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Kampf gegen die Kündigung

Plötzlich hielt Frank-Dieter Schiller seine fristlose Kündigung in der Hand. Er war bei den Untersuchungen zum Prüfungsskandal an der Rothenburger Polizeihochschule ins Visier der Ermittler geraten.
Frank-Dieter Schiller arbeitete 10 Jahre an der Polizeihochschule in Rothenburg, bevor er fristlos entlassen wurde. Foto: Keil

Frank-Dieter Schiller arbeitete 10 Jahre an der Polizeihochschule in Rothenburg, bevor er fristlos entlassen wurde. Foto: Keil

Das Kündigungsschreiben ist lang. Die Vorwürfe, die letztlich zur Kündigung führten aber schnell zusammengefasst. Frank-Dieter Schiller soll sich an der Polizeihochschule Rothenburg bezahlte Pausen erschlichen haben. Außerdem stand der Verdacht im Raum, er habe unrechtmäßig Urkunden vernichtet. Keine Anhörung, keine Abmahnung, fristlos entlassen am 3. Juli 2019. Wenn er heute darüber spricht, fällt ihm das immer noch schwer. Zu sehr haben ihn die Anschuldigungen getroffen. Seit 2009 war der heute 58-Jährige an der Polizeihochschule beschäftigt, war Sachbearbeiter im Referat Studienangelegenheiten. Für einige Zeit arbeitete er mit dem Mann in einem Büro, der Klausuraufgaben an Polizeischüler weitergegeben haben soll und so den Prüfungsskandal an der Schule ins Rollen brachte. Geahnt habe er davon nichts, sagt Schiller. Aber es genügte, um ihn verdächtig zu machen. Das Landeskriminalamt hatte im Zuge der Ermittlungen zum Prüfungsskandal auch gegen Schiller eine Ermittlung begonnen. Darauf wird auch in der Kündigung eingegangen. Der im Raum stehende Verdacht sei dazu geeignet »Ihr berufliches Ansehen und das der Polizei und der Hochschule in der Öffentlichkeit erheblich zu schädigen.« Die fristlose Kündigung daher zwingend erforderlich. Das Ermittlungsverfahren stellte die Staatsanwaltschaft später ein, doch für Frank-Dieter Schiller kam das zu spät.

Arbeitszeitbetrug und Urkundenunterdrückung?

Den vermeintlichen Arbeitszeitbetrug, der letztlich Hauptgrund für die fristlose Kündigung war, erklärt er mit einer aus seiner Sicht »völlig unklaren Dienstvereinbarung«. Montag bis Donnerstag stempelte er korrekt. Bei Arbeitszeit von acht Stunden oder mehr wird die Mittagspause automatisch abgezogen. »Ich habe an diesen Tagen oft mehr als acht Stunden gearbeitet«, sagt Schiller. Aufgrund gleitender Arbeitszeiten waren es dann an Freitagen auch mal weniger als sechs Stunden. In solchen Fällen wird die Pause aber nicht automatisch abgezogen. »Das habe ich nicht gewusst. Es war ein Missverständnis, auf das ich aber nie hingewiesen worden bin«. Das Arbeitsgericht kam später zu der Einschätzung, dass er zwar einen Fehler gemacht, mangels Vorsatz aber keinen Arbeitszeitbetrug begangen habe. Bleibt der Vorwurf der Urkundenunterdrückung. Was  ihm da konkret vorgeworfen wurde, erfuhr Schiller erst im März 2020, als ein Brief der Staatsanwaltschaft Görlitz ins Haus flatterte, in dem stand, dass das Ermittlungsverfahren gegen ihn eingestellt wurde. Im Raum stand der Verdacht, dass Schiller unrechtmäßig Urkunden vernichtet hatte. Wie sich herausstellte, waren die besagten Unterlagen aber tatsächlich fehlerhaft, damit Müll und zu vernichten. So stellte es das Landeskriminalamt bei seinen Untersuchungen fest.

