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Der Cottbuser Wintergartenverein erhält ein neues Domizil

- Vor 190 Jahren -
Landhaus Keyling, Quartier des Wintergartenverein. Bild: Stadtmuseum Cottbus

Landhaus Keyling, Quartier des Wintergartenverein. Bild: Stadtmuseum Cottbus

Wir sind im Jahr 1829. In Potsdam regierte Kö­nig Friedrich Wilhelm III. Preußen gehörte zu den fünf europäischen Großmächten. Die Stadt Cottbus hatte ca. 5 000 Einwohner. Bürgermeister war Justizkommissar Johann Christian Krenkel. Er führte als erster den vom Landes­herren verliehenen Titel Oberbür­germeister. Langsam erholte sich die Stadt vom wirtschaftlichen Nieder­gang, der durch die Angliederung an Sachsen während der Napoleonzeit eingetreten war. Nach dem Wiener Kongress gehörte Cottbus wieder zu Preußen, doch das Reformwerk kam hier mit deutlicher Verzögerung zur Wirkung. Aber auch in Cottbus be­gann mit dem Ende der Zunftordnung und der Entstehung der ersten Fabri­ken langsam das industrielle Zeitalter. Pückler war noch weit von Branitz entfernt. Er schrieb aus England, Wales und Irland Briefe an Lucie in Muskau. Am Cottbuser Gymnasium bereitete sich Ludwig Leichhardt auf das Abitur vor. Die Handwer­ker, Ackerbürger und Lohnarbeiter verdienten sich mühevoll ihren Lebensunterhalt. Die Cottbuser Wochenschrift „Erzählungen zum Nutzen und Vergnügen“ berichtete Anfang Januar 1829 von ei­nem strengen Winter und dem Aufruf des Magistrats, Holz für die Armen zu spenden. Über den Arbeitsalltag der Menschen damals gibt es viele Zeugnisse. Von der Ge­staltung der Freizeit wissen wir we­niger. Für die arbeitenden Menschen wird sie sicherlich auf Tanzvergnü­gungen, Jahrmarktsvorführungen und seltene Wirtshausbesuche beschränkt gewesen sein. Anders die Cottbuser Oberschicht. Sie besaß mit dem „Ver­ein zur freundlichen Unterhaltung und Erholung“, kurz die „Societät“ genannt, schon seit 1793 einen Klub zur anspruchsvollen Freizeitgestal­tung. Die Wintergartengesellschaft „Zweck der Societät war“, so hieß es in den Statuten, „durch gesell­schaftlichen Umgang die morali­sche Bildung der Mitglieder durch Vorstellungen, Urteile und Sitten anderer rechtschaffener Menschen zu vervollkommnen und nach den täglichen Berufsgeschäften Erholung zu suchen.“ Gefragt waren „gefällige Umgangsformen“ und die Vermei­dung „gesellschaftlicher Fehler“. Man tagte und vergnügte sich zunächst in den Häusern der Mitglieder. Durch stattliche Mitgliedsbeiträge war Ex­klusivität gesichert. Nach einer Krise und der Neugründung erwarben die Vereinsmitglieder im Januar 1829, vor 190 Jahren, das Grundstück und das darauf befindliche Landhaus des Kaufmanns Keyling. Das ansehnliche Gebäude erhielt einen Garten mit exotischen Pflanzen, später ein Ge­wächshaus und eine Orangerie. Nun konnte das Vereinsleben eine neue Qualität erreichen. Die Pflanzen kamen im Winter in die Orangerie und „die Damen der Gesellschaft pflegten dann nachmittags in diesem ›Wintergarten‹ unter süd­ländischen Bäumen ihren Kaffee einzunehmen. Diese Gewohnheit hat dem Geselligen Verein den Namen ›Wintergartengesellschaft‹ eingetragen.“ Der Ort, ungefähr zwischen Gartenstraße und Straße der Jugend, dort wo der Stadtring am Hochhaus vorbeiführt, erhielt dann auch im Volksmund die Be­zeichnung Wintergarten. Im neuen Vereinsquartier entstanden bald Kegelbahn und Tennisplatz. Eine „zer­legbare“ Bühne ermöglichte Konzerte und Theateraufführungen. Sanierung und Ende Probleme gab es ebenfalls genug. Für den Bau der Eisenbahnlinie nach Görlitz mussten Grundstücksteile verkauft werden. Die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen führte den Verein fast in den Ruin. Altanschlie­ßerbeiträge blieben der Gesellschaft nur deshalb erspart, weil es noch kei­ne moderne Wasserversorgung gab. Im I. Weltkrieg befand sich ein Laza­rett in den Vereinsräumen. Ende der Zwanziger kam es zur Sanierung des Komplexes. Der Cottbuser Anzeiger schrieb dazu: „Die Innenausstattung ist der Neuzeit entsprechend und der Gesellschaft würdig ausgefallen und daher ist das Wintergartenlokal eine Zierde der Stadt Cottbus.“ Aber die Freude daran währte nur kurze Zeit. Nach 1939 wurde der Wintergarten wieder zweckentfremdet. Am 15. Feb­ruar 1945, beim alliierten Luftangriff, wurde das Vereinshaus stark beschä­digt. Damit endete dann die Geschich­te des ältesten Cottbuser Vereins. Heute gibt es in der Stadt über Tausend Vereine. Man ist Mitglied in Clubs, Sportvereinen, Fördervereinen oder bei den Hilfsorgani­sationen. Eine besondere Rolle spielen in Cottbus die Karnevalsvereine. Hier geht es nicht ausschließlich um Gaudi. In den Vorständen tummeln sich Unternehmer sowie aktive und frühere Lo­kalpolitiker. Beim „Steppen­den Adler“ und beim „Zug der fröhlichen Leute“ präsen­tieren sich Potsdamer und Cottbuser Honoratioren dann volksnah und werbewirksam.


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