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Teilhabechancengesetz: Wie bitte?

Mit einem neuen Gesetz steigen die Chancen von Langzeitarbeitslosen auf einen Job, denn die Anreize für interessierte Unternehmen sind so groß, wie lange nicht. Das riecht verdammt nach staatlich subventionierter Wettbewerbsverzerrung. »Tut es nicht«, meint der Chef des Jobcenters im Landkreis Sächsische Schweiz - Osterzgebirge.
Die Agentur für Arbeit Pirna. Foto: Schramm

Die Agentur für Arbeit Pirna. Foto: Schramm

  In der Statistik gilt man als Langzeitarbeitsloser, sofern man seit zwölf Monaten (und mehr) ohne Arbeit ist. »Je länger die Arbeitslosigkeit, desto schwieriger der Wiedereinstieg ins Berufsleben«, zitiert Jobcenter-Chef Michael Kühne eine weitbekannte Faustformel der Fallmanager. Oberstes Ziel also: Die Pause kurz halten, Menschen schnellstmöglich wieder in Lohn und Brot bringen. Das ist nicht erst seit gestern so. Neu ist allerdings ein Instrument mit dem freundlichen Titel »Teilhabechancengesetz«. Es gilt seit 1. Januar 2019, ist vier Milliarden Euro schwer und schafft für Unternehmen hohe finanzielle Anreize, dass aus Langzeitarbeitslosen erst Mitarbeiter und später solide Arbeitsmarktteilnehmer werden.

Der Lohnzuschuss ist quasi eine Übernahme

Im Landkreis Sächsische Schweiz – Osterzgebirge fallen reichlich 2.300 Menschen in die Kategorie »langzeitarbeitslos«. Nicht alle von ihnen erfüllen jedoch die Voraussetzungen für´s Teilhabechancengesetz. Es richtet sich an zwei Gruppen: »Menschen, die mindestens zwei Jahre arbeitslos sind, erhalten im ersten Jahr 75 Prozent und im zweiten Jahr 50 Prozent Lohnkostenzuschuss«, erklärt Kühne weiter. Zudem bekommen sie einen Coach an die Seite gestellt. Heißt de facto: Auch nach dem Beginn des Arbeitsverhältnisses wird sich um den Menschen im behördlichen Auftrag noch gekümmert.  »Die Betreuung des Arbeitnehmers ist keine fakultative Angelegenheit, sondern obligatorisch«, fügt Arbeitsagentur-Chefin Regine Hildebrand hinzu. Allerdings reicht das hauseigene Personal dafür nicht, muss also extern eingekauft werden. Die Ausschreibungen laufen schon. Die zweite und nach Kühnes Worten weitaus schwierigere Gruppe sind junge Menschen ab 25 Jahren, die mindestens seit sechs Jahren Grundsicherung beziehen. Unternehmen, die diesen Leuten eine Chance geben, können die ersten beiden Jahre mit einem Lohnzuschuss (Übernahme) von 100 Prozent rechnen und die weiteren drei Jahre mit 90, 80 und 70 Prozent. Auch hier gibt es einen Coach und Weiterbildungsmaßnahmen bis zu 3.000 Euro. Das Amt zahlt in beiden Fällen mindestens Mindestlohn, wenn es nötig ist, auch ortsüblichen Lohn. Selbst Tariflohn ist drin, sofern das die Firma dem Rest der Belegschaft gewährt.

»Viel zu weit weg vom Arbeitsmarkt«

 »Es wird kein Langzeitarbeitsloser dazu gezwungen. Die Teilnahme ist freiwillig«, so Kühne. Heißt also: Bei Nichtmitwirkung hagelt es diesmal keine Sanktionen. Ausschlusskriterien auf Arbeitgeberseite gibt es keine – so lange es sich um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung handelt.  In der engeren Wahl sind im Agenturgebiet gegenwärtig 60 Langzeitarbeitslose.
Dass mit dem neuen Instrument Jobs in der Privatwirtschaft subventioniert werden und es dadurch zu Wettbewerbsverzerrung kommen könnte, befürchtet Michael Kühne nicht. »Sie müssen wissen, dass diese Menschen mitunter so weit weg sind vom Arbeitsmarkt, dass ihre Produktivität keine Konkurrenz darstellt oder zu einer Marktverfälschung führt«, sagt er.  Gleichwohl gibt er zu, dass man nicht wisse, ob und wie das Teilhabechancengesetz sich in der Realität bewährt. Ende des ersten Quartals 2019 geht´s los.


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