Der Juryreport ist da. In Zittau weiß man jetzt, welche Punkte der eigenen Kulturhauptstadtbewerbung gut waren und woran man letztlich scheiterte.
Es sind 26 eng beschriebene Seiten. Sie geben nicht nur eine mit Empfehlungen versehene Beurteilung der fünf auf die Shortlist vorgerückten Städte, sondern gehen auch detailliert auf die drei nicht berücksichtigten Kandidatenstädte Dresden, Gera und Zittau ein. Im Dezember war bekanntgeben worden, dass es Zittau nicht auf die Shortlist geschafft hat. Am 24. Januar hat die Jury der Europäischen Kommission nun ihren schriftlichen Report zur Vorauswahl im deutschen Wettbewerb um den Titel „Kulturhauptstadt Europas 2025" veröffentlicht. Die Stadtverwaltung Zittau hat sich natürlich mit dem Report befasst. „Die Beurteilung der Jury deckt sich zum Teil mit unseren eigenen Einschätzungen im unmittelbaren Nachgang von Präsentation und Entscheid am 12. Dezember 2019“, heißt es in einer entsprechenden Mitteilung.
Die Jury bemängelt insbesondere die noch nicht detailliert genug ausgearbeitete strategische Zielsetzung des bid books und das nur in Ansätzen ausformulierte Kulturprogramm für 2025 und kommt zudem zu dem Schluss, dass die Finanzplanung zu stark auf die Zusagen von Bund und Freistaat setzt und eine zu geringe Eigenkapitalquote aufweist. Die Jury traut der Region noch nicht zu, Gastgeber für eine Veranstaltung dieser Größenordnung zu sein. „Das ist ärgerlich“, kommentiert Oberbürgermeister Thomas Zenker, „weil wir dort nach Prüfung des Vorhandenen aber auch der Potenziale eine deutlich andere Auffassung haben. Damit wird das Thema des ländlichen Raums als Nachteil wieder einmal ganz nach Klischee betont." Die Jury hatte laut des Reports auch das Gefühl, dass das bid book der Zittauer Bewerbung nicht ausreichend auf die Erfahrungen vergangener und aktueller Kulturhauptstädte zurückgreift. Die Motive „365° Leben und „365° Europa“ seien zu unklar (wörtlich heißt es in dem in englischer Sprache verfassten Report „enigmatic“).
Jury lobt Potenzial
Doch die Jury hat nicht nur kritikwürdige Punkte ausgemacht. So lobt man ausdrücklich das große Potenzial der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und sieht ebenfalls großes Potenzial in Investitionsvorhaben wie der Umwandlung der leerstehenden Industrieanlage von Robur in einen Ort der Erinnerung und des Dialogs und der Schaffung eines Europäischen Kreativitätszentrums. Diese Ideen seien es wert, weiterentwickelt und umgesetzt zu werden. Gelobt wird auch, dass den Menschen im Rahmen eines
Bürgerentscheids die Möglichkeit gegeben wurde, selbst über die Bewerbung abzustimmen.
Im Fazit heißt es unter anderem, dass Zittau wichtige Geschichten über grenzübergreifende Schwierigkeiten aber auch Kooperationen zu erzählen hätte, von denen ganz Europa lernen könne. Die Jury erkenne den Enthusiasmus und die Energie des Projektteams, das Engagement des Bürgermeisters und die künstlerischen und erzählerischen Elemente der Präsentation an, dass bid book sei aber letztlich nicht weit genug entwickelt gewesen. „Aus dem Jurybericht wird klar," so Oberbürgermeister Thomas Zenker, „dass es uns trotz aller Anstrengungen nicht gelungen ist, den Nachteil eines späten Eintritts in den Wettbewerb auszugleichen und strategisch und strukturell aber auch in der Finanzplanung weit genug voranzukommen.“ Es scheine zudem, dass die Jury die Grundidee einer trinationalen und auch von allen drei Ländern getragenen Bewerbung zwar anerkennt, aber nicht vollends von ihrer Tragfähigkeit überzeugt sei.
„Wir haben gehofft, dass unsere großen Anstrengungen in Sachen Bürgerbeteiligung – vom Bürgerentscheid bis zum starken Agieren des Freundeskreises – nicht nur Randnotizen für die Jury sind," ergänzt Kai Grebasch, Projektverantwortlicher Zittau2025 bei der Stadt Zittau. „Dem war nun leider nicht so."
In Ihrem Fazit würdigt die Jury die seit 1945 in der Region geleistete Arbeit und schließt mit den Worten: „Das Gremium möchte das Team, die Stadt Zittau und die 3-Länder-Region ermutigen aus den ECoC-Vorbereitungen Nutzen zu ziehen und weiterhin in Kultur als Schlüsselelement zur räumlichen Entwicklung zu investieren.“
Neuer Versuch dank Polen oder Tschechien?
Stadt Zittau und Landkreis Görlitz werden nun mit den Nachbarregionen beraten, ob eine Bewerbung aus Polen oder Tschechien Chancen hat und wie sie durch die deutsche Seite und ihre Erfahrungen aus dem Wettbewerb unterstützt werden kann. „Der Freistaat Sachsen stellt uns jetzt 200.000 Euro zur Verfügung, um Ideen und Projekte aus dem bisherigen Verfahren umzusetzen bzw. umsetzungsreif zu machen. Dafür sind wir sehr dankbar, denn die Enttäuschung bei all denen, die unsere Bemühungen im Titelrennen so intensiv unterstützt haben, sitzt natürlich tief," kommentiert Oberbürgermeister Zenker.