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Brandenburger Wirtschaft vom Corona-Virus stark ausgebremst

Das Gesamtbild der brandenburgischen Wirtschaft hat sich mit Erlass der Eindämmungsverordnung in den letzten drei Wochen völlig verändert. Die Corona-Krise wirkt sich in einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit und Stärke nahezu auf die gesamte gewerbliche Wirtschaft aus.
Logo: Industrie- und Handelskammern Brandenburg

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Der Saldo aus guten und schlechten Bewertungen der aktuellen Geschäftslage ist von plus 44 Punkten zu Jahresbeginn auf minus 17 Punkte abgerutscht. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Umfrage zur wirtschaftlichen Lage, die vom 25. März bis zum 1. April von rund 650 Unternehmen aus den Kammerbezirken der Brandenburger Industrie- und Handelskammern (IHK) in Cottbus, Ostbrandenburg und Potsdam beantwortet wurde.

Durch die behördlichen Schließungen sind das Gastgewerbe und der Handel am stärksten betroffen. Doch auch die Industrie und das Baugewerbe verzeichnen bereits geringere Auftragseingänge. Fehlende Waren und Vorprodukte sowie Personalausfälle erschweren die aktuelle Lage. Die Geschäftserwartungen werden in allen Branchen von einer großen Unsicherheit überschattet. 67 Prozent der Unternehmen rechnen in den kommenden Monaten aufgrund stark rückläufiger Nachfragen aus dem In- und Ausland mit einer schlechteren Geschäftslage.

Die völlig unklare Entwicklung wirkt sich auch negativ auf die Investitions- und Beschäftigungsabsichten der Unternehmen aus. Der private Binnenkonsum war in den vergangenen Jahren wichtigster Impulsgeber für die wirtschaftliche Entwicklung. Gerät dieser weiter ins Stocken, wirkt sich das auf alle Wirtschaftszweige aus. Umso besorgniserregender ist es, dass ein Drittel der befragten Unternehmen einen Personalabbau als unumgänglich betrachtet. Das Gros versucht allerdings, ihr Personal zu halten. Dabei greifen 55 Prozent der Unternehmen auf das Kurzarbeitergeld zurück, 44 Prozent stellen ihr Personal durch Urlaub und Überstundenabbau frei, 32 Prozent bieten Home-Office an.

Entscheidend für eine rasche wirtschaftliche Erholung nach der Krise ist das Aufrechterhalten der Unternehmensliquidität. Die Hälfte aller befragten Unternehmen sieht ihre Zahlungsfähigkeit längerfristig und fast ein Drittel aktuell sogar als akut gefährdet. Schnelle, unbürokratische, direkte Zuschüsse durch Bund und Land werden von 74 Prozent der Befragten als dringend notwendig erachtet. Weitere Unterstützungsmaßnahmen sehen die Unternehmen in befristeten Steuererleichterungen, Kostenentlastungen z. B. bei der Gewerbemiete und schnell verfügbaren Krediten ohne langwierige Bonitätsprüfung.

Marcus Tolle, Hauptgeschäftsführer der IHK Cottbus: „Die fast völlige Stilllegung des stationären Handels hat existentielle Auswirkungen für die gesamte Branche. Natürlich gibt es tolle Bespiele, wie Unternehmen kreativ mit der Krise umgehen: Sie nutzen die Digitalisierung jetzt als Chance, bieten ihre Produkte der Stammkundschaft über Online-Plattformen, Direktkontakt per Videocall, selbsterstellte Videos in Social Media und neu eingeführtem Liefer- und Abholservice an – doch sie kämpfen ums Überleben! Ihr Laden ist voller Ware, das Ostergeschäft verloren und gerade jetzt zum Saisonwechsel stehen viele Verbindlichkeiten an. Nur durch die Lage bei Großhändlern und Händlern, die Waren des täglichen Bedarfs vertreiben, wird das Gesamtbild im Handel etwas aufgewertet. Die von der Politik auf den Weg gebrachten Hilfen müssen an die aktuelle Situation angepasst und weiterentwickelt werden, um langfristig ein flächendeckendes Unternehmens- und Innenstadtsterben zu verhindern. Um die Wirtschaft nach der Krise wieder in Gang zu bringen, braucht es ein bundeseinheitliches Vorgehen.“

Mario Tobias, Hauptgeschäftsführer der IHK Potsdam, sagt:
„Die Corona-Krise macht auch vor der Industrie nicht halt. Zwar beurteilt die Mehrheit im produzierenden Gewerbe die aktuelle Lage noch als überwiegend gut, doch der Blick auf die kommenden Monate verfinstert sich wie nie zuvor. Über 60 Prozent der Industrieunternehmen rechnen mit schlechteren Geschäften. Lieferketten sind durch Grenzschließungen unterbrochen, die in- und ausländische Nachfrage bricht weg, Investitionen werden massiv zurückgefahren. Industriebetriebe haben zwar häufig eine bessere Kapitaldecke als kleine Einzelhändler oder Gastronomen. Aber auch hier gibt jedes zweite Unternehmen an, bereits in der aktuellen Situation akut gefährdet zu sein, weshalb langfristige Stützungsmaßnahmen über Steuererleichterungen wichtiger sind denn je. Insbesondere weil die Soforthilfeprogramme von größeren Firmen nicht in Anspruch genommen werden können, ist es unerlässlich, dass Überbrückungskredite unbürokratisch und mit langen Zahlungszielen ohne langwierige Bonitätsprüfung ermöglicht werden. Dies ist bereits heute für jedes vierte Industrieunternehmen von Bedeutung. Die Unternehmensrückmeldungen zeigen uns, dass hier politisch nachgesteuert werden muss.“

Gundolf Schülke, Hauptgeschäftsführer der IHK Ostbrandenburg:
„Der Zeitpunkt könnte für die Tourismusbranche nicht schlechter sein, mit Beginn des Frühlings und zu Ostern starten die Unternehmen in die Saison und holen die umsatzschwachen Monate zu Beginn des Jahres auf. Dieser Schwung fehlt nun und bringt die touristischen Unternehmen in starke Liquiditätsengpässe. Lohn- und Mietkosten sowie Kreditraten werden zu einem existenziellen Problem. Durch eine hohe regionale Verflechtung mit anderen Branchen wie Reinigungen, Lebensmittellieferanten und Druckereien sind auch diese stark betroffen. Wir brauchen weitere Unterstützung, gerade für die klein- und mittelständischen Unternehmen in unserer Region. Dazu zählen: weitere Entlastungen durch Steuer- und Kostenerleichterungen, Umschuldungen oder Änderungen des Infektionsschutzgesetzes zur Ausgleichszahlung. Auch jeder Einzelne kann seinen Beitrag leisten, in dem er beispielsweise auf Erstattungsansprüche verzichtet. Die Initiative „Wir FAIRzichten“ hilft dabei: www.wir-fairzichten.

pm/Industrie- und Handelskammer Cottbus


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