. Panzerregiment aus der Paul-Hornick-Kaserne am Einsatz in der Tschechoslowakei beteiligt sei. Die SED-Führung um Walter Ulbricht hatte in der Sowjetunion für ein mi­litärisches Eingreifen geworben. Im August und September gab es dann In­formationen und Formulierungen, die daraufhin deuteten, dass NVA-Truppen im Nachbarland eingesetzt wären. Ulbricht sprach im Oktober "... den in der CSSR eingesetzten Angehörigen der NVA tiefempfundenen Dank und Anerkennung aus." Die Interessengemeinschaft des Cottbuser 15. Panzerregiments stellt auf ihrer Homepage aber richtig: "Historische Bedeutung gewann die 7. Panzerdivision (zu der das 15. Regi­ment gehörte) in ihrer fast 35-jährigen Geschichte nur im Sommer 1968, als sie für die Zeit vom 27. Juli bis 18. Oktober dem Militärbezirk III ausge­gliedert und dem Kommando der 20. Sowjetarmee zugeteilt wurde, um für die Zerschlagung der im Zuge des 'Prager Frühlings' aufflammenden Aufstände in der CSSR zur Verfügung zu stehen. Tatsächlich kam es jedoch zu keinem Einsatz.«"Das Cottbuser Regiment verbrachte die fraglichen Tage wahrscheinlich auf einem Trup­penübungsplatz in der Oberlausitz. Auch die anderen NVA-Einheiten la­gen auf DDR-Gebiet an der Grenze nur in Bereitschaft. In Moskau war man sich wohl klarer als in Berlin, welch verheerenden Eindruck deutsche Sol­daten (mit Uniformen, die denen der Wehrmacht sehr ähnlich waren) in der CSSR gemacht hätten. Im Herbst rief man dann die Forster und Cottbuser noch zu etlichen "Manifestationen der Freundschaft": "Unter tausendfachen 'Druschba'-Rufen rollten die Fahr­zeuge (der Sowjet-Armee) über den Altmarkt." Aber nicht nur in Prag wurden 1968 die ideologischen Zügel anzogen. Auch in Cottbus gab es Disziplinierungen und Zurechtweisungen für jene, die ihre Sympathie zum Sozialismus mit menschlichem Antlitz nicht verhehlt hatten.


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