

Herr Oberbürgermeister, Bautzen ist bekannt für seine historische Altstadt und seine kulturelle Vielfalt. Wie gelingt Ihnen der Spagat zwischen Bewahrung der Tradition und moderner Stadtentwicklung?
Diesen Spagat haben wir immer zu berücksichtigen. Im touristischen Bereich leben wir stark von unserer Altstadt. Auf Beschluss des Stadtrates haben wir die Spreequerung zusammen mit der Erweiterung des Schliebenparkplatzes im Strukturwandel beantragt. Wohl wissend, dass die Brücke in der Stadtgesellschaft umstritten ist. Einerseits hat eine fußläufige Zuwegung zur Altstadt positive Effekte für die Erreichbarkeit der Innenstadt. Anderseits befürchten viele Bürger, dass die historische und denkmalgeschützte Stadtansicht ein Stück weit verloren geht. Das ist das Spannungsverhältnis, in dem wir uns bewegen. Deshalb steht schlussendlich noch ein Bürgerentscheid im Raum, damit die Bürgerinnen und Bürger darüber abstimmen können.
Die Stadt Bautzen war in den letzten Jahren auch immer wieder im Fokus politischer und gesellschaftlicher Debatten. Wie fördern Sie ein konstruktives Miteinander aller Bevölkerungsgruppen in Ihrer Stadt?
In unserer Stadt gibt es von politischen Demonstrationen bis leider auch hin zu Graffitis eine Vielzahl von politischen Äußerungen. Die Auseinandersetzung mit diesen Dingen ist in Bautzen sehr öffentlich und lebendig mit einer breiten Debattenkultur: So beteiligten sich beispielsweise 2024 bei zwei Demonstrationen gegen Rechtsextremismus über 3.000 Menschen. Wir haben darüber hinaus verschiedene Bürgerinitiativen, die sich regelmäßig mit politischen Themen auseinandersetzen u.v.m. Das unterscheidet uns mit Sicherheit von anderen Städten. Auch ich als Oberbürgermeister positioniere mich z.B. auf dem kommenden Christopher-Street-Day, um für gegenseitige Toleranz einzutreten, welche immer die Basis des Miteinanders in einer Gesellschaft ist.
Welche Schwerpunkte setzen Sie aktuell in der Wirtschaftsförderung - und wie wollen Sie die Stadt für Unternehmen und Investoren attraktiver machen?
Wir sind seit fast zwei Jahren intensiv damit beschäftigt, die wirtschaftliche Verbindung nach Dresden zu stärken. Ganz aktuell haben wir eine Bewerbung als Wohnstandort für die Erweiterung des »Silicon Saxony« abgegeben. Wir arbeiten in diesem Zusammenhang auch daran, eine englischsprachige Beschulung auf den Weg zu bringen, weil ein Großteil der Kinder von den Beschäftigten des Silicon Saxony englisch sprechen wird. Außerdem sind wir dabei, zwei Gewerbegebiete im Süden und im Osten von Bautzen zu gestalten, um Flächen für potentielle Investoren anbieten zu können. Gemeinsam mit Wirtschaftsstaatssekretär Thomas Kralinski haben wir eine Initiative begründet, um einen Innovationskorridor »Dresden-Bautzen-Görlitz« ins Leben zu rufen. Dazu wird es Anfang August die erste Arbeitssitzung geben. Man muss wissen, dass in diesem 30-Kilometer breiten Korridor entlang der Bahnlinie jeder zweite Euro der Landkreise Bautzen und Görlitz verdient wird. Im wirtschaftlichen Bereich sind darüber hinaus unsere Anstrengungen für das Bauforschungszentrum mit dem Hauptcampus in Bautzen und die längst überfällige Elektrifizierung der Bahnstrecke Dresden-Görlitz nicht zu vergessen.
Bautzen hat eine starke sorbische Gemeinschaft. Wie unterstützt die Stadt die Zweisprachigkeit und den Erhalt der sorbischen Kultur im Alltag?
Wir haben in diesem Jahr den bisherigen Sorbischen Arbeitskreis zu einem Beirat aufgewertet, weil der Arbeitskreis nicht Teil unserer Hauptsatzung war. Damit hat der neu geschaffene Beirat jetzt jenen Stellenwert, den er in Bautzen haben muss. Alle unsere Entscheidungen sind unter Berücksichtigung der sorbischen Bevölkerung zu treffen und darum kümmert sich dieses Gremium. So haben wir z.B. sehr erfolgreich unser Konzept zur Sichtbarmachung der sorbischen Sprache weiterentwickelt. In dessen Rahmen wird nun auch die sorbischsprachige Ausschilderung im Handel gefördert. Letzteres mit der finanziellen Unterstützung des Freistaates. Auch gibt es die Idee, Touristen und allen Interessierten die sorbische Sprache über einen sogenannten »Poesiomaten« hörbar zu vermitteln.
