Thomas Schulz/kun

Zwischen Gestern & Jetzt

Weißwasser. Marcus Henschel sucht das Gestern im Heute: Mit seiner Kamera, alten Stadtfotos und einem präzisen Blick dokumentiert er, wie sich Weißwasser verändert hat. Seine Bildvergleiche berühren - bald gibt's sie auch als Buch.
Mit seiner Kamera ist Marcus Henschel in Weißwasser unterwegs, um festzuhalten, wie sich die Stadt verändert.

Mit seiner Kamera ist Marcus Henschel in Weißwasser unterwegs, um festzuhalten, wie sich die Stadt verändert.

Bild: Thomas Schulz

Es gibt Menschen, die verlassen ihre Heimat - und bleiben ihr doch verbunden. Marcus Henschel ist so jemand. Vor über 20 Jahren zog es ihn aus Weißwasser fort, heute lebt der 40-Jährige mit seiner Familie bei Landshut in Bayern. Die Verbindung zur alten Heimat aber ist geblieben - sichtbar in Tausenden Fotos, die Geschichte lebendig machen.

Henschel ist der Mann hinter dem Bildband »Alte Zeiten, neue Seiten«. 2019 erschien die erste Auflage, die historische Postkarten mit aktuellen Fotos vergleicht - schnell war sie vergriffen. »Gerade auf dem Weihnachtsmarkt war die Nachfrage enorm«, erinnert er sich. Bis heute werde er gefragt, wann Nachschub komme. Jetzt ist es so weit: Band zwei ist in Arbeit.

Im Urlaub war Henschel wieder mit Kamera unterwegs, auf der Suche nach bekannten Orten von einst. »Viele sagten: Meine Ecke fehlt noch, mein Haus ist nicht drin. Das war ein Ansporn«, so Henschel.

Das Prinzip bleibt: Links im Buch ein altes Bild, rechts das aktuelle - möglichst aus exakt derselben Perspektive. »Ich bin dabei nichts ohne meine Frau«, sagt er. Sie hält ihm das iPad mit dem alten Motiv, während er den genauen Standpunkt sucht. Licht, Blickwinkel, Brennweite - vieles muss passen. Photoshop kommt nur sparsam zum Einsatz. Doch nicht jeder Versuch gelingt. »Das viele Grün heute ist ein Problem. Manche Gebäude sieht man kaum noch«, sagt Henschel.

Von rund 3.000 geplanten Fotos schaffen es vermutlich nur etwa ein Drittel ins Buch. Trotzdem: Die Mühe lohnt sich. Marcus Henschel sagt auch: »Ich kenne mich heute in Weißwasser viel besser aus als früher, als ich noch hier wohnte.«

Seit rund zehn Jahren beschäftigt er sich intensiv mit Stadtgeschichte. Etwa 250.000 historische Bilder hat er gesammelt - Postkarten, private Aufnahmen, digitale Einsendungen, oft aus der Bevölkerung. »Manche Leute laden mich nach Hause ein und zeigen mir Kartons voller Fotos«, erzählt er. Austausch gibt es über eine Facebook-Gruppe »Alte Zeiten, neue Seiten« mit über 3300 Mitgliedern. »Zwei bis drei kommen pro Woche dazu«, sagt Henschel. Fast täglich erreichen ihn Anfragen - oft mit der Frage, ob er ein bestimmtes Gebäude auf einem alten Bild habe.

Beruflich ist Henschel kein Historiker, sondern Fachkraft für Schutz und Sicherheit. Als operativer Leiter der Konzernsicherheit am Flughafen München ist er für über 120 Mitarbeitende verantwortlich. Die Arbeit am Bildband ist ein zeitintensives Hobby. »Zwei bis drei Feierabende pro Woche gehen drauf. Das geht nur mit einer toleranten Familie.«

Warum das alles? »Weil ich es schade finde, dass viele über Weißwasser schimpfen. Klar hat sich die Stadt verändert. Aber nicht alles war früher besser - und nicht alles ist heute schlecht«, sagt er. »Ich möchte, dass sich die Menschen wieder mehr mit ihrer Stadt identifizieren und ein bisschen auch stolz auf ihre Stadt sind, weil die ja eine durchaus schöne Stadt ist.«

Der neue Bildband soll noch dieses Jahr erscheinen - rund 175 Seiten stark. Der Titel steht noch nicht fest, doch das Konzept bleibt: alte Zeiten, neue Seiten. Weißwasser ist für Marcus Henschel mehr als ein Ort auf der Landkarte. Es ist Teil seiner Geschichte - und irgendwie auch seiner Zukunft.


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