

Sie sind die mit Abstand jüngste Gruppe im Ewald-Meltzer-Heim. Zwischen 20 und 35 Jahren jung sind die Bewohnerinnen und Bewohner in Wohnung F. Seit April ist die Gruppe aus sieben Personen in einer eigens entwickelten und eingerichteten Wohngruppe im Katharinenhof untergebracht. Bei ihnen allen wurde Autismus diagnostiziert. Wenn man das Wort Autismus hört, dann denkt man sofort an hochintelligente Menschen mit Inselbegabungen, wie bei Dustin Hofmann im Hollywood-Film „Rain Man“. Diese eher milde Form nennt sich Asperger-Syndrom. Asperger- Patienten werden im Katharinenhof allerdings nicht aufgenommen.
Bei Yvette Mudra und den anderen in der Gruppe tritt der Autismus zusätzlich zur geistigen Behinderung auf. Während in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung bewusst auf Nähe und gezielte Reize gesetzt wird, so haben Menschen mit Autismus klarer definierte Grenzen. Sie ziehen sich schneller zurück und brauchen eine reizarme Umgebung. Sie sind in schwierigen Situationen eher überfordert und zeigen dann möglicherweise ein auffälliges Verhalten. Bereits Dekoration im Zimmer kann diese Überforderung auslösen. Wenn ein Mitarbeiter beispielsweise urlaubs- oder weiterbildungsbedingt nicht da ist, kann das zu Problemen führen und sich ein Einzelner der restlichen Gruppe gegenüber in dieser Zeit verschließen. Wo diese Grenzen genau liegen, heißt es immer wieder neu herauszufinden. Ein fortwährendes Analysieren durch die verantwortlichen Mitarbeiter im Wohnen oder der Werkstatt hilft sowohl dem oder der Einzelnen, als auch der Gruppe im Ganzen. Lösungen für diese Probleme finden Mitarbeiter und Bewohner immer gemeinsam.
Die Lage des Ewald-Meltzer-Heims in ruhiger Umgebung und etwas außerhalb des Trubels des Katharinenhofs sorgt für eine reizarme Atmosphäre. Trotzdem bietet die offene Einrichtung die Möglichkeit, dass sich Menschen mit Autismus so einbringen können, wie es ihren Bedürfnissen entspricht. Dafür stehen auch ein höherer Personalschlüssel und eine spezielle Raumgestaltung innerhalb der Gruppe nach dem TEACCH-Konzept zur Verfügung. Ziel ist es dabei, in einem geschützten Raum, mit einer kleinen Gruppe von bis zu sieben Personen, die Stärken der Betroffenen zu fördern, statt Defizite zu behandeln. Routinen zu entwickeln und dem Tagesablauf eine Struktur zu geben, sollen herausfordernde Verhaltensweisen reduzieren.
Bisher ist dieser Leistungstyp für Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung und geistiger Behinderung in Sachsen kaum und in der Oberlausitz gar nicht vertreten, teilt das Diakoniewerk Oberlausitz mit. In Zusammenarbeit mit der Autismusambulanz Kleinwachau und der Autismusberatungsstelle in Dresden will man das ändern und sich als feste Größe in der Betreuung von behinderten Menschen mit Autismus entwickeln. Weil es keine vergleichbaren Angebote gibt, ist die Wohngruppe im Katharinenhof nicht nur für den Raum Herrnhut interessant, sondern für den kompletten Landkreis und den Raum Ostsachsen.
Die aktuelle Wohngruppe ist bereits voll belegt. Zeigt sich ein größerer Bedarf, kann aber eine zweite Gruppe etabliert werden. „Wichtig ist, dass die Personen volljährig sein müssen, denn es braucht ein gewisses Maß an Selbstständigkeit“, sagt Mitarbeiter Markus Schuster. Wer an einem Betreuungsplatz oder einer Beratung interessiert ist, der kann sich an den Sozialdienst des Diakoniewerks wenden. Hier wird gemeinsam besprochen, was die beste Lösung ist. Denn das muss nicht immer der Umzug in eine Wohngruppe sein. „Manchmal ist es auch besser, dass die Person im gewohnten Zuhause bleibt, damit nicht zu viel Veränderung stattfindet. Dann ist auch eine ambulante Betreuung denkbar“, so Markus Schuster.