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Lausitz-Lockdown: Zwischen Bangen und Hoffen

Die Corona-Pandemie hat auch die Lausitz nach wie vor fest im Würgegriff. Der verlängerte Lockdown verschärft dabei die Lage der Gewerbetreibenden. Bereits Anfang Januar treibt laut IHK-Umfrage fast jedes zweite Unternehmen akute Existenzangst um. Doch der Handel steht zusammen - das zeigt auch ein Bündnis.
Im Lockdown läuft das öffentliche Leben auf Sparflamme. Viele Geschäfte sind für den traditionellen Publikumsverkehr geschlossen. Vereinzelt werden Serviceleistungen angeboten. Foto: Peter Aswendt

Im Lockdown läuft das öffentliche Leben auf Sparflamme. Viele Geschäfte sind für den traditionellen Publikumsverkehr geschlossen. Vereinzelt werden Serviceleistungen angeboten. Foto: Peter Aswendt

»Ich sehe gerade wie meine Existenz, die ich mir in 12 Jahren harter Arbeit aufgebaut habe, in Gefahr gerät«, beschreibt Kosmetikerin Carolin Lehnigk aus Lübbenau stellvertretend die Tragweite der Situation, in denen sich vermutlich viele Kollegen der Beauty-Branche befinden. »Nach so langer Zeit des Lockdown wäre es angebracht, zu fragen, ob es überhaupt etwas bringt, Unternehmen zu schließen. Vermutungen sind nicht der richtige Weg. Welche Studie belegt, dass etwa ein Kosmetikstudio eine Infektionsgefahr darstellt?«, fragt sie und ärgert sich, dass auch nicht über Perspektiven aus dem Lockdown gesprochen wird. Der Situation völlig ausgeliefert Wie sie erzählt, war sie für ihr Studio bisher immer selbst verantwortlich: »Seit einem Jahr entscheiden nun andere für mich. Ich bin der Situation vollkommen ausgeliefert, wie ein stiller Beobachter - und kann nichts tun!« Zudem haben sie bis jetzt nur einen Abschlag der versprochenen Hilfen erhalten: »Ab Januar gibt es nur noch Fixkosten-Zuschüsse. Alle Kosten laufen jedoch weiter, geschäftlich wie privat - nur die Einnahmen fehlen. Welches Geschäft kann das auf Dauer ausgleichen?« Nicht vergessen dürfe man auch, dass, nicht sicher sei, ob Kunden, die jetzt wegbleiben, auch wiederkommen würden. »Reicht die Arbeit dann noch für eine Angestellte?«, stellt Carolin Lehnigk in den Raum. Und fügt an: »Ich habe Kundenhäute über Jahre auf ein Pflegeniveau gebracht und wenn die Haut nun so lange Zeit nicht behandelt werden darf, fängt man wieder bei Null an. Das ist sehr frustrierend für Kunde und Kosmetikerin.« Den Friseursalons geht es nicht viel besser. Wie Anja Müller von »LadiesFirst« in Senftenberg erzählt, schließen einige Kollegen bereits ihre Salons und melden Insolvenz an: »Die verschiedenen Onlineforen bilden hier ein düsteres Bild ab.« Sie selbst müsse darüber noch nicht nachdenken. Allerdings nur, weil Vermieter und Bank entgegenkommen und keinen Druck ausüben würden. Auch Familie und Freunde seien aktuell tröstende Stützen. »Ich versuche, positiv zu bleiben, denn ich kann die Situation nicht ändern. Krisen sind da, um sie zu bewältigen.« Positives Denken ist gesund, schützt aber nicht davor, »...nachts wach zu werden und darüber nachzudenken, wie es weitergehen kann. Immerhin verlassen sich auch fünf Mitarbeiter auf mich.« Für Anja Müller arbeiten auch Behörden zu langsam, dauern Genehmigungen zu lang: »Die Überbrückungshilfe III kann ich aktuell immer noch nicht beantragen.« Wie ein Schlag ins Gesicht Laut Jan Przybilski vom »Vital-Der Gesundheitsclub« in Senftenberg war der verlängerte Lockdown zu erwarten. »Allerdings sind wir maßlos enttäuscht vom Umgang der Regierung mit uns als Unternehmen und als Unterstützer des 1. Gesundheitsmarktes. Zum einen haben wir bis heute nur 50 Prozent der ersten Coronahilfe für den November erhalten und werden bei Nachfragen immer ›liebevoll‹ vertröstet. Uns steht das Wasser knapp unter dem Hals«, beschreibt er seine Lage. Dass Fitnessclubs zudem Individualsport verboten wurde, sei »...für uns ein Schlag ins Gesicht, denn bis auf die Beauty-Branche und uns haben die meisten Unternehmer noch die Möglichkeit, zumindest eingeschränkt ihre Kunden zu bedienen. In diesem Sinne können wir bei allem Verständnis für die gesamtgesellschaftliche Situation nur noch verbittert sein und sind es auch.