Die Vorwürfe wurden fallengelassen

Für den gebürtigen Oppacher war die fristlose Kündigung ein riesiger Schock. Hinnehmen wollte er sie nicht, suchte sich einen Anwalt. Der reichte eine Kündigungsschutzklage ein. »Ursprünglich war mein Ziel, den Job wiederzubekommen, weil ich mir sicher war, dass die Kündigung nur ein Missverständnis sein konnte«, sagt Schiller.  Bei zwei Gerichtsterminen (ein Gütetermin und ein Kammertermin) merkte er aber, wie zerrüttet das Verhältnis war. Letztlich endete die Klage im Dezember 2019 beim Kammertermin vor dem Arbeitsgericht Bautzen mit einem Vergleich, der Frank-Dieter Schiller rehabilitierte. Der Freistaat Sachsen als Beklagter erklärt in dem Vergleich, an den Vorwürfen, die zur Kündigung führten, nicht mehr festzuhalten. Aus der fristlosen wurde eine ordentliche Kündigung. Das ausstehende Gehalt bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses wurde gezahlt, außerdem gab es eine Abfindung.

Schadensersatz gefordert

Was bleibt, ist der Verlust des Jobs und der in Mitleidenschaft gezogene Ruf. Deswegen habe er sich auch an die Medien gewandt, um das richtigstellen zu können. »Ich verstehe ja, dass die Situation an der Polizeihochschule durch den Prüfungsskandal schwierig war«, sagt Schiller. Eine Kündigung anhand »vager Verdächtigungen und Anschuldigungen«, dürfe sich aber bei anderen Kollegen nicht wiederholen. Beendet ist das Thema für ihn noch nicht. Auf eine Dienstaufsichtsbeschwerde wurden keine Ermittlungen eingeleitet, weil Schiller dazu laut eines Schreibens des Innenministeriums dem Vergleich nicht hätte zustimmen dürfen. »So eine Antwort des Landespolizeipräsidenten zu bekommen, hat mich wirklich empört. Man hat mich einfach abgebügelt und sieht offenbar keinen Handlungsbedarf«, sagt Schiller.  Er hat daraufhin eine Online-Petition an den Sächsischen Landtag eingereicht. »Ich erwarte keine Entschuldigung, aber eine angemessene Aufarbeitung«, schreibt er
darin. Eine Schadensersatzforderung gegen eine ehemalige Kollegin wegen Mobbings läuft noch. Sie hatte für einen halbes Jahr das Referat Studienangelegenheiten unterstützt und mit Frank-Dieter Schiller in einem Büro zusammengearbeitet. In dieser Zeit verfasste sie mehrere Vermerke über ihn, die seine Fähigkeiten als Sachbearbeiter in Frage stellen. Für Frank-Dieter Schiller ist es ein Unding, dass sich eine Kollegin (keine Vorgesetzte wohlgemerkt), noch dazu gerade erst frisch an der neuen Stelle eingesetzt, so über ihn äußert. In den Regelbeurteilungen zu seiner Arbeit hatte er zuvor stets ein positives Zeugnis bekommen. Eine erste Schadensersatzforderung wurde zurückgewiesen. »Deswegen ziehe ich in Erwägung, Klage zu erheben«, sagt Schiller. Außerdem hat er sich mit einem Schreiben an den Datenschutzbeauftragten gewandt, weil er den Verdacht hegt, dass im Rahmen der Untersuchungen zum vermeintlichen Arbeitszeitbetrug personenbezogene Daten missbräuchlich verwendet wurden.

Kein Kommentar der Hochschule

Der WochenKurier hat auch um eine Stellungnahme des Innenministeriums gebeten. Das hat unsere Anfrage offenbar an die Polizeihochschule weitergeleitet. Von dort bekamen wir die Antwort: »Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen arbeitsrechtlichen Sachverhalt, der, wie es in jedem Unternehmen der Fall ist, üblicherweise nicht öffentlich behandelt wird. Diesem Grundsatz folgt auch die Hochschule der Sächsischen Polizei.«


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