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Cottbus im Aufbruch – Jetzt öffnet auch das Wendische Museum

- Vor 25 Jahren -
Musikalische Veranstaltung im Hof des Wendischen Museums. Foto: Wendisches Museum

Musikalische Veranstaltung im Hof des Wendischen Museums. Foto: Wendisches Museum

Im Sommer 1994 hatte das BUGA-Fieber Cottbus im Griff. Auf dem ehemaligen Pressefestgelände zeichneten sich die Konturen des großen Gartenprojektes ab. In der ganzen Stadt drehten sich Baukräne. Schloss­kirchquartier und Lausitzer Hof (heute Spree-Galerie), Pücklerpassage und Maritim-Hotel, Messehallen und Funkturm: Richtfeste und Erste Spa­tenstiche gehörten vor 25 Jahren zur Tagesordnung. Da hatten es andere Ereignisse schwer, Aufmerksamkeit zu finden. Ein neuer Trainer für den zukünftigen Regionalligisten Energie war der Zeitung nur eine Kurzmeldung wert. Fernziel sei die 2. Bundesliga. „Das scheint uns mit Herrn Geyer machbar.“ In der Mühlenstraße versammelten sich aber am 3. Juni 1994 trotz BUGA-Euphorie die Niederlausitzer und die Potsdamer Prominenz sowie ganz vie­le Freunde der sorbisch/wendischen Sprache und Kultur. Im sanierten Haus Nr. 12 war ein langjähriger Wunsch der ganzen Region in Erfüllung gegan­gen: In Cottbus eröffneten Domowina-Chef Jakub Brankatschk, Oberbürgermeister Walde­mar Kleinschmidt und Mi­nisterpräsident Manfred Stol­pe das Wendische Museum. Kleinschmidt: Das kulturelle Erbe von anderthalb Jahrtausenden bewahren Das 200 Jahre alte Haus Liersch war in den vergangenen drei Jahren zum Museum für die Geschichte und Kultur des westslawischen Volkes der Sor­ben/Wenden umgebaut worden. Zur Eröffnung steckten die Honoratioren auf dem schönen Innenhof die Ziele ab. Hier sollte ein Treffpunkt für kul­turinteressierte Deutsche und Sorben/Wenden entstehen. OB Kleinschmidt sprach von der „großen Verantwor­tung, das kulturelle Erbe von andert­halb Jahrtausenden zu bewahren.“ Dass das Haus zwar ein wendisches Museum sei, aber natürlich offen für alle ist, betonte der Domowina-Vorsit­zende: „Es ist eine gute Gelegenheit für die Deutschen, zu erfahren, mit wem sie seit tausend Jahren zusammenleben.“ Der Wunsch, den kulturellen Reich­tum des sorbisch/wendischen Volkes im Zentrum der Niederlausitz auch in einer ständigen Ausstellung zu zeigen, ist in Cottbus alt. Gotthold Schwela und Bürgermeister Adolf Varnhagen war 1908 die Einrichtung einer Wendischen Bauernstube zu danken. Nach 1952 zeigte das da­malige Bezirksmuseum in Branitz Exponate zur sorbisch/wendischen Lebensweise und Werke bildender Künstler. Seit 1980 gab es dort die Ausstellung „Dolnoserbske pismojst­wo“ - Niedersorbisches Schrifttum. In den Achtzigerjahren wurden die Pläne für ein eigenständiges Wendisches Museum konkreter. Die Stadt erwarb das Haus Liersch in der Mühlenstraße 12. Der Ratsbeschluss von 1988 stellte dem zukünftigen Museum die Aufga­be, die Geschichte der Niederlausitzer Sorben zu erforschen, die bestehenden Sammlungen zu erweitern und durch neue Ausstellungen die „historische Entwicklung der sorbischen Nationa­lität“ zu vermitteln. Der Wunsch und die Konzeption waren vorhanden. Aber erst nach der Wende konnte mit dem Umbau des Hauses begonnen werden. Der Schwung der BUGA-Vorbereitun­gen begünstigte dann die Vollendung des Projektes Wendisches Museum im Juni 1994. Wendische Wurzeln erkennen Gegenwärtig ist es etwas still um das schöne Haus. Nach zweijährigen Sanie­rungsarbeiten bereiten die Mitarbeiter die neue ständige Ausstellung vor. Das barrierefreie Museum zeigt dann auf der Grundlage neuester Erkenntnisse multimedial die ganze niedersorbi­sche Geschichte und Kultur. Auf dem stimmungsvollen Innenhof können die Besucher auch wieder musikalische Veranstaltungen erleben und plaudern. Die Aufgabe des Museums, Identität für das wendische Volk zu stiften, weist in die Zukunft. Die Niederlau­sitzer können hier ihre wendischen Wurzeln erkennen, ihre eigene Kultur wiederfinden. Das Museum erfüllt da­mit auch eine wichtige Bildungsfunk­tion, weil Heimatkunde im heutigen Schulunterricht kaum noch vermittelt wird. Für die wendische Community ist das Haus in der Mühlenstraße eine Institution des Austausches und der Erhaltung der Sprache. Theodor Fontane, der Brandenburgi­sche Jubilar des Jahres 2019, befürch­tete vor anderthalb Jahrhunderten in seinen „Wanderungen“, „dass eben das einzige, was aus der alten Wendenwelt noch zu uns spricht, ein Begrabenes ist. Alles geistig Lebendige ist hinüber.“ Hier irrte der Meister. Das Wen­dische Museum in Cottbus wird mit einer neuen Aus­stellung, mit Entdeckungen und Wiederentdeckungen, mit Vorträgen, Lesungen, Konzerten und Gesprächs­runden dazu beitragen, dass die wendische Kultur in der Niederlausitz lebendig bleibt.


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