

Das Stadtarchiv Bautzen verfügt über einen herausragenden Bestand an Urkunden, Amtsbüchern und Akten. Das ist umso erstaunlicher, da das Gedächtnis der Stadt über viele Jahrhunderte negativen Einflüssen durch Stadtbrände, Kriege, schlechte Lagerung, Umzüge oder Plünderung ausgesetzt war. Zu erkennen sind die dadurch entstandenen »Gedächtnislücken« anhand alter Findbücher und -listen, in denen Archivalien verzeichnet sind, die heutzutage fehlen. Umso schöner, wenn sich eine solche Lücke wieder schließt, wie jetzt geschehen.
Kürzlich erreichte das Stadtarchiv eine Chronik, die Aufzeichnungen zur Geschichte verschiedener Orte der Ober- und Niederlausitz, insbesondere zu den Sechsstädten Bautzen, Görlitz, Kamenz, Lauban, Löbau und Zittau, aber auch zu kleineren Orten wie beispielsweise Elstra, Ruhland oder dem Kloster St. Marienstern sowie zu Lübbenau, Forst, Cottbus und anderen Niederlausitzer Städten enthält. Auch einige Urkundenabschriften und Statuten einzelner Städte finden sich eingebunden. Ein eingebundenes Schreiben nennt als Adressaten den Mediziner und Botaniker Johannes Franke, was darauf schließen lässt, dass er derjenige war, der die Chronik zusammengestellt hat.
Franke wurde 1540 in Hildesheim geboren und starb 1617 in Bautzen, wo er auf dem Taucherfriedhof als überregional bekannter Arzt, Botaniker, Historiker und Humanist bestattet wurde. Es ist anzunehmen, dass die Chronik zu seinen Lebzeiten um 1600 entstand und später noch ergänzt wurde. Damit ist sie eine der ältesten Chroniken im Stadtarchiv Bautzen. Wie und wann die Chronik genau aus dem Bestand des Stadtarchivs entfernt wurde, ist nicht mehr nachzuvollziehen, ein der anonymen Übergabe beiliegendes Schreiben weist jedoch auf eine Entwendung während der letzten Kriegstage 1945 hin.
Die Umstände des Verlustes sind heute nicht mehr aufklärbar, viel wichtiger ist jedoch, dass die Chronik den Weg zurück gefunden hat und nun, nach einer notwendigen restauratorischen Behandlung, vielen weiteren Generationen für eine Einsichtnahme zur Verfügung steht. Vielleicht finden sich ja auf dem ein oder anderen Bautzener Dachboden weitere Stücke, die ursprünglich aus dem Stadtarchiv Bautzen stammen. Für die Erforschung der Geschichte der Stadt wäre es ein Glücksfall, wenn weitere Fehlstellen im Bestand geschlossen werden könnten.