« Ein Lichtblick: Bündnis will gemeinsam Zeichen setzen Bei diesem Frust ist es nicht verwunderlich, dass sich Gewerbetreibende zu Aktionsbündnissen wie etwa »#handelstehtzusammen« zusammenschließen. Es fordert eine zeitnahe Wieder-Eröffnung des stationären Einzelhandels oder angemessene Entschädigungen zur Sicherung der Unternehmensexistenzen und der damit verbundenen Arbeitsplätze sowie einen langfristen Planungshorizont. Bisher stehen über 6743 regionale und überregionale Fach- und Einzelhändler, Gewerbetreibende oder Dienstleister mit ihrem Namen hinter dem Bündnis. Mit einer virtuellen Unterschrift unterstützen sie die Forderungen des Bündnisses. Unterzeichnet haben neben anderen auch der Modeshop »elegance« von Katrin Schmeil aus Schwarzheide und das Damenmodengeschäft »Charisma« von Ina Pachtmann in Lauchhammer. Winterware adé »Mit dem Lockdown bleiben wir jetzt auf einen Großteil unserer Winterware sitzen. Das schmerzt sehr, denn mit diesen Einnahmen wollten wir eigentlich die Frühjahrsware finanzieren«, erzählt Katrin Schmeil. Wie sie berichtet, hat sie die Ware für den Sommer 2021 bereits im Sommer 2020 geordert. »Zum Glück schicken die Lieferanten die Frühjahrsware noch nicht, so lang die Läden zu sind. Diese finanzielle Belastung bleibt mir somit erst einmal erspart.« Trotzdem ist für die Geschäftsfrau die Verlängerung des Lockdowns bis zum 14. Februar hart. Sie schätzt, dass es wahrscheinlich auch nicht das Ende des Lockdowns sein wird. »Winterware adé«, bricht es Katrin Schmeil herunter, die seit elf Jahren ihren Laden führt.  »Es ist schlimm, was der Staat mit uns Einzelhändler macht. In vielen Betrieben arbeiten die Leute noch zusammen. Ich bin aber allein mit meinen Kunden - und daraus wird so ein Thema gemacht. Deshalb unterstütze ich die Forderungen des Aktionsbündnis.« Wie Ina Pachtmann sagt, macht den Einzelhändlern die Verlängerung des Lockdowns ganz schön zu schaffen, »...da man als kleiner Einzelhändler keine großen Rücklagen bilden kann.« Nach ihrem Verständnis seien die Einzelhändler nicht die Infektionstreiber. »Wir haben maximal zwei Kunden gleichzeitig im Laden - unter Einhaltung eines entsprechenden Hygienekonzeptes und natürlich mit den geforderten Masken. Wo ist hier jetzt mehr Gefahr als im Supermarkt?« Lockdown wie ein Berufsverbot Der Einzelhandel habe eben keine Lobby, die kleinen Selbstständigen würden hinten herunterfallen. »Wenn wir Einzelhändler nicht mehr da sind, sterben die Innenstädte aus«, mahnt Ina Pachtmann und fügt an, dass die Händler in den Innenstädten auch für eine gute Kommunikation zwischen Menschen sorgen: »Wir sind nicht nur Verkäufer, sondern auch Seelentröster.« Der Onlineverkauf sei für sie nichts. »Ich bevorzuge das persönliche Gespräch, die Beratung vor Ort. Das sind Dinge, die mir zurzeit sehr fehlen. Der Lockdown kommt einem Berufsverbot gleich.« Für Ina Pachtmann ist dieses nicht absehbare Ende des Lockdowns schlimm. »Ich denke, dass wird noch bis März so bleiben. Ob wir so einen langen Atem haben, weiß ich nicht.« Die Geschäftsfrau hat ihren Laden mittlerweile 25 Jahre. Aufgeben will sie nicht, sondern um ihn kämpfen »...wie ein Löwe. Ich liebe meine Arbeit. Das ist einfach meins. Ich lebe das.« • Das Bündnis »#handelstehtzusammen« ist im Internet unter www.handelstehtzusammen.de zu finden.


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