Welche Maßnahmen plant oder verfolgt die Stadt, um dem demografischen Wandel entgegenzuwirken - insbesondere im Hinblick auf junge Menschen und Familien?
Ich lasse gerade prüfen, ob wir als Stadt rechtlich und finanziell die Möglichkeit haben, die Geburt von Kindern in Bautzen mit 1.000 bis 1.500 Euro zu unterstützen. Immerhin ist eine Erstausstattung für Kinder eine nicht unerhebliche finanzielle Belastung. Wenn wir diese Möglichkeit haben, werde ich eine Beschlussvorlage in den Stadtrat einbringen, um ein weiteres Signal für die Unterstützung von Familien in unserer Stadt zu geben. Wir wollen darüber hinaus Jugendliche über einen neuen Jugendbeirat stärker in die Gestaltung der Stadt einbinden, damit sie selbst aktiv werden können und Gehör finden für ihre Belange. Beim Bautzener Frühling gibt es bereits durch die Konzeptänderung ein spezielles Konzertangebot, welches sich direkt an junge Leute wendet. Damit möchten wir junge Menschen abholen. Und natürlich gehört auch die Fortführung des traditionellen Kinderempfangs beim OB zu diesen Maßnahmen.
Wie ist der Stand beim Ausbau der Infrastruktur - Stichwort öffentlicher Nahverkehr, digitale Anbindung und Straßensanierung?
Was uns aktuell stark beschäftigt, ist der Glasfaserausbau. Die Energie- und Wasserwerke sind unterwegs, um Fernwärmeanschlüsse auszubauen, ein sehr wichtiges Thema momentan. Im Bereich der Straßensanierung würden wir gern mehr tun, als uns derzeit finanziell möglich ist. Der Bedarf ist höher, als wir im Haushalt abdecken können.
Der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Wie wollen Sie Bautzen künftig noch stärker als Reiseziel positionieren?
Die große Aufgabe dieser Tage ist die Überführung der Marketinggesellschaft Oberlausitz in ein neues Konstrukt. Wir brauchen dieses landkreisübergreifende Marketing für die Oberlausitz, dessen Teil wir als Stadt sind. Da sind neue Wege und das Engagement aller Kommunen gefragt - wir als Stadt Bautzen müssen daran einen großen Anteil haben. Außerdem arbeiten wir daran, das Stadtmarketing schlagkräftiger aufzustellen, um touristische Angebote noch besser vermarkten zu können.
Wie sieht Ihre Klimastrategie für Bautzen aus? Welche konkreten Schritte unternimmt die Stadt für mehr Nachhaltigkeit und Umweltschutz?
Wir haben als Stadt zusammen mit der EWB bereits vor zwei Jahren eine Energiemanagementanalyse für den öffentlichen Bereich auf den Weg gebracht. Darüber hinaus werden wir noch dieses Jahr die Entscheidungen für die Standorte von mobilem Stadtgrün treffen, um die Aufenthaltsqualität in Bautzen zu verbessern. Diesen Weg wollen wir gehen, weil es in einer Stadt nicht möglich ist, die versiegelten Flächen umfangreich zurückzubauen.
Was tut die Stadt gegen die zunehmende Zahl an Graffiti, welche Kosten verursacht das und wie könnte man es verhindern oder eindämmen?
Wir entfernen solche Graffiti. Im Februar haben wir z.B. 5.000 Euro investiert, um Schmierereien zu entfernen. Das ist finanziell sehr aufwändig und natürlich auch sehr ärgerlich. Was man dagegen tun kann, fängt im Kopf desjenigen an, der meint, mit einer Spraydose Wände gestalten zu dürfen, die ihm nicht gehören. Das ist das Grundproblem, genauso wie die unsägliche »Bestickerung« von Laternen und Ampelanlagen.
Zum Abschluss eine persönliche Frage: Was motiviert Sie täglich in Ihrem Amt, und welches langfristige Ziel haben Sie für Bautzen?
Ich habe eine Reihe langfristiger Ziele: etwa die Sanierung der Allende-Oberschule, der Neubau einer Dreifeld-Turnhalle, die Errichtung des Bauforschungszentrums oder die Entwicklung der Gewerbegebiete. Auch die Anbindung der Stadt in Richtung Dresden liegt mir sehr am Herzen. Wenn diese Ziele gelingen, kann ich vielleicht einmal zurückblicken und sagen, es war sinnhaft, dass ich morgens aufgestanden bin. In Summe war und bin ich schon immer mit Aufgaben zu motivieren.
Vielen Dank für das Gespräch.