Manuela Dietze/spa

Mit Herzblut für seine Stadt unterwegs

Bautzen. Andreas Thronicker ist ein bekannter Stadtführer aus Bautzen. Während eines speziellen Rundgangs mit dem WochenKurier haben wir eins bemerkt: Die Leidenschaft für seine Tätigkeit und die vielen unentdeckten Geheimnisse von Bautzen.

Stadtführer Andreas Thronicker ist stets mit seinem treuen Gefährten »Odin« unterwegs.

Stadtführer Andreas Thronicker ist stets mit seinem treuen Gefährten »Odin« unterwegs.

Bild: Manuela Dietze

Nicht viele Touristen finden den Weg zur Heiliggeistbrücke. Dabei ist die Geschichte des Areals vielschichtig und die Gebäude rundherum monumental. Sie erzählen von Menschlichkeit und Nächstenliebe, sind gezeichnet von den Anforderungen des Handels in der mittelalterlichen Stadt und die Nutzung der Spree für die Versorgung der Stadtbevölkerung. Ist man mit Andreas Thronicker unterwegs, dann wird es emotional. Seine Erklärungen haben Witz, manchmal wird ein wenig geflunkert und oft gibt es Bezüge zur Gegenwart.

 

Keine Schauergeschichte

 

Die Erzählung zur Frankensteinschen Mühle beginnt Andreas Thronicker mit: »Hier lebte ein Frankenstein«. Natürlich nicht Mary Shelleys Dr. Frankenstein, obwohl der kolossale Gebäudekomplex in seinem ruinösen Zustand zweifellos eine passende Kulisse für einen Horrorfilm bieten würde. Der Stadtführer hält sich im Weiteren doch eher an die wirkliche Geschichte. 1417 taucht die Mühle zum ersten Mal in Niederschriften auf und war bis kurz nach der Wende in Betrieb. Im Hof zeugt noch ein Mühlstein vom Mahlen des Getreides. Zwischen dem 14. und dem 20. Jahrhundert waren entlang der Spree 28 Mühlen im Stadtgebiet nachweisbar. Die Frankensteinsche Mühle ist wohl die älteste.

 

Leprakranke vor den Toren der Stadt

 

Geht man über die Brücke liegt am linken Ufer der Spree der ehemalige Friedhof »Zum Heiligen Geist«. Er ist das einzige Überbleibsel einer der ältesten Institutionen der Stadt, der 1359 errichteten Kirche und des Heilig-Geist-Hospitals. Hier wurden Leprakranke von Kirchenleuten mit christlicher Nächstenliebe betreut. Andreas Thronicker erzählt von der Not der »Aussätzigen«, die immer vor den Toren der Stadt untergebracht wurden. In die Stadt durften sie nur mit Vollkutte und Glöckchen, um die Stadtbevölkerung vor Ansteckung zu bewahren. So schritten sie über die Brücke, um am nahen Zollhaus Essen und Trinken abzuholen, das von Menschen aus der Stadt bereitgestellt wurde, um den Kranken zu helfen.

 

Schlacht bei Bautzen

 

Das Denkmal aus Granit auf dem Friedhof erinnert an die hier seit dem 14. Jahrhundert Bestatteten, den Opfern von Krankheiten und Kriegen. Allein 383 Kämpfer aus der Schlacht bei Bautzen 1813 fanden hier ein gemeinsames Grab.

 

Sein Herz für Kinder

 

Andreas Thronicker bietet Führungen für Kinder an. Die Nische, die er in seinen ersten Jahren als Stadtführer gefunden hat und für die er am Anfang von seinen Kollegen belächelt wurde, hat sich zum festen Standbein entwickelt. Er ist stolz, dass inzwischen einige andere Stadtführer seinem Vorbild gefolgt sind. Der Lauentürmer sagt: »Wenn man mit Kindern unterwegs ist, dann bekommt man Freude zurück, sie lachen gern und sind leicht zu begeistern.« In seiner Rolle des mittelalterlich Gewandeten versucht er sich auch in der entsprechenden Redeweise, um zu vermitteln, wie man früher gesprochen hat. Er sagt selbst: »Darin bin ich nicht perfekt. Aber es erscheint mir wichtig.« Kinder interessiert das sehr, sie mögen das Außergewöhnliche und sind nicht so kritisch, wie manch erwachsener Zeitgenosse. Der Stadtführer engagiert sich auch bei Projekttagen an Schulen und ist in seiner Freizeit Vorsitzender des Fördervereins der Schulsternwarte Bautzen. Mit vielen Ehrenamtlichen kümmert er sich hier, um die »astronomische Bildung der Jugend«.


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