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Das Friedrich-Wilhelms-Gymnasium im zweiten Jahrhundert

Das alte Cottbuser Gymnasium auf dem Oberkirchplatz. Foto: Stadtarchiv Cottbus

Das alte Cottbuser Gymnasium auf dem Oberkirchplatz. Foto: Stadtarchiv Cottbus

Im März 1820 erhielt die Cottbuser Lateinschule am Oberkirchplatz den Rang eines Gymnasiums. Die Feier zum hundertjährigen Bestehen der Schule fand wegen des Kapp-Putsches und den blutigen Kämpfen in und um Cottbus 1920 mit einem Monat Verspätung statt. Pünktlich erschien die Festschrift. Diese enthielt neben Betrachtungen zur Schulgeschichte auch ein „Verzeichnis der Abiturienten des Gymnasiums von Michaelis 1821 bis Ostern 1920“. Hervorgehoben werden dort jene ehemaligen Zöglinge, auf die die Stadt „mit Recht Stolz sein dürfte“. Deren Namen sind heute weitgehend in Vergessenheit geraten. Am ehesten erinnert man sich in Fachkreisen noch an Richard Koch, zur Jahrhundertwende Reichsbankpräsident, und den Armeeoberbefehlshaber im I. Weltkrieg, Bruno von Mudra. Der wohl bedeutendste Wissenschaftler, der in Cottbus Abitur machte, wurde 1920 nicht in die Gruppe berühmter Schüler eingereiht. Der Australienforscher Ludwig Leichhardt ist nur als Abiturient des Jahres 1831 erwähnt.
Ein zweites Verzeichnis der Festschrift ist erschütternd lang. Zwei Lehrer und 38 Schüler starben auf den Schlachtfeldern des I. Weltkriegen. Das sind allerdings nur jene, die unmittelbar von der Schulbank ins Feld zogen, Jugendliche, die sozusagen übergangslos von den unregelmäßigen französischen Verben ins französische Trommelfeuer gerieten. Dazu kommen acht gefallene ehemalige Lehrer und 159 Schüler, die zuvor an der Promenade das Examen gemacht hatten.
Die Schule, die heute das Gebäude des ehemaligen Gymnasiums nutzt, trägt den Namen Erich Kästner. Der Schriftsteller erinnerte in seinem Gedicht „Primaner in Uniform“ an diese Generation: „Der Rektor trat zum Abendbrot /bekümmert in den Saal. /Der Klassenbruder Kern sei tot. /Das war das erste Mal.“
Der nächste Krieg
Zwei Jahrzehnte im Frieden blieben den Lehrern und Schülern des Gymnasiums. Die sozialdemokratische Schulverwaltung schaffte Anfang der Zwanziger die Vorschule ab. Es gab erstmals Elternbeiratswahlen und warme Mahlzeiten. Am benachbarten Lyzeum konnten Mädchen jetzt nicht nur das Abitur machen. Sie wurden auch zu nahezu allen Studienfächern zugelassen. Nach 1933 begann dann zügig die Einbeziehung des Schulwesens in das nationalsozialistische Herrschaftssystem. Die Nazis schlossen jüdische Schüler von der gymnasialen Ausbildung aus. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion gab es wieder Not- und Kriegsreifeprüfungen. Die volljährigen Schüler meldeten sich freiwillig oder wurden eingezogen. Quartaner und Tertianer (Kl. 10 und                Kl. 11) rücken als Luftwaffenhelfer in die Flakstellungen ein. Nachts schossen sie mit der 8,8-cm-Flak auf alliierte Bombenflugzeuge und setzten vormittags recht und schlecht den Unterricht fort. Auch die noch jüngeren Jahrgänge waren einbezogen. Bei der ersten Sanierung des Gebäudes 1973 fanden sich die Protokolle der Luftschutzbeobachtung durch Schüler. Unter dem Dach war im Haus an der Promenade eine Beobachtungsstelle eingerichtet, die Flugbewegungen registrierte und Verstöße gegen die Verdunklungspflicht meldete. Die letzten Opfer waren dann die Schüler, die zum Volkssturm eingezogen wurden. Eine Liste der im II. Weltkrieg gefallenen Lehrer und Schüler existiert diesmal nicht. Sie wäre sicherlich nicht weniger lang, wie die aus dem ersten Krieg.
Die Nachfolger des Friedrich-Wilhelms-Gymnasiums
Durch die Schulreform in der DDR entstand seit 1959 die Allgemeinbildende Polytechnische Oberschule (POS) als Regeltyp. Die Hochschulvorbereitung übernahmen seit dieser Zeit die Erweiterten Oberschulen (EOS). Dort wurde ab 1983 der Direktübergang eingeführt, also der Besuch aller Kinder der Klassen 1 bis 10 in der POS und anschließend der Übergang der Kandidaten für das Hochschulstudium an die Klassen 11 und 12 der EOS.
Im historischen Gebäude des Gymnasiums in der Puschkinpromenade endete Anfang der Sechziger die Abiturausbildung. Die Erweiterte Oberschule „Dr. Theodor Neubauer“ (später kurz 1. EOS) bezog für zwei Jahrzehnte das benachbarte Gebäude der ehemaligen Augusta-Schule. Sie übernahm große Teile des Archivs des Friedrich-Wilhelms-Gymnasiums. Im Jahr 1982, nach dem das Konservatorium das Haus übernommen hatte, begann eine Odyssee: Über die Theodor-Storm-Straße und die Drebkauer Straße fand das Gymnasium dann seinen Platz an der Wendeschleife Hegelstraße in Sachsendorf. Ebenso oft wechselten die Namen. Aus „Dr. Theodor Neubauer“ wurde „Heinrich Heine“. Als Schule des Landkreises kehrte das Gymnasium mit dem Namen Pückler zum aristokratischen Ausgangspunkt zurück. 


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